Wir erhalten derzeit viele Anfragen zu Antikörpertests”, erzählt Dr. Barbara Römer, die eine Hausarztpraxis in Saulheim führt. Auch die Allgemeinmediziner Dr. Jens Lassen aus Leck und Jens Wagenknecht aus Varel beobachten, dass immer mehr Patienten mit ihnen dazu das Gespräch suchen. “Viele möchten eben wissen, ob sie schon Corona hatten”, sagt Lassen. Er führt dies auf die zunehmenden Medienberichte seit Anfang Mai zurück, als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen der Hersteller besuchte. Damit rückten Antikörpertests stärker in den öffentlichen Fokus. Das Verzwickte daran: Noch viele Fragen zu den Tests sind offen.
Für Hausärztinnen und Hausärzte bedeutet das vor allem: Beratung. “Unter Patienten herrscht große Verunsicherung, besonders aufgrund der Fülle an Information und Desinformation”, weiß auch Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands. “Vor einem Test ist ein Gespräch mit dem Hausarzt unerlässlich. Nur wenn Patienten darüber aufgeklärt sind, was das Ergebnis für sie bedeuten würde und wie aussagekräftig es ist, können sie sich bewusst entscheiden.”
Viel Zeit in der Beratung nähmen aber auch Fragen nach der Finanzierung der Tests ein. Die Regelung gleicht noch immer einem Flickenteppich. Im Gespräch mit den Patienten überlagerten diese Fragen leider oft die viel wichtigere Aufklärung über die Tests und ihre Bedeutung, bemängelt Weigeldt.
Prävalenz entscheidend
Viele Hausärzte sind aus gutem Grund derzeit noch zurückhaltend, wenn Patienten nach Antikörpertests fragen. So hängt die Aussagekraft für den Einzelnen nicht nur von Sensitivität und Spezifität des Tests ab, sondern maßgeblich auch von der Prävalenz. Aktuell befindet sich Deutschland immer noch im Anfangsstadium der Pandemie, das heißt bisher sind vergleichsweise wenige Menschen mit dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) infiziert.
“Erst wenn die Durchseuchung der Bevölkerung einen wesentlich höheren Grad erreicht hat, sind Ergebnisse für den Einzelnen valide”, erklärt Römer, die auch Landesvorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz ist. Besonders gefährlich sind falsch positive Ergebnisse, erläutert Bundesvorstandsmitglied Wagenknecht, weil Patienten dann womöglich auf Schutzmaßnahmen verzichten, obwohl diese weiterhin nötig wären.
Darüber hinaus ist wissenschaftlich noch nicht geklärt, ob und wie lange Menschen mit Antikörpern gegen SARS-CoV-2 immun sind, ergänzt Lassen. Erste Studien deuten darauf hin, dass der Körper einen Schutz entwickelt, aber der Untersuchungszeitraum ist noch zu kurz, um dies abschließend beurteilen zu können.
Nur Virustest weist akute Infektion nach
Für Hausärztinnen und Hausärzte seien sowieso die PCR-Tests auf SARS-CoV-2 relevanter für Entscheidungen in der Praxis. Denn nur diese weisen nach, ob ein Patient aktuell infiziert ist oder nicht, sodass Maßnahmen zum Infektionsschutz eingeleitet werden können. “Antikörpertests können das nicht leisten. Auch das ist Patienten oft nicht bewusst”, berichtet Lassen.
All diese Punkte erkennt auch Hausärztin Dr. Jana Husemann an. Sie sieht bisher für Antikörpertests für die Arbeit in der Praxis lediglich eine “Nischenindikation”: Weisen Patienten seit etwa einer Woche für Corona typische Beschwerden auf und die PCR fällt negativ aus, so kann ein Antikörpertest nützlich sein. Denn in Studien zeigte sich, dass die Viruslast im Rachen gegen Ende der ersten Krankheitswoche stark sinkt. Dadurch kann die PCR fälschlicherweise negativ sein.
In diesem Fall könne am Ende der ersten Woche und nach drei Wochen ein Antiköpertest angezeigt sein. “Wenn die Antikörper in dieser Zeit zunehmen, spricht dies dafür, dass der Patient akut an Covid-19 erkrankt ist”, erklärt Husemann vom Hamburger Hausärzteverband. “Auch hier muss man sich falsch positiver Ergebnisse bewusst sein. Diese werden aber durch die zweite Testung vermindert.”
Patienteninfo zu Antikörpertests unter www.hausarzt.digital/covid19