KommentarImmunitätspässe sind Humbug

Der von Bundesgesundheitsminister Jans Spahn eingebrachte Ausweis für Immune ist der falsche Weg, der besser nicht beschritten werden sollte. Denn Tests sind nach wie vor fehleranfällig und eine Stigmatisierung hilft in der gegenwärtigen Situation niemandem weiter.

Wenn Sie dies lesen, hat sich der Bundestag bereits mit dem zweiten Pandemie-Gesetz [1] beschäftigt. Bei Druckschluss wollte Gesundheitsminister Jens Spahn die Ausnahme von Schutzmaßnahmen für “Immune” im Kabinettsentwurf (s.u.) zunächst auf Eis legen. Immunitätspässe sind damit aber nicht endgültig vom Tisch und viele Kritikpunkte bleiben bedenkenswert. Geplant war, dass Ärzte neben Impfungen auch die Immunität bescheinigen. Dies geht über Corona hinaus und soll für “eine bestimmte übertragbare Krankheit” gelten. Ob dies auf den Auslöser einer Pandemie begrenzt ist oder künftig für jegliche übertragbare Krankheit greifen kann, ist offen.

Dokumentiert werden soll die zu erwartende Dauer der Immunität, deren Grundlage (etwa Antikörpertest) sowie Name, Kontakt und Signatur des bescheinigenden Arztes. Eine Pandemie bringt noch größere Unsicherheit mit sich als medizinische Entscheidungen sowieso, das ist unbekannten Erregern immanent. Allein deswegen stehen Immunitätsausweise auf wackeligem Boden.

Hinzu kommt, dass jeder Test falsch positiv oder falsch negativ ausfallen kann. Gerade die Corona-Antikörpertests sind noch sehr fehleranfällig und können bislang nicht überprüft werden. Ein “falsch Positiver” verzichtet womöglich auf wichtige Schutzmaßnahmen. Ursprünglich hätte das Gesetz dies sogar gefördert: Bei Maßnahmen ist zu berücksichtigen, ob Geimpfte oder Immune “von der Maßnahme ganz oder teilweise ausgenommen werden” können, hieß es im Kabinettsentwurf. Wer möchte dafür haften, wenn sich die bescheinigte Immunität als nichtig herausstellt? Bei einer Impfung dokumentieren Ärzte ja auch nur die stattgefundene Impfung, aber nicht die wahrscheinliche Schutzdauer.

Pro Immunitätspässe wird eine fortlaufende Wirtschaft angeführt. Aktuell ist das fraglich: Wie sollen 130.000 Genesene [2] die Wirtschaft am Laufen halten? Gewiss ist hingegen, dass eine Stigmatisierung und eine Spaltung in Gesunde und Kranke befördert würden. Ein neuer Anreiz für Corona-Partys. Nicht ausmalen möchte ich mir, wohin ein Immunitätsausweis bei übertragbaren Krankheiten führen würde, deren Betroffene bereits heute unter Diskriminierung leiden. Immunitätspässe sind daher bedenklich, meint Ihre

Johanna Dielmann-von Berg, Stellv. Chefredakteurin “Der Hausarzt”

Quellen

  1. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, Stand 29.4.20
  2. COVID-19 Fallzahlen des Robert Koch-Instituts, Stand 3.5.20
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