Berlin. Die Zahl der Organspender ist im vergangenen Jahr leicht von 955 auf 932 zurückgegangen. Auch bei den gespendeten Organen verzeichnete die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) laut Mitteilung vom Montag (13. Januar) einen Rückgang von 3.113 im Jahr 2018 auf nun 2.995. Die Zahlen wurden wenige Tage vor der wichtigen Abstimmung im Bundestag zum Thema Organspende veröffentlicht.
Die Zahlen in den Jahren davor lagen unter denen aus dem vergangenen Jahr. Der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. Axel Rahmel, spricht daher für 2019 auch nur von “statistischen Schwankungen” und keiner großen Änderung.
Nach aktuellen DSO-Zahlen wurden im vergangenen Jahr insgesamt 1524 Nieren, 726 Lebern, 329 Lungen, 324 Herzen, 87 Bauchspeicheldrüsen sowie 5 Dünndärme. Jeder Spender hat im Schnitt mehr als drei Schwerkranken eine neue Lebenschance geschenkt.
Deutschland unter globalen Schlusslichtern
“Allerdings bildet Deutschland mit einer bundesdurchschnittlichen Spenderrate von 11,2 Spendern pro eine Million Einwohner nach wie vor eines der Schlusslichter im internationalen Vergleich”, gibt die DSO in ihrer Mitteilung zu bedenken. Es habe zuletzt aber mehr Kontakte mit Krankenhäusern gegeben. “Die DSO geht davon aus, dass die öffentlichen Diskussionen um die Organspende dazu beitragen, das Bewusstsein für Organspende in den Kliniken zu verbessern.”
Dazu passt auch, dass am Donnerstag (16. Januar) der Bundestag über neue Regeln für Organspenden entscheiden soll.
Alternativer Gesetzentwurf setzt auf Hausärzte
Konkret stehen sich dabei zwei Gesetzentwürfe gegenüber:
“Doppelte Widerspruchslösung”: Eine Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Fachpolitiker Karl Lauterbach macht sich für eine “doppelte Widerspruchslösung” stark. Sie würde das bestehende Prinzip umkehren, dass Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem Ja zulässig sind. Stattdessen soll jeder automatisch Spender sein – man soll dem aber jederzeit widersprechen können und müsste das in einem neuen Register speichern. Vor einer Transplantation müsste ein Arzt dort abfragen, ob es eine Erklärung gibt. Falls nicht und es auch sonst kein schriftliches Nein gibt, ist der nächste Angehörige zu fragen – aber nicht nach einer eigenen Entscheidung, sondern ob er ein Nein oder einen anderen Willen des Verstorbenen kennt.
Geplant ist eine große Informationskampagne für eine neue Regelung, außerdem soll jeder ab 16 Jahren dreimal direkt mit Informationen angeschrieben werden. Kommen Minderjährige als Spender infrage, wäre eine Organentnahme nur zulässig, wenn ein Angehöriger zugestimmt hat – das sind wohl meist die Eltern. Bei Menschen, die die Tragweite einer solchen Entscheidung nicht erkennen können – etwa wegen einer geistigen Behinderung – sollen Organspenden grundsätzlich tabu sein.
“Informierte Entscheidung” als Alternative: Eine andere Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linke-Vorsitzende Katja Kipping lehnt einen derart tiefen Eingriff in die Selbstbestimmung ab. Sie schlägt stattdessen vor, die Bürger mindestens alle zehn Jahre direkt anzusprechen. Wer ab 16 einen Personalausweis beantragt, ihn verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll auf dem Amt Informationsmaterial bekommen. Beim Abholen kann man sich dann auch schon direkt vor Ort in ein neues Online-Register eintragen – mit Ja oder Nein. Auch in Ausländerbehörden soll es so etwas geben. Selbst beraten sollen Ämter ausdrücklich nicht. Für Kinder sollen die Neuregelungen nicht gelten.
Für eine regelmäßige Aufklärung spielen in diesem Konzept auch Hausärzte eine größere Rolle. Sie können Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über Organspenden informieren und zum Eintragen ins Register ermuntern – aber ergebnisoffen und mit dem Hinweis, dass es weiter keine Pflicht zu einer solchen Erklärung gibt. Grundwissen über Organspenden soll auch Teil der Erste-Hilfe-Kurse vor einer Führerscheinprüfung werden. Im Online-Register sollen Entscheidungen jederzeit zu ändern sein.
Die AfD hat darüber hinaus einen Antrag eingebracht, in dem zunächst von einer “abzulehnenden” Widerspruchslösung die Rede ist. Das Ziel ist mehr Vertrauen in das Organspendesystem. Dafür soll der Bundestag die Regierung unter anderem auffordern, dass die Aufsicht über die Vermittlung von Organen auf eine “unabhängige öffentlich-rechtliche Institution” übertragen wird. Diese dürfe nicht mit Beteiligten im Organspendeverfahren besetzt sein.
Politik hat bereits Schritte unternommen
Um die Organspendezahlen wieder steigen zu lassen, hat die Bundesregierung bereits im abgelaufenen Jahr ein neues Gesetz auf den Weg gebracht. So bekamen Transplantationsbeauftragte in den Krankenhäusern einen höheren Stellenwert, ihre Arbeit wird besser vergütet. Schulungen etwa zum Umgang mit Patientenverfügungen und eine bessere Analyse der Todesfälle in Kliniken sollen ebenfalls dazu beitragen, dass die Zahl der Organspenden steigt.
Erstmals aufgenommen wurde darüber hinaus die Betreuung der Angehörigen – eine Wertschätzung, die aus DSO-Chef Rahmels Sicht nicht zu unterschätzen ist.
Auch abseits der politischen Schritte haben sich Initiativen einer Steigerung der Organspendezahlen angenommen. So stellen der Deutsche Hausärzteverband und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beispielsweise Materialien für die Hausarztpraxis zur Verfügung, um Hausärzte in ihrer beratenden Rolle zu unterstützen.
Über 9000 Menschen warten auf ein Organ
Zum Jahresende 2019 warteten nach wie vor über 9000 Menschen auf eine Transplantation. Die Wartezeit etwa auf eine passende Niere beträgt in Deutschland im Mittel über acht Jahre. Die DSO warb anlässlich der Veröffentlichung der Zahlen für 2019 für eine doppelte Widerspruchslösung.
Mit Material von dpa