Cannabinoide können nach dem Dafürhalten von PD Dr. Michael Überall, Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie, Nürnberg, in der Therapie von Schmerzerkrankungen durchaus eine Rolle spielen. Die faktische Freigabe sämtlicher medizinischer Zubereitungen von Cannabis ohne Einschränkung auf bestimmte Indikationen mit dem “Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften” bringe allerdings eine große Unsicherheit mit, auch ärztlicherseits. Weder vor dessen Inkrafttreten 2017 noch danach wurde für ein cannabinoidhaltiges Fertigarzneimittel der für eine reguläre Zulassung notwendige Weg des Wirksamkeitsnachweises in der Schmerzbehandlung durch randomisiert kontrollierte Studien beschritten. Dementsprechend dünn ist die Datenlage, die den Einsatz von Cannabinoiden in der Schmerzmedizin stützt.
Überall plädiert bei Schmerz-erkrankungen, die nicht ausreichend auf etablierte Therapien ansprechen, für ein pragmatisches Vorgehen. Wenn die in § 31 Abs. 6 SGB V geforderten Voraussetzungen, unter anderem das Vorliegen einer “schweren Erkrankung”, nicht gegeben sei, könne man Cannabidiol (CBD) als Fertigarznei oder Rezeptur verordnen, allerdings würden die Kosten dafür in aller Regel nicht von den Kassen übernommen. Liegen die sozialrechtlichen Voraussetzungen dagegen vor, dann rät Überall bevorzugt zum Off-label-Use eines bereits für eine andere Indikation zugelassenen Fertigarzneimittels wie dem THC/CBD-haltigen Nabiximols-Oromu- kosalspray (Sativex®). Vorteile seien neben dessen durch klinische Studien sorgfältig evaluierten Nebenwirkungs- und Risikoprofils und dem definierten Wirkstoffgehalt auch die im Vergleich zu anderen Cannabiszubereitungen deutlich geringeren Kosten.
Quelle: Veranstaltung der Almirall Hermal GmbH: Ist Cannabis gleich Cannabis? Evidenzbasierte Schmerztherapie mit Sativex®. 11.10.2019, Deutscher Schmerzkongress, Mannheim