Funken referierte über Verkehrstauglichkeit und Reisefähigkeit im Alter und vermittelte eine klare Botschaft: Wenn Hausärzte präzise dokumentieren und im Streitfall belegen können, dass sie ihrer ärztlichen Sorgfalts- und Aufklärungspflicht nachgekommen sind, sind sie auf der sicheren Seite. “Die Aufklärung des Patienten ist in der Krankenakte unter Auflistung der erteilten Warnungen zu dokumentieren”, sagt Funken. Steigt der Patient später mit Unterzucker ins Auto und fährt gegen den nächsten Laternenpfahl, liegt die Verantwortung demnach nicht beim Hausarzt. Wohl aber die Beweislast, dass eine entsprechende Aufklärung erfolgt ist.
Arzt hat “Bring-Pflicht”
Deshalb riet Funken seinen Kollegen, Patienten aktiv auf ihre Fahrtauglichkeit anzusprechen. Patienten sehen hier mehrheitlich keinen Gesprächsbedarf; gerade “ältere Patienten sprechen ihren Arzt nur zu 19 Prozent von sich aus an”, so Funken. Die Reisefähigkeit oder die Fahrtauglichkeit seien für viele Patienten ein hohes Gut und mithin nicht verhandelbar, oft fehle es auch an Einsicht über die tatsächlichen Fähigkeiten. Hier sieht Funken den Arzt in einer “Bring-Pflicht”.
Die Belehrung eines Patienten über eine etwaige Fahruntauglichkeit in Folge von Krankheit oder Medikation berührt die ärztliche Aufklärungspflicht, die Sicherungsaufklärung und Selbstbestimmungsaufklärung. Wichtig sei hier mit dem Patienten auf einer Ebene zu kommunizieren. “Versteht Ihr Patient zum Beispiel dasselbe unter einer Hypoglykämie wie Sie?”, nennt Funken als ein Beispiel. Patienten mit Hypoglykämien seien nur dann als fahrtauglich einzustufen, wenn sie nachweisen könnten, dass sie ihre “Hypos” erkennen und beherrschen.
Der Diabetes mellitus ist eine der Krankheiten, bei denen Hausärzte an die Fahrtauglichkeit denken sollten. Zur Diskussion steht sie auch bei Alkohol- und Drogenkrankheiten, Psychosen und Psychopharmakatherapie, kreislaufabhängigen Störungen der Hirntätigkeit und Epilepsien, Erkrankungen des Rückenmarks, extrapyramidalen und zerebellären Syndromen, bei Erkrankungen der neuromuskulären Peripherie und Hirnverletzungen, Operationen und Hirnschäden, Schlafapnoe, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall und Demenz. Insbesondere bei Alkoholismus, Drogenmissbrauch und schweren psychischen Erkrankungen ist das Unfallrisiko erhöht.
Fahrprobe bei leichter Demenz
Bei Demenz sei eine Fahrprobe sinnvoll, so Funken. Patienten mit mittlerer und schwerer Demenz sind nicht fahrtauglich, bei leichten kognitiven Störungen und fraglicher subklinischer Demenz steht die Fahrtauglichkeit hingegen zunächst nicht zur Diskussion, so Funken und wies darauf hin, dass die Hälfte aller Alzheimer-Patienten noch drei Jahre nach der Diagnose am Steuer sitzen.
Nach einer TIA seien Patienten nur dann fahrtauglich, wenn die Rezidivgefahr nicht signifikant erhöht ist. Bei Behinderungen sei die Fahrtauglichkeit unter Auflagen gegeben, bei fortschreitenden Gefäßerkrankungen seien Nachuntersuchungen erforderlich.
Parkinson-Patienten müssen bei der Ein- und Aufdosierung über potenzielle Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Werden Symptome wie visuelle Defizite, motorische Beeinträchtigungen oder Schlafattacken chronisch, muss die Fahrerlaubnis dauerhaft entzogen werden.
Patienten mit Epilepsie müssen je nach Erscheinungsbild mehrmonatige Fahrpausen einlegen. Beim unprovozierten ersten Anfall ist eine Fahrpause für sechs Monate einzuhalten, bei einer manifesten Epilepsie sind es zwölf Monate. Ist eine antiepileptische Medikation abgeschlossen, gilt die Fahrpause bis zum Abschluss der Medikation und für weitere drei Monate nach Therapieende.
Die Einnahme von Medikamenten ist gleichwohl per se kein Grund die Fahrtüchtigkeit in Frage zu stellen; allerdings weisen zahlreiche Wirkstoffgruppen eine verkehrsmedizinische Relevanz auf. Dazu zählen neben anderen Analgetika, Narkosemittel, Stimulanzien und Antiepileptika, aber auch Antihistaminika. Eine erhöhte Unfallgefahr wird in Zusammenhang gebracht mit Schlaftabletten, Opiaten und Opioiden. Bei der Einnahme von Antidepressiva ist die Fahrtüchtigkeit bei der Einmalapplikation nicht gegeben bei Amitriptylin, Trazodon und Imipramin bis zu einem Tag lang.
Insbesondere ältere Fahrteilnehmer stehen im Verdacht “schlechter” zu fahren. Denn naturgemäß nehmen im Alter unter anderem Kontrastsensitivität, Seh- und Hörvermögen ab, die Blendempfindlichkeit hingegen zu. Die Verarbeitung von Informationen verschlechtert sich, die Reaktionsfähigkeit verlängert sich. Studien bestätigen diese Annahme jedoch nicht. Senioren verursachen demnach nicht häufiger Unfälle, möglicherweise auch deshalb, weil sie Kompensationsstrategien zum Ausgleich einer verminderten Fahrtauglichkeit nutzen. Sie fahren demnach seltener, langsamer, kürzere Strecken und machen mehr Pausen. Regelmäßige Kontrollen der Fahrtauglichkeit älterer Verkehrsteilnehmer haben keinen Einfluss auf die allgemeine Verkehrssicherheit, so das Ergebnis einer Erhebung aus dem Jahr 2013.
Belastbarkeit der Patienten ist entscheidend
Auch bei der Frage der Reisetauglichkeit ist der Hausarzt mit einer sorgfältigen Dokumentation seiner Beratung in der Patientenakte grundsätzlich auf der sicheren Seite. Zu differenzieren ist insbesondere die Art der Fortbewegung. Bei Reisen mit dem PKW, an dessen Steuer der Patient selbst sitzt, sind Fragen der Fahrtauglichkeit berührt. Bei organisierten Busreisen oder Zugfahrten liegt die Messlatte der Reisetauglichkeit weniger hoch, wohl aber bei Flugreisen. Die Belastbarkeit eines Patienten ist hier ein entscheidendes Kriterium. Grundsätzlich nicht fliegen sollten unter anderem Patienten mit Luftnot bei niedriger Leistungsstufe, Patienten mit zunehmender Luftnot oder zunehmenden Ödemen, Patienten mit plötzlicher Bewusstlosigkeit, instabilem Diabetes mellitus, einer relevanten Anämie sowie nicht eingestellter Hypertonie.
Medikamente ins Handgepäck
Hinzuweisen sind Patienten mit Beeinträchtigungen vor einer Flugreise auf den veränderten Kabinendruck, die verringerte Sauerstoffsättigung im Blut und gegebenenfalls die Notwendigkeit einer Thromboseprophylaxe. “Medikamente gehören griffbereit ins Handgepäck”, sagt Funken. Bei Langstreckenflügen sei zudem die Zeitverschiebung bei der Medikamenteneinnahme zu berücksichtigen. Ein leichtes Beruhigungsmittel könne zur Anpassung des zirkadianen Rhythmus an die neuen Uhrzeiten sinnvoll sein.
Überhaupt nicht reisetauglich sind Patienten drei Wochen nach Einsetzen eines Herzschrittmachers, je nach Befund drei Wochen nach Herzinfarkt und sechs Wochen nach Herzoperation, drei Wochen nach Einsetzen eines Defibrillators, Patienten innerhalb von drei Wochen nach Dilatation der Herzkranzgefäße sowie Patienten mit Angina Pectoris mit niedriger Leistungswattstufe um die 50 Watt. Anschließend ist die Reisetauglichkeit gegeben, sofern die körperliche Leistungsfähigkeit nicht wesentlich eingeschränkt ist. Je nach Alter und Gewicht sollten 120 bis 150 Watt geschafft werden.
Grundsätzlich steht der Reiselust auch bei chronisch kranken Patienten nichts im Weg. Als Hausarzt sollte man sie aber auf die Gefahr von Extremsituationen wie Hitze, Kälte und Höhe hinweisen. Vor Gebirgstouren steht bei Risikopatienten ein Belastungscheck an; auch hier sollten je nach individuellen Voraussetzungen 120 bis 150 Watt kein Problem sein. Als unproblematisch gelten je nach Grunderkrankung Mittelgebirgslagen bis 1.500 Meter Höhe. Herzkranke Patienten sollten keine Gebiete mit extrem kalten Temperaturen unter fünf Grad Celsius aufsuchen, da hier die Herztätigkeit beeinträchtigt werden kann. Eine langsame Eingewöhnung im Urlaubsort sowie eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme schaden im Übrigen auch Gesunden nicht.
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Mehr zur Fahrtauglichkeit bei Diabetikern unter: https://hausarzt.link/Nmv9j Die Patienteninformation „Fit genug für‘s Fahren“ finden Sie unter: www.hausarzt.digital Folgende Patienteninformationen sind bisher erschienen: