London. Wer Vorbeugemaßnahmen gegen die Infektion mit dem Aids-Virus HIV nutzt, kann einer Studie zufolge ein hohes Risiko haben, an einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit zu erkranken.
Ärzte diagnostizierten bei fast drei Vierteln der Patienten, die eine Prä-Expositionsprophylaxe gegen HIV (PrEP) nutzten, innerhalb des ersten Jahres Tripper, Chlamydien oder Syphilis, berichten Forscher um Jason Ong von der London School of Hygiene and Tropical Medicine in London im Fachmagazin “JAMA Network Open”. Die Deutsche Aidshilfe warnte vor einer Fehlinterpretation der Daten.
“Wenn man genauer hinsieht, findet man auch mehr”
Für Armin Schafberger von der Aidshilfe in Berlin sind die Zahlen nicht überraschend. Er gibt zu bedenken, dass die Studie Art und Umfang der medizinischen Untersuchungen und Diagnosen nicht berücksichtige.
Dies zeige sich beispielsweise darin, dass Tripper, Chlamydien und Syphilis in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen viel häufiger nachgewiesen wurden als in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Durchschnittseinkommen.
“Wenn man genauer hinsieht, findet man auch mehr”, betont Schafberger – weil auch diejenigen auf die Krankheiten untersucht werden, die keine Symptome haben.
Verwenden PrEP-Nutzer seltener Kondome?
Schon seit langem gibt es unter Experten die Befürchtung, dass die “Impfung gegen Aids” dazu führt, dass die Nutzer seltener Kondome verwenden und bei ihnen die Gefahr der Infektion mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten steigt.
Die Wissenschaftler um Ong, darunter Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hatten 88 Untersuchungen von fünf Kontinenten zur Nutzung von PrEP und deren medizinische Begleitung ausgewertet.
PrEP ist eine Medikamentenkombination, die wirkungsvoll vor einer Infektion mit HIV schützt. Die Voraussetzung ist, dass die Patenten keinen HI-Virus in sich tragen.
Während bei der Eingangsuntersuchung zu PrEP bei 23,9 Prozent der Patienten Tripper, Chlamydien oder Syphilis diagnostiziert wurden, lag die Anzahl der Erkrankungen innerhalb des ersten Jahres der Nutzung von PrEP bei 72,2 Prozent.
Die erste Zahl gebe an, wie viele der Teilnehmer aktuell eine Geschlechtskrankheit (STI) hatten, die zweite besage, bei welchem Wert dieser Anteil im Zeitraum eines Jahres lag – damit seien die Daten nicht vergleichbar und es lasse sich nicht ableiten, dass durch PrEP ein Anstieg hervorgerufen wurde, gab die Deutsche Aidshilfe zu bedenken. “Ob oder wie stark Menschen vom Kondom auf PrEP umgestiegen sind und damit ein höheres STI-Risiko hatten, lässt sich aus dieser Studie nicht ablesen.”
Quelle: dpa