Eine große Studie erhärtet die Evidenz dafür, dass Stressreaktionen auf gravierende Erlebnisse das Risiko für Herzerkrankungen erhöhen können. Die Autoren raten, solche Patienten aufmerksam zu beobachten.
Die Aussagekraft bisheriger Studien über einen solchen Zusammenhang von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) und Herzerkrankungen ist jedoch wegen geringer Teilnehmerzahlen beschränkt. Diese schwedische Studie untersucht nun an 136.637 Patienten des nationalen schwedischen Patientenregisters, die an PTSD und anderen Stressreaktionen litten, ob Stressreaktionen und das Risiko für Herzerkrankungen assoziiert sind. Jeder exponierte Patient wurde mit zehn gesunden Patienten gematcht, die zum Diagnosedatum des exponierten Patienten keine Herzerkrankung und keine Stresserkrankung hatten. Um familiäre Einflüsse auszuschließen, wurde in einer zweiten Auswertung das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei den 106.180 Patienten, die Geschwister ohne Stresserkrankung hatten, mit dem kardiovaskulären Risiko eben dieser Geschwister verglichen.
Die Inzidenz für eine kardiovaskuläre Erkrankung betrug in der Gruppe der Exponierten 10,5, in der Gruppe der Geschwister ohne Stressreaktion 8,4 und in der Gruppe der gematchten 6,9 (jeweils pro 1.000 Personenjahre). Wurden die Patienten mit ihren Geschwistern verglichen, ergab sich eine HR für allgemeine kardiovaskuläre Erkrankungen von 1,64. Für Herzversagen war die HR mit 6,95 im ersten Jahr nach der Diagnose am höchsten. Das allgemeine Risiko und die speziellen Risiken sanken mit der Zeit. Stressbezogene Erkrankungen waren stärker mit früher Diagnose von kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert als mit späten Erkrankungen. Bis auf fatale kardiovaskuläre Erkrankungen wurden diese Werte nicht von psychiatrischen Komorbiditäten beeinflusst. Die Analyse der gematchten Kohorte ergaben ähnlich Ergebnisse.
Die Autoren schließen daraus, dass stressbezogene Erkrankungen mit verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert sind. Diese Assoziation ist unabhängig vom familiären Hintergrund, der Geschichte von somatischen und psychiatrischen Erkrankungen, dem Geschlecht und psychiatrischen Komorbiditäten. Das Risiko ist in den Monaten nach der Diagnose einer stressbezogenen Erkrankung besonders hoch, deswegen raten die Autoren dazu, bei solchen Patienten aufmerksam zu sein und sie gegebenenfalls zu überwachen und früh zu intervenieren.
Quellen:
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0066435
Donald Edmondson et al.: Posttraumatic Stress Disorder and Risk for Coronary Heart Disease: A Meta-analytic Review. Am Heart J. 2013 November ; 166(5): . doi:10.1016/j.ahj.2013.07.031
KOMMENTAR von Roland Müller-Waldeck
Die Autoren meinen, die Evidenz bisheriger Studien sei lückenhaft, es lägen vorwiegend Daten über Männer vor, die Auswirkungen von familiären Faktoren und psychiatrischen Co-Erkrankungen seien nicht gemeinsam untersucht und die Teilnehmerzahlen vieler Studien sei zu niedrig, um das Risiko für einzelne kardiovaskuläre Erkrankungen zu untersuchen.
Dieser Einschätzung steht eine Metaanalyse von Edmondson et al. entgegen, die über 400.000 Patienten einschloss, von denen zwar die Mehrzahl Veteranen waren, aber von denen auch etwa 40.000 Zivilisten mit stressbezogenen Erkrankungen waren. Die Hazard Ratio (HR) für eine Beziehung zwischen PTSD und koronarer Herzerkrankung in der Gesamtpopulation der Metaanalyse betrug unadjustiert 1,55, auf Depressionen adjustiert 1,27. Die Assoziation schien bei Frauen stärker zu sein. Die Autoren der Metanalyse fassen zusammen, PTSD erhöhe das Risiko für koronare Herzerkrankung unabhängig von der Patientengruppe. PTSD sei bei Veteranen und zivilen Traumaopfern häufig und PTSD könnte ein beeinflussbarer Risikofaktor für koronare Herzerkrankung sein.
Fragen an Prof. Hermann-Lingen, Universität Göttingen, wissenschaftlicher Leiter der Fortbildungskurse zur Psychokardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Für wie hoch halten Sie die Evidenz für den Zusammenhang zwischen stressbezogenen Erkrankungen und Herzerkrankungen?
Zahlreiche, zum Teil sehr große Studien belegen, dass sowohl verschiedene Formen von chronischem Stress als auch stressbedingte Erkrankungen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Dies wird auch in der aktuellen europäischen Präventionsleitlinie und in einem Positionspapier der DGK betont. Nicht endgültig aufgeklärt ist dabei die Frage, welche Bedeutung (äußeren) Stressfaktoren und welche der individuellen Stressanfälligkeit zukommt. Vermutlich spielt aber beides für die Risikoerhöhung eine Rolle.
Wie sollten Hausärzte mit dem möglichen Risiko für Herzerkrankungen von Patienten umgehen, die posttraumatische Belastungsstörungen oder andere stressbezogene psychische Erkrankungen haben?
Generell sollten psychische Erkrankungen leitliniengerecht, im Fall der Anpassungs- und Belastungsstörungen vorwiegend psychotherapeutisch, behandelt werden. Da sich bei Patienten mit Traumafolgestörungen zusätzlich gehäuft Adipositas, Hypertonie, Diabetes und metabolisches Syndrom sowie Risikoverhaltensweisen wie Rauchen, Bewegungsmangel und Nonadhärenz finden, sollte hierauf besonderes Augenmerk gerichtet und eine sorgfältige Einstellung dieser Risikofaktoren angestrebt werden. Diese gelingt aber oft nur durch regelmäßige Follow-up-Kontakte und in guter Abstimmung zwischen Hausärzten, Kardiologen und Psychotherapeuten und erfordert gelegentlich auch einen multimodalen Ansatz im stationären Setting.