Paris. Als „neue Ära der medikamentösen Therapie bei Herzinsuffizienz“ loben Kardiologen den SGLT2-Hemmer Dapagliflozin beim ESC-Kongress Anfang September [1, 2, 3]. Denn erste Daten der randomisierten, doppelblinden DAPA-HF-Studie des Herstellers Astra Zeneca zeigten: Verglichen mit Plazebo senkte Dapagliflozin bei Patienten mit Herzinsuffizienz und eingeschränkter Auswurffraktion (HFrEF) sowohl Klinikeinweisungen als auch Todesfälle. Die Effekte seien bei Patienten mit und ohne Diabetes identisch, betonte Studienleiter Prof. John McMurray von der Uni Glasgow in Paris.
Zurückhaltender wertet Prof. Martin Scherer, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM), hingegen die Studie. “Auf den ersten Blick sehen die Ergebnisse vielversprechend aus. Auf Basis der präsentierten Daten lassen sich aber noch keine weitreichenden Implikationen für die Versorgung ableiten”, sagt er auf Nachfrage von “Der Hausarzt”.
Zunächst brauche es weitere, unabhängige Studien, die diese Effekte bestätigten. Zudem müsse die Methodik, Rekrutierungsquellen und mögliche Biases genauer in den Blick genommen werden. Bisher liegen die Ergebnisse nur als Präsentation auf dem ESC [2] vor und noch keine Originalarbeit.
Mortalität sinkt gegenüber Plazebo
Der primäre Endpunkt setzte sich aus Hospitalisierung aufgrund einer verschlechterten Herzinsuffizienz sowie kardiovaskulärer Sterblichkeit zusammen. Nach 18 Monaten war dies bei 21,1 Prozent der Plazebo-Gruppe, aber nur bei 16,3 Prozent unter Dapagliflozin der Fall (HR 0,74; 95% KI 0,65-0,85; p<0,00001). Dies entspreche einer Number needed to treat (NNT) von 21, so McMurray, auch die Symptomatik verbessere sich. An kardiovaskulären Ereignissen starben 9,6 Prozent in der Interventionsgruppe und 11,5 Prozent mit Plazebo (HR 0,82; 95% KI 0,69-0,98; p=0,029). Ebenso lag die Gesamtmortalität deutlich niedriger unter Dapagliflozin (11,6 vs. 13,9 Prozent; HR 0,83; 95% KI 0,71-0,97, p=0,022).
Studie zeigt gute Verträglichkeit
Insgesamt sei die Medikation gut vertragen worden und nur wenige Teilnehmer in beiden Gruppen haben die Therapie beendet. Unerwünschte Wirkungen aufgrund von Depletion des Volumens waren unter Dapagliflozin leicht höher (1,2 vs. 1,7 Prozent) genauso wie eine stark verschlechterte Nierenfunktion (1,6 vs. 2,7 Prozent). Zu schweren Hypoglykämien sowie Amputationen kam es in beiden Gruppen gleich selten.
An DAPA-HF nahmen 4.744 Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und einer Ejektionsfraktion ≤ 40 Prozent teil (ca. 68 Prozent NYHA II, ein Drittel NYHA III, ein Prozent NYHA IV). Das NT-pro BNP war erhöht (≥ 600 pg/ml). Im Schnitt waren sie 66 Jahre alt und 23 Prozent Frauen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Typ-1-Diabetes, symptomatischer Hypotension oder stark eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 30ml/min/1.73m2). Zusätzlich zur Basismedikation erhielten sie randomisiert entweder Dapagliflozin 10 mg einmal täglich oder Plazebo.
Zulassung bisher auf Diabetes begrenzt
94 Prozent der Teilnehmer nahmen bereits einen ARNI (Sacubitril/Valsartan), 96 Prozent einen Betablocker und 71 Prozent einen Mineralkortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) ein. Bei 42 Prozent war ein Diabetes bekannt, bei drei Prozent wurde dies zu Studienbeginn entdeckt (HbA1c ≥ 6,5 Prozent). Von den Nicht-Diabetikern wurden zwei Drittel als Prädiabetiker (HbA1c ≥ 5,7 Prozent) und ein Drittel als „HbA1c normal“ eingestuft (< 5,7 Prozent).
Bisher ist Dapagliflozin nur für die Behandlung von Diabetes zugelassen [4]. Zuletzt erkannte der Gemeinsame Bundesausschuss erneut keinen Zusatznutzen an [5]. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) wies jüngst auf Nebenwirkungen von Dapagliflozin in der Therapie des DIabetes Typ 1 hin [6]. Basis dafür sind die DEPICT-Studien. So treten demnach häufiger Genitalinfektionen und gastrointenstinale Erkrankungen auf, in seltenen Fällen entwickle sich eine Fournier Gangrän. Das Risiko von Ketoazidosen sei in DEPICT zwar nicht signifikant häufiger als unter Plazebo, es sei aber möglich, dass das Risiko unterschätzt werde, wenn man die Studienergebnisse auf die breite Versorgung übertrage.
Nach Informationen von „Der Hausarzt“ will der Hersteller jetzt „schnellstmöglich“ die Zulassung von Dapagliflozin auf Herzinsuffizienz erweitern, Basis dafür sollen die Daten der DAPA-HF-Studie sein. Man hoffe, dass dies „im ersten Halbjahr 2020 von den Zulassungsbehörden genehmigt werde“, sagte eine Sprecherin.
Quelle
- Pressemitteilung der ESC, 1.9.19
- McMurray J. Hot Line Session 1: DAPA HF – The Dapagliflozin And Prevention Of Adverse-outcomes In Heart Failure Trial, ESC-Congress, 1.9.19, https://esc365.escardio.org/Congress/ESC-CONGRESS-2019/Hot-Line-Session-1/204417-dapa-hf-the-dapagliflozin-and-prevention-of-adverse-outcomes-in-heart-failure-trial#slide, zuletzt abgerufen am 2.9.19
- Boehm S. Begeisterung beim ESC-Kongress über DAPA-HF-Studie: „Ein vollkommen neues Konzept in der Therapie der Herzinsuffizienz“, 2.9.19, https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908191#vp_1, zuletzt abgerufen am 2.9.19
- Fachinformation Forxiga, https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/forxiga-epar-product-information_de.pdf, zuletzt abgerufen am 3.9.19
- Dapagliflozin in der Arzneimittel-Richtlinie/Anlage XII, https://www.g-ba.de/downloads/91-1385-338/2019-07-04_Geltende-Fassung_Dapagliflozin_D-045_D-335.pdf, zuletzt abgerufen am 3.9.19
- Stellungnahme der AkdÄ zu Dapagliflozin (neues AWG: Diabetes mellitus Typ 1) (Forxiga) – frühe Nutzenebwertung § 35a SGB V, 9.9.2019