Studien kommentiertWirkung von Ibalizumab bei HIV1-Infektion

Ibalizumab wurde Anfang 2018 von der FDA als „Orphan Drug“ für Patienten mit Multiressistenzen zugelassen. Der humanisierte IgG4-Antikörper bindet nichtkompetetiv an CD4-Zellen und verhindert, dass HI-Viren vom Typ1 mit der Zelle verschmelzen. Die Studie untersucht die Wirkung von Ibalizumab an 40 Patienten mit einer multidrug-resistenten HIV1-Infektion, bei denen mehrere antiretrovirale Therapien wirkungslos waren und die eine HIV1-Viruslast von mehr als 1.000 RNA-Molekülen/ml hatten. Während der Kontrollperiode von Tag 0 bis Tag 6 erhielten die Patienten ihre aktuelle Therapie, an Tag 7 (Baseline) erhielten sie einen intravenösen Bolus von 2.000 mg Ibalizumab und bis Tag 13 weiterhin ihre aktuelle Therapie. An Tag 14 begann die optimierte Hintergrundtherapie, zu der ab Tag 21 alle zwei Wochen 800 mg Ibalizumab verabreicht wurden. Die Studie endete nach Woche 25. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, deren Viruslast an Tag 14 um mindestens 0,5 log10 Kopien/ml gefallen war.

33 der 40 Teilnehmer (83 Prozent) erreichten den primären Endpunkt. In der Intention-to-treat Analyse senkte die Kombination von Ibalizumab mit der optimierten Hintergrundbehandlung bei 43 Prozent der Teilnehmer die Viruslast in Woche 25 auf weniger als 50 Kopien/ml, im gleichen Zeitraum nahm die CD4-Zellzahl um durchschnittlich 62 Zellen/ml zu. Nebenwirkungen traten bei 32 Teilnehmern auf, davon waren 87 Prozent leicht bis mittelschwer, Grad 3 oder 4 Nebenwirkungen traten bei 11 Patienten auf. Die Autoren schließen aus den Daten, dass Ibalizumab in Kombination mit optimierter Hintergrundtherapie antiviral und immunologisch wirkt.

Emu B et al. Phase 3 Study of Ibalizumab for Multidrug-Resistant HIV-1. N Engl J Med. 2018 Aug 16;379(7):645-654. doi: 10.1056/NEJMoa1711460.

Kommentar

von Roland Müller Waldeck

Weil eine Kontrollgruppe fehlt, kann nur eingeschränkt auf die Langzeitwirkung von Ibalizu-mab geschlossen werden. Die optimierte Hintergrundtherapie kann auch bei gleicher Medikation bei verschiedenen Patienten unterschiedlich wirken, eine Placebogruppe verbietet sich aus ethischen Gründen jedoch. Aufgrund der wenigen teilnehmenden Patienten ist die Möglichkeit begrenzt, weniger häufige Nebenwirkungen zu erkennen. Die geringe Teilnehmerzahl, die fehlende Kontrollgruppe und die Komplexität der Studien­population erschweren es, die Kausalität zu beurteilen.

Sheikh V et al. Ibalizumab in multidrug-Resistant HIV – Accepting Uncertainty. N Engl J Med. 2018 Aug 16;379(7):605-607. doi: 10.1056/NEJMp1808729.

Wie beurteilen Sie die schnelle Zulassung von Ibalizumab aus ärztlicher Sicht?

Dr. med. Hans Jäger, Internist, MVZ Karlsplatz München: Ziel der HIV-Therapie ist es, 90 Prozent der betroffenen Patienten zu diagnostizieren, 90 Prozent der Diagnostizierten zu behandeln und bei 90 Prozent der Behandelten die Viruslast unter die Nachweisgrenze zu senken. Mit den Medikamenten der neuen Generation gelingt das in den westlichen Ländern gut.

Eine eher im Promille- als im Prozent-Bereich der Patientenpopulation liegende Gruppe von HIV-Patienten lässt sich wegen Multiresistenzen nicht ausreichend behandeln. Für sie werden „Orphan Drugs“ benötigt, um zusätzlich zur möglichst optimalen Standardtherapie die Viruslast zu senken. Ibalizumab, das in den USA 2018 zugelassen wurde, kann bei dieser kleinen Patientengruppe eine große Hilfe sein. Weitere und längere Studien werden benötigt. Die schnelle Zulassung dieser Substanz war aus ärztlicher Sicht vor dem Hintergrund einer allerdings bei sehr wenigen HIV-Patienten tatsächlich relevanten quod-aliquid-fiat-­Situation zu begrüßen.

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