E-Health als KomplementVideovisite im Knast

Je nach Region läuft die Suche nach Gefängnisärzten mitunter schwierig. Einige Justizvollzugsanstalten setzen daher auf Telemedizin.

Wird die telemedizinische Behandlung von Strafgefangenen bald Standard? Ende vergangenen Jahres ist ein Modellprojekt in Baden-Württemberg geendet, das Bundesland ist Vorreiter bei der Erprobung telemedizinischer Angebote. Ergebnisse gab es bei Redaktionsschluss noch nicht; weitere Bundesländer interessieren sich jedoch bereits für die Technologie der Hamburger A+ Videoclinic GmbH.

Auch Bayern hat mit einer Gesetzesänderung den Weg frei gemacht für Telemedizin in der Versorgung von Strafgefangenen. “Ob ein Einsatz künftig erfolgen soll, prüfen wir derzeit”, sagt Dr. Martin Bauer, Pressesprecher des Bayerischen Justizministeriums.

Schon jetzt setze man “als Antwort auf die zunehmende Zahl von Gefangenen mit unzureichenden Deutschkenntnissen und Verständigungsschwierigkeiten in geeigneten Fällen verstärkt auf Videodolmetscher-Systeme”, bei denen Übersetzer zur Behandlung zugeschaltet werden. “Der Vorteil besteht darin, meist relativ schnell einen Dolmetscher – auch für gegebenenfalls eher seltene Sprachen und Dialekte – verfügbar zu haben.”

Im ländlichen Raum ist es schwieriger, gutes Fachpersonal zu finden

Dass Ärzte telemedizinisch versorgen, ist nicht zuletzt eine Reaktion auf den Hausärztemangel, den auch die Justizvollzugsanstalten (JVA) spüren. In Werl suchte man monatelang einen Nachfolger für den im November ausgeschiedenen Gefängnisarzt Joe Bausch (S. 58).

Wie schwierig die Stellenbesetzung tatsächlich ist, lässt sich pauschal indes kaum sagen. In Bayern zum Beispiel wird laut Bauer “die konkrete Zahl der (un-)besetzten Stellen nicht laufend statistisch erfasst, da die Besetzung der Stellen generell einer steten Entwicklung und einer gewissen, jedoch nicht außergewöhnlich hohen Fluktuation unterliegt”.

In Ballungsgebieten könne es, aufgrund der Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern, mit öffentlichen und privaten Kliniken länger dauern, auf dem Land sei es schwieriger qualifiziertes Fachpersonal zu finden. “Angesichts der guten Aufstiegsmöglichkeiten bis ins Amt eines Leitenden Medizinaldirektors in der Besoldungsstufe A 16 im Beamtenverhältnis sind aber in der Regel Plätze für Allgemeinmediziner mit allenfalls überschaubarer Verzögerung besetzbar”, sagt Bauer.

Ohnehin sind längst nicht in allen JVA festangestellte Hausärzte tätig, in kleineren Anstalten arbeiten die Bundesländer mit Honorarärzten.

Telemedizinische Angebote sind für Zeiten interessant, in denen kein festangestellter Arzt vor Ort ist, also nach Dienstschluss, nachts und am Wochenende. Denn grundsätzlich haben Strafgefangene einen in allen Bundesländern gesetzlich verankerten Anspruch auf Krankenbehandlung. Benötigen sie mithin in den genannten Zeiträumen ärztliche Hilfe, muss der Medizinische Bereitschaftsdienst gerufen, der Strafgefangene unter Bewachung ins Krankenhaus verlegt oder bis zum nächsten Morgen gewartet werden; eine Entscheidung, die das anwesende Personal treffen muss.

Das Angebot telemedizinischer Beratung im Baden-Württemberger Modellprojekt wurde vor diesem Hintergrund auch seitens der Strafgefangenen gut angenommen. Insgesamt haben 250 Beratungen stattgefunden, gibt die A+ Videoclinic an, 15 Strafgefangene wurden ins Krankenhaus verlegt, also gerade einmal sechs Prozent der Behandelten.

Ein Patient lehnte die telemedizinische Behandlung ab. Insgesamt hat das Unternehmen 30 Ärzte, überwiegend Allgemeinmediziner, für das Projekt rekrutiert, die Vergütung erfolgte auf Honorarbasis. Ob das Beispiel Schule macht, wird sich zeigen.

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