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Pro und KontraHPV – Impfen oder nicht?

Seit 2011 steigt zwar die Impfquote unter den Mädchen langsam, nach wie vor nehmen aber nur knapp ein Drittel die Impfung wahr. Um Infektionen mit Humanen Papillomaviren (HPV) und damit Krebserkrankungen besser vorzubeugen, hat die STIKO ihre Empfehlung nun auf Jungen erweitert. Die Daten können aber nicht jeden überzeugen.

Pro: “Impfung schützt verlässlich vor HPV-Infektion”

Die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) ist nach allen vorliegenden wissenschaftlichen Evidenzen als wirksam und sicher anzusehen [1, 2]. Auch das Global Advisory Committee on Vaccine Safety (GACVS) bewertet die Impfstoffe als äußerst sicher [3]. Weltweit wurden seit 2006 weit mehr als 270 Millionen HPV-Impfdosen appliziert.

Entscheidend für die hohe Wirksamkeit ist jedoch, dass die Person bei der Impfung noch nicht mit den HPV-Typen, gegen die der Impfstoff immunisiert, infiziert ist [3]. Daher sollten Kinder vor dem ersten sexuellen Kontakt geimpft werden.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat 2018 die HPV-Impfung für Jungen von neun bis 14 Jahre empfohlen [3]. Bereits 2007 hatte die STIKO sich für eine Impfung von Mädchen ausgesprochen, das Impfalter wurde 2014 auf neun bis 14 Jahre festgelegt [4, 5]. Eine Nachholimpfung sollte bei Mädchen und Jungen bis zum Alter von 17 Jahren erfolgen [3, 5].

Ziel ist es, die Krankheitslast durch HPV-assoziierte Tumoren zu senken [3]. Infektionen mit HPV gehören zu den häufigsten sexuell übertragenen Infektionen weltweit. Kondome schützen nicht zuverlässig gegen HPV [3]. HPV infizieren insbesondere Plattenepithelien und verursachen Zervix-, Vulva-, Vaginal-, Anal-, Penis- und Oropharyngealkarzinome sowie benigne genitale Warzen.

HPV-Infektionen sind jedoch meist transient und zu 90 Prozent nach zwei Jahren nicht mehr nachzuweisen [6]. Eine Krebserkrankung als Folge einer HPV-Infektion entsteht nur selten. Bei der Entwicklung eines Zervix- karzinoms persistiert die HPV-Infektion und führt zu hochgradigen zervikalen Krebs-vorstufen, aus denen nach mehreren Jahren ein invasiver Tumor entstehen kann [6].

Aktuell stuft man zwölf HPV-Typen (HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58 und 59) mit ausreichender Evidenz als krebserregend für das Zervixkarzinom ein [7]. Für die anderen HPV-assoziierten Tumorerkrankungen trifft dies bisher nur auf HPV 16 mit ausreichender Evidenz zu [7].

Seit Mitte 2016 ist ein nonavalenter Impfstoff zugelassen, der gegen die krebserregenden HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 sowie gegen die HPV-Typen 6 und 11 immunisiert, die genitale Warzen verursachen. Es ist davon auszugehen, dass fast 100 Prozent der Zervixkarzinome von HPV verursacht werden (und davon bis zu 90 Prozent von den HPV-Typen, die der nonavalente Impfstoff enthält), während bei Analkarzinomen 90 Prozent, bei Vaginalkarzinomen 80 Prozent, bei Peniskarzinomen 30 Prozent, bei Vulvakarzinomen 18 Prozent und bei Oropharyngealkarzinomen 16 bis 50 Prozent der Tumore HPV-bedingt sind [8].

2013 waren das in Deutschland bei Frauen mehr als 6.200 und bei Männern mehr als 1.350 durch HPV verursachte Tumore [8]. Vermutlich sind diese Zahlen unterschätzt, da bei den Oropharyngealtumoren, aufgrund der unklaren Datenlage, sehr konservativ lediglich mit einem Anteil von 16 Prozent gerechnet wurde. Nach weniger konservativen Schätzungen kann man von bis zu 2.300 HPV-bedingten Tumoren pro Jahr bei Männern in Deutschland ausgehen [3].

Mögliche Interessenkonflikte: Die Autorin erhielt ein Autorenhonorar vom Georg-Thieme Verlag, eine Reisekostenerstattung von der Deutschen Gesellschaft für Urologie und ein Vortragshonorar von der RG Gesellschaft für Information und Organisation.

Kontra: “Effektivität hauptsächlich an Surrogatparametern gemessen”

Den Weg durch die Institutionen, den Geld und Einfluss der HPV-Impfung geebnet haben, habe ich bereits an anderer Stelle nachgezeichnet [9]. Er wird aus der medizinischen Diskussion jedoch weitgehend ausgeblendet.

Auch die Tatsache, dass die Impfeffektivität hauptsächlich an – teilweise umstrittenen [10] – Surrogatparametern gemessen wurde, bei der heutigen Zielgruppe sogar nur mit Antikörpertitern [11], sollte breits bekannt sein. Wird aber achselzuckend hingenommen.

Die Impfung kam 2007 zu einer Zeit, in der sich die Neuerkrankungsrate des Gebärmutterhalskrebses, besonders aufgrund der Früherkennungsuntersuchung, bereits im Sinkflug befand. Zwischen 1980 und 2006 hat sich diese Rate halbiert, in den letzten zehn Jahren verläuft sie stabil [12, 13]. Es ist naiv anzunehmen, dass man bei einer aktuellen Impfquote von gut 30 Prozent [14], den derzeit 4.300 Frauen pro Jahr die Diagnose erspart.

Herdenimmunität auf der einen Seite, unklare Dauer des Impfschutzes, Veränderungen an der Früherkennung [15] und längst nicht hundertprozentige und zwischen den Geschlechtern stark variierende Effektivität [16] auf der anderen Seite, lassen zwar einen messbaren Rückgang erwarten, aber dieser wird diese Krebsart bei Weitem nicht ausrotten.

Kritisch zu sehen ist auch der anscheinend notwendig frühe Impfzeitraum: Als “optimal” wurde ausgerechnet das Alter ausgewählt, in dem Kinder anfangen (sollen), Eigenverantwortung zu übernehmen. So wird das Aufklärungsthema in die Familien rein gedrängt und beginnende Sexualität medikalisiert. Es entsteht dadurch früh der Eindruck, dass ohne Eingriff der Medizin, Intimität zunehmend unverantwortlich wird [17].

Es wurden Tatsachen geschaffen [9] und durch Indikationserweiterung und Analogschlüsse das Thema mittlerweile so komplexiert, dass ein Urteil ohne dutzende Einschubsätze nicht mehr möglich scheint, und man in Diskussionen schnell abwinken mag: “Macht doch was ihr wollt, wird schon richtig sein.”

Gegen vier Krebsarten ist die Impfung bereits zugelassen, Oropharynx- und Peniskarzinomschutz werden postuliert (ohne dass eine klinische Studie dazu erfolgt ist) [14]. Genitalwarzen und Kondylome werden der Vergangenheit angehören.

Die Erweiterung der Impfempfehlung [18] kommt just kurz nachdem Gardasil9® auf dem Markt etabliert wurde, die grundlegenden Daten für die Impfabwägung aber noch auf den Daten der älteren Impfstoffe basieren [16]. Dass sich die “nächste Generation” eines Medikaments nicht ausschließlich durch Verbesserungen auszeichnet, musste man in der Vergangenheit schon mehrfach schmerzlich erfahren. Aber warum daraus lernen?

Die Impfung wird aufmerksam evaluiert werden: Etwa soll ein HPV-Typen-Shift oder ein nachlassender Impfschutz mit den Jahren beobachtet werden [16]. Ein echtes Überdenken einer einmal eingeführten Impfung ist aber ohnehin nicht anzunehmen [19]. Eher wird die Auffrischimpfung – bei bereits bekanntem Absinken des Impftiters – nach einigen Jahren bei so einer Gelegenheit bestimmt noch implementiert.

Möglicher Interessenkonflikt: Verdient mit Impfungen einen Teil seines Unterhalts.

Literatur

  1. Deleré Y, Wichmann O, Klug SJ, van der Sande M, Terhardt M, Zepp F, et al. The efficacy and duration of vaccine protection against human papillomavirus: a systematic review and meta-analysis. Dtsch Arztebl Int. 2014;111(35-36):584-91
  2. Harder T, Wichmann O, Klug SJ, van der Sande MAB, Wiese-Posselt M. Efficacy, effectiveness and safety of vaccination against human papillomavirus in males: a systematic review. BMC Medicine. 2018;16:110
  3. AG HPV der Ständigen Impfkommission (STIKO). Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung der HPV-Impfung für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Epidemiologisches Bulletin. 2018;26:233-50
  4. Robert Koch-Institut. Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut: Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen von 12 bis 17 Jahren – Empfehlung und Begründung. Epidemiologisches Bulletin. 2007;12:97-103
  5. Robert Koch-Institut. Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI: Wissenschaftliche Begründung für die Änderung der Empfehlung zur Impfung gegen humane Papillomviren. Epidemiologisches Bulletin. 2014;35:343-7
  6. Schiffman M, Castle PE, Jeronimo J, Rodriguez AC, Wacholder S. Human papillomavirus and cervical cancer. Lancet. 2007;370(9590):890-907
  7. WHO-IARC. IARC Monographs: List of classifications by cancer site 2017, http://monographs.iarc.fr/wp-content/uploads/2018/07/Table4.pdf, abgerufen am 14.1.19
  8. Buttmann-Schweiger N, Deleré Y, Klug SJ, Kraywinkel K. Cancer incidence in Germany attributable to human papillomavirus in 2013. BMC Cancer 2017;17(1):682
  9. Lodders S. HPV – Die Karriere einer Impfung. Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 29 (2018) 11, S. 34
  10.  Sinn HP et al. Zervixkarzinom und seine Vorstufen. Onkologe 22 (2016), S. 737-746. DOI: 10.1007/s00761-016-0094-5
  11. https://www.ema.europa.eu/documents/overview/gardasil-9-epar-summary-public_de.pdf, abgerufen am 1.1.19
  12. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. Version 1.0, September 2014, AWMF-Registernummer 032/033OL
  13. Robert Koch Institut. Krebs in Deutschland (2010), 7. Ausgabe. http://www.gbe-bund.de/pdf/Gebaermutterhals_C53_2010.pdf; abgerufen 17.12.18
  14. Robert Koch Institut. Epidemiologisches Bulletin 1/2018 vom 4.1.18,  https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/01_18.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 10.1.19
  15. Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses, https://www.g-ba.de/institution/presse/pressemitteilungen/742/, abgerufen am 10.1.19
  16. Robert Koch Institut. Epidemiologisches Bulletin 26/2018 vom 28.6.18, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/26_18.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 10.1.19
  17. Storost U. Wie der Körper zum Kultobjekt wurde. https://www.deutschlandfunk.de/menschliche-optimierung-wie-der-koerper-zum-kultobjekt-wurde.1148.de.html?dram:article_id=435861, abgerufen am 11.1.19
  18. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Änderung der Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL): Umsetzung der STIKO-Empfehlung der HPV-Impfung für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren vom 20.9.18
  19. Kutter S. Die größten Mythen über das Impfen. https://www.handelsblatt.com/technik/das-technologie-update/healthcare/vorsorge-pharmakonzerne-werden-mit-impfstoffen-reich/8611056-5.html, abgerufen am 10.1.19
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