Berlin. Die Forderungen des GKV-Spitzenverbands nach Praxisöffnungszeiten auch an Wochenenden stoßen auf harsche Kritik: Sowohl der Deutsche Hausärzteverband sowie Vertreter der Hausärzte in einzelnen Ländern als auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und andere Ärztevertreter haben die Vorwürfe der Kassenvertreter, der Patientenandrang in den Notaufnahmen sei durch einen Mangel an Hausarzt-Sprechzeiten bedingt, als haltlos zurückgewiesen.
„Fragwürdige Zahlenspiele oder Ratschläge des GKV-Spitzenverbandes in Richtung der Hausärztinnen und Hausärzte, wie wir unsere Praxisöffnungszeiten zu gestalten haben, tragen sicherlich nicht dazu bei, die Problematik der langen Wartezeiten in den Facharztpraxen zu reduzieren“, erklärte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, am Mittwoch (20. Dezember). Das löse ebenso wenig Probleme wie ein Zwang zum Angebot weiterer Sprechstunden und gehe an der hausärztlichen Versorgungsrealität vorbei.
Auslöser der Debatte ist die jüngste Forderung des GKV-Spitzenverbands, Patienten in Deutschland sollten am frühen Abend und samstags mehr geöffnete Arztpraxen vorfinden. „Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte“, sagte der Vize-Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands, Dr. Johann-Magnus von Stackelberg. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssten für patientenfreundlichere Sprechzeiten sorgen. Die KBV wies die Aufforderung als „dreist und frech“ zurück.
KBV-Daten: Mehr als 52 Stunden Arbeitszeit pro Woche
Dass Hausärzte „mehr oder weniger versteckt als arbeitsfaul“ dargestellt würden, werde der Verband nicht stehen lassen, betonte Weigeldt. „Denn schon heute bieten die meisten Hausärztinnen und Hausärzte deutlich mehr Sprechstunden und zeitliche Puffer an, um Akutpatienten behandeln zu können – und das auch am frühen Abend oder samstags.“
In der Tat arbeiten Hausärzte nach einer Untersuchung der KBV im Schnitt mehr als 52 Stunden pro Woche. Viele seien bereits an ihrer Belastungsgrenze, erinnerte Markus Beier, Vorsitzender des Bayrischen Hausärzteverbands, in der Debatte. „Uns mangelnde Leistungsbereitschaft zu unterstellen, ist absurd und ein Schlag ins Gesicht für alle Hausärztinnen und Hausärzte“, kritisiert er vor diesem Hintergrund. Es sei auch ein fatales Signal für den Nachwuchs. „Solche Polemik schreckt ab, sich als freiberuflicher Arzt niederzulassen.“ Die Hausärzte seien rund um die Uhr für ihre Patienten da – „im Gegensatz zu den Krankenkassen, die ihre Geschäftsstellen pünktlich schließen“. Allein in Bayern gebe es 110 Bereitschaftspraxen, die auch an den Wochenenden und Feiertagen geöffnet seien.
Die Kassen halten den Zahlen der KBV eine aktuelle neue Umfrage entgegen. Dieser zufolge haben mittwochs zwischen 14.00 und 17.00 Uhr 20 Prozent der Praxen Sprechstunden, freitags unter 20 Prozent. Befragt wurden den Angaben zufolge 1.400 niedergelassene Hausärzte, Kinderärzte sowie Augenärzte, Orthopäden, Gynäkologen und HNO-Ärzte vom Institut Forsa. Sprechstunden nach 18.00 Uhr bieten demnach montags, dienstags und donnerstags mehr als die Hälfte der Praxen an – nach 19.00 Uhr sind es dann weniger (Montag 9 Prozent, Dienstag 10 Prozent, Donnerstag 12 Prozent). Dem guten Vorbild, dass rund jede zehnte Praxis zumindest von 19.00 bis 20.00 Uhr Sprechstunden anbiete, sollten viele Ärzte folgen, sagte von Stackelberg. Samstags bieten laut der Umfrage ein bis zwei Prozent der Praxen zwischen 8.00 und 13.00 Sprechstunden an.
Vorwurf der “Fake News”
Sowohl Beier als auch die KBV setzt diese Zahlen in den Kontext von „Fake News“. Die Aussagen des GKV-Spitzenverbands seien ein Schlag ins Gesicht der niedergelassenen Ärzte, betonte auch Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV. Sie „zeugen von der Ferne von Krankenkassenfunktionären zur Versorgung von Patienten“. Ärzte leisteten bereits heute deutlich mehr als die gesetzlich vereinbarten 20 Sprechstunden pro Woche.
Zuletzt hatte diese Zahl eine scharfe Debatte angestoßen, als mit Vorlegen des Entwurfs für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) klar wurde, dass die Vorgabe auf 25 Stunden pro Woche erhöht werden soll. Der Deutsche Hausärzteverband und andere Ärztevertreter hatten dieses „Hineinregieren in die Praxisorganisation“ bereits deutlich zurückgewiesen.
Der Vorsitzende des Hartmannbunds, Dr. Klaus Reinhardt, rief Stackelberg in der aktuellen Debatte dazu auf, darüber nachzudenken, ob Krankenkassen wiederholtes Fehlverhalten von Krankenversicherten sanktionieren könnten. Wenn Patienten in großem Umfang im akuten Notfall in die Kliniken gingen, liege das unter anderem daran, dass sie nicht genug über Ärzte im Bereitschaftsdienst wüssten. Die Kassen müssten ihre Versicherten besser informieren. Darüber könne Stackelberg auch gerne am Wochenende nachdenken.