Berlin. Hausärzte sollten Medikamente an ihre Patienten abgeben dürfen. Dieses sogenannte Dispensierrecht sei neben den Apothekern auch für Hausärzte sinnvoll, meint der Deutsche Hausärzteverband. “So könnten die Ressourcen besser genutzt werden, gerade auf dem Land. Das wäre eine Erleichterung für die Patienten”, sagt Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt und fordert, das Arzneimittelrecht anzupassen. Bereits Mitte Oktober hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt, dass er sich im kommenden halben Jahr um die Gesetzgebung zu Arzneimitteln kümmern will. Der Vorstoß der Hausärzte kommt also gerade zur rechten Zeit.
Bisher ist das Dispensierrecht Apothekern vorbehalten. Ärzte dürfen lediglich Medikamente für den Sprechstundenbedarf vorhalten, die sie an Patienten kostenfrei zur Sofortmedikation abgeben können. Praktischer wäre es, wenn Hausärzte Arzneimittel für mehrere Tage mitgeben könnten, meint Weigeldt, etwa im Falle von Antibiotika. “Es kann unter Umständen sogar gefährlich sein, ein Antibiotikum nur einmalig in der Praxis abzugeben”, ergänzt er.
Offen zeigt er sich, für welche Medikamente er sich eine Abgabe in der Praxis vorstellen kann. Hier wolle man sich eng mit den Apothekern abstimmen, es gehe nicht darum, ein Komplettsortiment vorzuhalten, sondern vielmehr um eine flexible Regelung. “Wir können und wollen die Apotheken nicht ersetzen”, betont Weigeldt, er strebe einen Dialog an. Die Hausärzte wollten auch in Zukunft ein “vernünftiges Miteinander” mit den Apothekern.
Apotheker geben Kontra
Die Apotheker reagieren wenig begeistert auf die Forderung. Die Diskussion ums Dispensierrecht helfe Patienten nicht, die Versorgung auch auf dem Land, müsse gemeinsam gesichert werden, sagt Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Die ärztliche Tätigkeit sei aus gutem Grund von der Abgabe der Arzneimittel getrennt. “Sie schützt den Arzt davor, in seiner Therapieentscheidung durch wirtschaftliche Erwägungen kompromittiert zu werden. Und Apotheker haben durch ihre spezialisierte Ausbildung in Sachen Arzneimittel in der Regel einen klaren Kompetenzvorsprung vor Ärzten”, ergänzt er.
Das Verhältnis von Ärzten und Apothekern wird seit Mitte Oktober wieder stärker diskutiert. Beim Deutschen Apothekertag hatte Gesundheitsminister Spahn das Thema aufs Tapet gebracht: Er könne sich vorstellen, dass Patienten auch in Apotheken geimpft werden, schlug er vor. Bereits auf diese Idee reagierten die Apotheker verhalten. Denn für sie wäre eine Lösung in der Debatte um das Versandhandelsverbot wichtiger.
Zwar könnten neue Leistungen Apotheker dafür entschädigen, wenn sie aufgrund von Rezeptboni bei ausländischen Apotheken weiter Honorareinbußen schlucken müssten. Glaubt man Apothekermedien fürchteten sie aber schon zu diesem Zeitpunkt, dass die alte Diskussion um das Dispensierrecht wieder aufflammen könnte. Hausärzte-Chef Weigeldt betont aber, seine Forderung hänge nicht mit Spahns Vorstoß zusammen. “Viele Apotheker wollen das auch gar nicht und sehen das, wie wir auch, kritisch”, sagt er.
Laumann warnt vor Konkurrenzdenken
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) stellte sich in einer ersten Reaktion unterdessen auf die Seite der Apotheker. “Die arzneimittelrechtlichen Regelungen zur Abgabe von Medikamenten haben sich seit Jahrzehnten auch in Notsituationen bewährt”, sagte er nach einer am Sonntag (21. Oktober) veröffentlichten Mitteilung. Das gelte insbesondere auch für die Präsenzapotheke.
Laumann warnte vor einer Konkurrenz zwischen Ärzte und Apotheken: “Wir brauchen die Apotheke vor Ort, genauso wie wir den Hausarzt vor Ort benötigen”, sagte er. Beide Professionen sollten nicht gegen-, sondern miteinander arbeiten. “Für mich steht aber fest: Arzneimittel sind Waren besonderer Art und gehören in die Hand des Apothekers!”