Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer als Hausärztin oder Hausarzt einen Blick ins europäische Ausland wirft, merkt schnell, dass das deutsche Gesundheitssystem in vielen Bereichen großen Nachholbedarf hat. Das hat sich auf dem 2. Internationalen Hausärztetag, der im September in Bonn stattgefunden hat, wieder einmal bestätigt (S. 22). Das gilt beispielsweise für den Bereich Digitalisierung, der auch bei uns endlich so ausgestaltet werden muss, dass die Praxen entlastet, statt belastet werden. Andere Länder sind da deutlich weiter.
Andererseits gibt es aber auch Errungenschaften, um die uns die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern beneiden. Eine davon ist unsere fünfjährige Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Damit wird ein hoher Qualitätsstandard sichergestellt und gewährleistet, dass alle Allgemeinmediziner dieselbe, hochwertige Weiterbildung durchlaufen haben. Das ist auch für das Renommee und die Wahrnehmung der allgemeinmedizinischen Kompetenz in der Öffentlichkeit von großer Bedeutung. Dafür haben wir als Verband lange gekämpft.
Umso ärgerlicher ist es, wenn jetzt versucht wird, diese hohen Qualitätsstandards durch die Hintertür zu verwässern. In Nordrhein-Westfalen haben Krankenkassen, Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen, gemeinsam mit dem Landesministerium für Gesundheit, ein Konsenspapier beschlossen, wonach Krankenhausinternisten zukünftig schon nach lediglich einem Jahr Weiterbildung zusätzlich den Facharzt für Allgemeinmedizin erwerben können (S. 22).
Um das ganz klar zu stellen: Die Kompetenzen der hausärztlich tätigen Internisten, die jeden Tag in ihren Praxen Patienten versorgen und damit ganz wesentlich dazu beitragen, dass die hausärztliche Versorgung gewährleistet werden kann, sind unbestritten. Wir brauchen die Kolleginnen und Kollegen in der Versorgung und in unserem Verband.
Vollkommen unabhängig davon können wir es aber nicht akzeptieren, wenn der Facharzt für Allgemeinmedizin in einem Schnellverfahren vergeben wird. Genauso wenig wäre es natürlich zu akzeptieren, wenn Allgemeinärzte nach nur einem Jahr Weiterbildung als Internist oder Chirurg arbeiten könnten.
Die Landesärztekammern setzen sich damit über die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages hinweg. Unsere Fächer sind alle gleichermaßen komplex und anspruchsvoll. Daher darf es hier keine Verwässerung der Qualitätsstandards geben. Dies hat auch die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverband in ihrem Beschluss klar festgelegt (S. 25).
Für den Quereinstieg aus anderen Fächern gibt es bereits ein Curriculum, dessen Kern eine zweijährige Praxisphase ist. Wer glaubt, diesen Qualitätsstandard senken zu können, ist auf dem Holzweg!
Mit kollegialen Grüßen
Ulrich Weigeldt
Bundesvorsitzender Deutscher Hausärzteverband e.V.