Seit Kurzem klagt Herr O. über Kurzatmigkeit bei Belastung und schlechten Schlaf (s. Kasuistik). Die Behandlung erfordert auch besonders intensive Beratungen, da Herr O. seinen Lebensstil am besten erheblich ändern sollte. Die GOÄ bietet Hausärzten hierfür zwei Ziffern – die aber beide ihre Tücken haben.
Anamnese: Herr O., 64 Jahre, hat mehr als sechs Jahre keinen Arzt aufgesucht. Nach einem Umzug fühlt er sich deutlich beeinträchtigt, er wird bei Belastung kurzatmig, schläft schlecht, hat zugenommen und häufig Kopfschmerzen. Daraufhin Vorstellung beim neuen Hausarzt. Herr O. ist leitender Angestellter, treibt keinen Sport und arbeitet rund 60 Stunden pro Woche. Er raucht etwa 30 Zigaretten pro Tag, trinkt regelmäßig zwei Flaschen Bier nach Feierabend. Keine Dauermedikation, gelegentlich ASS wegen Kopfschmerzen.
Befund: 64-jähriger Mann in reduziertem AZ und adipösem EZ, BMI 33,4 kg/m2 KOF. Bauchumfang 115 cm (normal 102 cm). Herz und Lunge klinisch oB, Blutdruck 180/105 mmHG, HF 84/min. Periphere Pulse abgeschwächt tastbar. Abdomen weich und eindrückbar, Leber und Milz nicht tastbar vergrößert. Nierenlager frei.
Ruhe-EKG oB. In der Ergometrie Blutdruckanstieg auf maximal 240 mm HG bei 100 Watt. RR-Langzeitmessung: mittlerer Druck 162/101 mm HG. Spirometrie: leichte obstruktive Ventilationsstörung. Doppler-Sonografie: normale Druckwerte.
Labor: Keine Infektzeichen, Cholesterin 275 mg/dl, HDL 35 mg/dl, LDL 177 mg/dl, Trig. 380 mg/dl, BZ nüchtern 125 mg/dl, HbA1c 5,9 Prozent, Harnsäure 8,6 mg/dl. Leberwerte (GOT, GPT, Gamma-GT) mäßig erhöht. TSH im Normbereich.
Diagnose und Therapie: Der Hausarzt stellt bei Herrn O. ein metabolisches Syndrom fest. Dopplersonografisch kein Hinweis auf eine pAVK, klinisch kein Hinweis auf Carotisstenosen. Er leitet eine antihypertensive Therapie mit AT1-Blocker und Diuretikum ein und bespricht eingehend mit dem Patienten eine dringliche Lebensstiländerung, möglichst mit Reduktion der Wochenarbeitszeit und einer mehr oder weniger regelmäßigen Bewegung. Im weiteren Behandlungsverlauf rät der Hausarzt weniger Alkohol zu trinken und mit dem Rauchen aufzuhören. Beide vereinbaren eine Kontrolluntersuchung in drei Monaten.
EBM
Beim Ersttermin rechnet der Hausarzt die Versichertenpauschale (GOP 03000) und ein erstes Gespräch (GOP 03230) ab. Im Verlauf kommen Ergometrie (GOP 03321), Langzeitblutdruckmessung (03324) und Spirometrie (GOP 03330) hinzu. Bei weiteren Kontakten in den ersten zwei Wochen führt er mit Herrn O. mehrere intensive Beratungen, für die er jeweils die GOP 03230 abrechnet.
Die Doppleruntersuchung kann er als individuelle Gesundheitsleistung in Rechnung stellen, nachdem er Herrn O. aufgeklärt hat, dass er diese Leistung bei einem Angiologen auch zu Lasten der GKV bekommen kann.
GOÄ
Der erste Kontakt wird laut GOÄ mit den Nrn. 3 für eine eingehende Beratung und Nr. 8 abgerechnet. Beim nächsten Termin erfolgt die Diagnostik mit Laboruntersuchungen (Nr. 250 und Laborziffern), eine Ergometrie (Nr. 652), eine Langzeitblutdruckmessung (Nr. 654) und eine Spirometrie (Nrn. 605, 605a). Auch die Doppler-Druckmessung kann der Hausarzt ohne Genehmigung mit der Nr. 643 abrechnen.
Nach Vorliegen der Ergebnisse kommt es zu einer neuen Beratung mit symptomorientierter Untersuchung (Nr. 5) sowie einer Erörterung zu dem neu diagnostizierten Krankheitsbild (Nr. 34).
HZV
Für die HZV-Abrechnung ziehen wir exemplarisch die Region der KV Thüringen heran. Bei der TK können Hausärzte die Quartalspauschale P2, “Chronikerpauschale” P3 sowie ggf. den VERAH®-Zuschlag Z3 abrechnen. Bei den BKKen und der IKK classic kann die Pauschale P1 beim Erstkontakt im Jahr abgerechnet werden, zusätzlich die Pauschalen P3 und Z3 sowie die Ergometrie als Einzelleistung (26 Euro).
Schwerpunkt: Eingehende Beratungen in der GOÄ
Die GOÄ sieht für die eingehende Beratung die Nr. 3 vor (150 Punkte). Diese bedarf einer Mindestzeit von zehn Minuten und muss ab der zweiten Abrechnung im Behandlungsfall kurz begründet werden. Bei längeren Gesprächen empfiehlt es sich, den Faktor zu steigern.
Erschwerend und die Abrechnungshäufigkeit der Nr. 3 bremsend ist sicher die GOÄ-Vorgabe, dass sie nur neben den Untersuchungsleistungen nach Nr. 5, 6, 7, 8, 800 und 801 abrechenbar ist. In der Regel gilt dies aber auch für die Nrn. 70 und 75, folgt man dem GOÄ-Kommentar von Brück (Dt. Ärzte-Verlag).
Eine weitere Möglichkeit, um aufwändige Gespräche abzurechnen, ist die Nr. 34 – Erörterung über die Auswirkungen einer Krankheit (300 Punkte). Sie erfordert eine Mindestzeit von 20 Minuten und ist maximal zweimal innerhalb von sechs Monaten abrechenbar, auch mit Begründung nicht häufiger.
Ansetzen kann man die Nr. 34 bei der Erstfeststellung, aber auch bei einer erheblichen Verschlimmerung einer Erkrankung. Diese muss aber entweder nachhaltig lebensverändernd oder lebensbedrohlich sein.
Bei Letzteren kommen zwar überwiegend Tumorerkrankungen infrage, aber auch andere Krankheitsbilder sind denkbar wie eine ALS-Diagnose. Auch eine angedachte oder geplante Änderung des Arbeitsplatzes bei erstmalig festgestellter Allergie ist eine Indikation für die Nr. 34, ebenso wie die starke Schwerhörigkeit eines Sängers oder Schauspielers. Dies sind Situationen, die bei alleiniger Übermittlung der Diagnose nicht unbedingt die Änderung der Lebensverhältnisse erkennen lassen.
Bei der Verschlimmerung einer Krankheit sollte man aber zumindest immer dann an die Nr. 34 denken, wenn es zu einer deutlichen Änderung der Medikation kommt.
Literatur
- https://hausarzt.link/f8zTh (EBM)
- https://hausarzt.link/eNZRR (GOÄ)
- https://hausarzt.link/01BC2 (HZV)