Wenn Ulrich Weigeldt über den Medikationsplan spricht, denkt er an ein Bild: Der Plan sei das “Phantom der Oper”, meint der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands. Dass im Kampf gegen die Polypharmazie bislang auf ein Stück Papier gesetzt wird, ist für ihn inakzeptabel. “Wir können doch solch ein Strukturdefizit nicht über ein Stück Papier lösen.”
Seit genau zwei Jahren – Stichtag 1. Oktober 2016 – haben Versicherte, die gleichzeitig mindestens drei verordnete Arzneimittel anwenden, Anspruch auf einen Medikationsplan in Papierform, seit April 2017 ist die Vorgabe zwingend. Für 2018 und 2019 ist laut E-Health-Gesetz die Digitalisierung vorgesehen – dann soll der Medikationsplan auf der elektronischen Gesundheitskarte abgespeichert werden.
Doch eine wichtige Voraussetzung, die Anbindung der Arztpraxen an die Telematikinfrastruktur (TI), läuft nur schleppend – insbesondere weil der Markt der zugelassenen Komponenten noch immer klein ist (“Der Hausarzt” 15). Auch für die Kliniken, die im Rahmen des Entlassmanagements einen Medikationsplan erstellen müssen, ist im September gerade einmal die Finanzierungsvereinbarung für die TI-Anbindung unterzeichnet worden.
Nur wenige nutzen den Anspruch
Dass das “Phantom” Medikationsplan in der Praxis noch nicht angekommen ist, darauf deuten auch erste Zahlen hin. Laut GKV-Spitzenverband haben rund 20 Millionen Versicherte Anspruch auf einen Medikationsplan nach Paragraf 31a SGB V.
Wie viele konkret davon Gebrauch machen, ist nicht eindeutig zu sagen, wie das Bundesgesundheitsministerium jüngst auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion erklärte: Denn die Vergütung erfolgt einerseits als Einzelleistung, andererseits pauschal über Zuschläge zu Grundpauschalen und Einzelleistungen.
In Zahlen belegbar ist laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) nur die Abrechnung als Einzelleistung: Demnach haben im vierten Quartal 2016 65.000 Patienten und im ersten Halbjahr 2017 74.500 Patienten vom Medikationsplan Gebrauch gemacht – ein Bruchteil also der Anspruchsberechtigten.
Auch, wie oft Pläne von Apothekern aktualisiert würden, lasse sich nicht eindeutig sagen, heißt es beim Ministerium. Der Apotheker darf ohnehin nur auf Wunsch des Patienten OTC-Präparate ergänzen. Für den Hausärzteverband war es eine wichtige Forderung, dass der zentrale Ansprechpartner bei der Erstellung des Plans der Hausarzt sein muss.
Verständlichkeit ist essenziell
Ergebnisse erster Modellprojekte zeigen unterdessen, worauf es bei der Erstellung ankommt: Verständlichkeit für den Patienten. Am Uniklinikum Heidelberg etwa hatte man 90 Patienten versuchshalber einen Plan mit sechs Arzneimitteln vorgelegt. Das ernüchternde Ergebnis: Nur 43 Prozent verstanden, was darin stand.
“Einfach einen Plan bei den Patienten abzuliefern, reicht nicht”, bilanzierte Dr. Hanna Seidling, klinische Pharmazeutin am Klinikum. In Rheinland-Pfalz hingegen, wo bereits im März 2015 ein erstes flächendeckendes Pilotprojekt gestartet ist, zeigte sich bei einer Auswertung nach den ersten 2.200 Plänen, dass 90 Prozent der Patienten diesen verständlich und hilfreich fanden.