Einerseits werden angehende und erfahrene Hausärzte mit Fördermitteln motiviert, um den steigenden Hausärztebedarf zu decken. Andererseits werden sie teilweise mit erheblichen Regressen bedroht.
So bekamen in Nordrhein Hausärzte zum Jahreswechsel Zahlungsforderungen wegen angeblich fehlerhafter Sprechstundenbedarfsanforderungen. In Niedersachsen haben die Kassen wiederholt versucht, Rückforderungen bei den Chronikerpauschalen durchzudrücken.
Besonders in den Fokus geraten ist zuletzt die KV Hessen wegen Regressforderungen an Hausärzte, ausgerechnet bei hausärztlichen Kernleistungen wie den Hausbesuchen oder der sprechenden Medizin. Im jüngsten Fall muss eine Gemeinschaftspraxis im hausärztlich unterbesetzten Gilserberg Honorarkürzungen bei Hausbesuchen im fünfstelligen Eurobereich zurückzahlen.
Kommentar
Es drängt sich die Frage auf, warum es ausgerechnet die Hausärzte in ländlichen Regionen und bei hausarzttypischen Leistungen wie Hausbesuchen oder auch Gesprächsleistungen trifft, wo doch der Hausarztberuf attraktiver werden soll?
Die KV Hessen verweist auf die gesetzlichen Vorgaben im SGB V und die unabhängige Prüfstelle, die solche Regresse verhängt und deshalb von der KV nicht beeinflusst werden kann. Außerdem seien im Prüfzeitraum von rund 12.500 Arztpraxen nur 2.015 Praxen statistisch auffällig geworden, wovon nur 220 einen Regress erhielten.
Das stimmt alles, lenkt aber leider vom Problem ab, das in Hessen mehr als in anderen Kassenärztlichen Vereinigungen existiert. Natürlich gibt der Gesetzgeber Wirtschaftlichkeitsprüfungen vor und – weil er der vertragsärztlichen Selbstverwaltung nicht traut – lässt er sie durch ein unabhängiges Prüfgremium umsetzen.
Der Gesetzgeber räumt hier der Selbstverwaltung aber einen breiten Spielraum ein. Wer und wie die Wirtschaftlichkeit der Verordnungs- und Behandlungsweise prüft, bestimmen die regional unterschiedlichen Prüfvereinbarungen, die Kassenärztliche Vereinigung und Kassen festlegen. Und hier gibt es eine hessische Besonderheit:
Wer beim Honorar in den Gesamtleistungen 40 Prozent, bei einer Leistungsgruppe 60 Prozent und bei einzelnen Leistungen 100 Prozent über dem Fachgruppenschnitt liegt, kommt in die Prüfung und muss mit Praxisbesonderheiten diese Abweichungen belegen.
Das ist in der Regel nicht möglich, weil sich die Statistik eben auf jenen Fachgruppenschnitt bezieht. Dieser ist gerade bei Hausärzten "unbrauchbar": Wer auf dem Land arbeitet, muss in der Regel deutlich mehr Hausbesuche machen als in der Stadt. Die Statistik wirft aber alle Hausärzte (in Hessen) in einen Topf.
Es entsteht ein Verdünnungseffekt, der durch die Betrachtungsweise "Anzahl GOP je 100 BHF" (also die Zahl der Gebührenordnungspositionen bezogen auf 100 Behandlungsfälle) verstärkt wird. Hier sind wiederum eher die Hausärzte in der Stadt benachteiligt, die geringere Fallzahlen haben und so statistisch auffallen, obwohl sie sich bei den absoluten Abrechnungszahlen im Vergleich zur Fachgruppe nicht "unwirtschaftlich" verhalten.
Junge Hausärzte aus 16 hessischen Landarztpraxen haben kürzlich in einer Resolution an die KV Hessen gefordert, die Regresse abzuschaffen. Damit werden sie wahrscheinlich keinen Erfolg haben, weil die KV Hessen sich erneut auf den Gesetzgeber berufen wird. Abhilfe wäre mit etwas gutem Willen von KV und Kassen aber durchaus möglich.
Sie müssten sich dazu mit der Prüfvereinbarung befassen und die Auswahlkriterien bei Hausärzten, etwa durch verfeinerte Prüfgruppen, anpassen. Die Regresse würden dadurch zwar nicht abgeschafft, aber auf ein Minimum reduziert – in etwa so selten wie im hochspezialisierten fachärztlichen Bereich.