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Zu guter LetztGriechenlands krankes Gesundheitssystem

Die griechische Finanzkrise hat auch im Gesundheitswesen verheerende Spuren hinterlassen: Die Sozialabgaben für Niedergelassene sind extrem gestiegen, in den Kliniken fehlt Material. 6.000 Arztstellen sind unbesetzt – auch, weil immer mehr Mediziner das Land verlassen.

Nach dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2010 ging es schnell bergab: Die Arbeitsbedingungen für Ärzte verschlechterten sich drastisch, erinnert sich Dr. Michael Kalavritinos. "Klinikärzte sollten unter sehr schwierigen Bedingungen – Mangel an Hilfspersonal, Materialien, Lohnkürzungen – ihre Arbeit leisten. Und Niedergelassene hatten bald mit einer Reduktion von Patienten und einer Steigerung der Abgaben zu kämpfen." Kalavritinos kennt die Situation in seinem Heimatland gut: Er engagiert sich dort ehrenamtlich für Ärzte der Welt, ist selber jedoch schon seit Jahren in der Schweiz tätig.

Damit ist Kalavritinos stellvertretend für eine neue Generation griechischer Mediziner, die – teils nach langer Arbeitslosigkeit – ihre Heimat verlassen. Denn die schwere Finanzkrise und die damit verbundenen Sparmaßnahmen in Griechenland haben auch das Gesundheitssystem schwer getroffen. Im Großraum Athen seien 28 Prozent der Ärzte arbeitslos oder werden nur teils beschäftigt, teilte der Präsident des Ärzteverbands der griechischen Hauptstadt, Giorgos Patoulis, jüngst mit. Die Arbeitslosigkeit in Griechenland beträgt zurzeit 21,1 Prozent und ist damit die höchste in der EU.

Aus diesem Grund haben laut Athener Ärztevertretung allein seit Jahresbeginn 281 Athener Ärzte ihre Papiere fertig gemacht, um auszuwandern. Zielländer: das Vereinigte Königreich, Frankreich, die Schweiz und Deutschland.

Nach Angaben der Panhellenic Medical Association als Gegenstück zur Bundesärztekammer (BÄK) wanderten infolge der Finanzkrise zwischen 2010 und 2016 etwa 18.000 griechische Ärzte aus.

Die Folge: Rund 6.000 Ärzte-Planstellen sind zurzeit nicht besetzt. Bereits vergangenes Jahr appellierte Regierungschef Alexis Tsipras deswegen in einer Fernsehansprache an die Mediziner, im Land zu bleiben. 3.000 neue Ärzte und Pfleger sollten eingestellt, außerdem mehr als 230 neue regionale Gesundheitszentren gegründet werden. "In den letzten Monaten hat die Regierung die entsprechenden Stellen für Allgemeinmediziner in Primärversorgungszentren ausgeschrieben", erklärt Dr. Charalambos Koulas, Mitglied der Europa-Abteilung der griechischen BÄK, gegenüber "Der Hausarzt". "Aber nur etwa 35 bis 40 davon wurden besetzt. Denn die Bezahlung war zu gering."

Bei einem Blick auf die Arbeitsbedingungen offenbart sich damit der Teufelskreis, auf dem die Abwanderung fußt: Im Uniklinikum Athen etwa konnte zwischenzeitlich nur die Hälfte der Betten belegt werden – weil Personal fehlte. Erst Anfang Mai legten Pflegefachkräfte der staatlichen Krankenhäuser erneut die Arbeit nieder, um gegen Lohnkürzungen, Personal- und Gerätemangel zu protestieren. Wegen der Finanzkrise seien die staatlichen Ausgaben für Gesundheit dramatisch gefallen, erklärte die Gewerkschaft des Krankenhauspersonals (POEDIN). Die Folge: 70 Prozent der Geräte seien veraltet, für 40 Patienten gebe es nur einen Pfleger. "Man schuldet uns 800.000 freie Tage."

Und auch für die niedergelassenen Ärzte im Land hat sich die Situation über die Jahre zugespitzt. Weil viele Patienten aufgrund langer Arbeitslosigkeit aus der Krankenversicherung fielen, konnten sie sich die Behandlung in den Praxen nicht mehr leisten – und wendeten sich an die zunehmend überfüllten Kliniken oder ehrenamtlich versorgende Sozialpraxen. Zu den ausbleibenden Patientenzahlen kamen dann steigende Abgaben: Seit 2017 müssen Ärzte – wie alle Selbstständigen – 26,95 Prozent ihrer Nettoeinnahmen an die Sozialversicherung zahlen. "Für viele niedergelassene Ärzte bedeutet das ein ernsthaftes Problem", betont Koulas. Bislang zahlte jeder Selbstständige und Freiberufler unabhängig vom Einkommen einen festgelegten Betrag in das Renten- und Gesundheitssystem ein, der sich im Laufe der Selbstständigkeit alle drei Jahre schrittweise erhöhte. Für Ärzte waren das im Schnitt 250 bis 300 Euro, so Koulas. "Jetzt zahlen wir bis zu 2.000 Euro im Monat." Lediglich für Geringverdiener mit Einkommen unter 15.000 Euro im Jahr gelte weiter ein Pauschalbetrag.

Mit Sorgen beobachten die Ärzteverbände im Land die Konsequenzen: Immer mehr Ärzte, so Koulas, seien auf ein zweites Standbein angewiesen – oder verließen Beruf oder Land komplett.

Auf einen Blick: Griechenland in Zahlen

  • Einwohner: 10,75 Millionen (2016)

  • Gesamtzahl Ärzte: 56.310

  • davon Allgemeinmediziner (General Practicioner, GP): 1.516

  • Zahl arbeitsloser Ärzte: ca. 6.000

Quelle: Panhellenic Medical Association

"Es gibt zu wenig Haus- und zu viele Fachärzte"

Im Gespräch mit Dr. Charalambos Koulas, Vize-Präsident der Griechischen Versicherung für Ärzte (TSAY) und Mitglied der Panhellenic Medical Association.

Woran krankt das griechische Gesundheitssystem?

Koulas: Das größte Problem ist die Primärversorgung. Sie findet heute fast ausschließlich in Krankenhäusern statt, weil es sich die Menschen nicht mehr leisten können, zu den privat zu bezahlenden Praxen der niedergelassenen Ärzte zu gehen. Krankenhäuser können damit aber nicht mehr ihrem eigentlichen Auftrag, der Sekundärversorgung, nachkommen.

Heißt das, dass außerhalb der Kliniken ein Ärztemangel besteht?

Koulas: Nein. Tatsächlich zählt Griechenland, in Relation zur Einwohnerzahl, sogar eine im EU-Vergleich hohe Zahl an niedergelassenen Ärzten. Trotz dieser krankt jedoch das Gesundheitssystem, was auch daran liegt, dass es zu wenig Haus- und zu viele Fachärzte gibt. Was fehlt, ist ein funktionierendes Bedarfsplanungsmodell, wie es das in anderen europäischen Ländern gibt. Aber aktuell wird dem kein Riegel vorgeschoben, und es können sich so viele Fachärzte niederlassen, wie es nur wollen.

Was fordern Sie als Ärztekammer von der Politik?

Koulas: Es gab noch nie eine Partei, die eine Entscheidung gegen ihr Volk gefällt hat – denn schließlich wollen alle wiedergewählt werden. Was es aber bräuchte, wäre nun wirklich die mutige politische Entscheidung, etwa Arztsitze für bestimmte Fachrichtungen zu beschränken. Viel zu oft arbeiten Politik und Krankenhäuser aber eng zusammen.

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