Berlin. Dass der GKV-Spitzenverband für eine Ausdehnung der Sprechstunden abends und am Wochenende wirbt, sorgt bei Ärztevertretern für deutliche Kritik. „Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit der GKV-Spitzenverband von den Ärzten weitere Samstagsarbeit fordert”, kommentierte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, am Mittwoch (20. Juni). „Schon heute fahren viele Hausärzte bis spätabends Hausbesuche und stellen am Wochenende den Bereitschaftsdienst sicher. Den Kassen steht es frei, diese Leistungen endlich vernünftig zu bezahlen.” Zusätzliche Regularien und Verpflichtungen hingegen wären ein „verheerendes Signal” an den Nachwuchs.
Die Kassen hatten sich zuvor für ausgedehntere Praxis-Öffnungszeiten abends und am Wochenende ausgesprochen, damit Kassenpatienten leichter an Termine kommen. Ärzte könnten mehr Sprechstunden zu Zeiten anbieten, in denen sie es bisher nicht tun, sagte Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandschef des GKV-Spitzenverbands. So könnte Ärzten ermöglicht werden, samstags von 7.00 bis 19.00 Uhr Sprechstunden anzubieten statt wie bisher bis 14.00 Uhr.
Im Schnitt 53 Stunden Arbeit pro Woche
In Sachen Vergütung wurde der Vorstoß jedoch zurückhaltender formuliert. So seien bei einer Sprechstundenausweitung auch Verbesserungen bei der Vergütung vorstellbar, so von Stackelberg. Man sehe Forderungen der Ärzte nach entsprechend mehr Geld aber “sehr kritisch”. Da die GKV 90 Prozent der Bevölkerung versichere, sei auch zu erwarten, dass Ärzte diesen Patienten den überwiegenden Teil der Sprechstundenzeit zur Verfügung stellten.
Laut einer Untersuchung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung arbeiten Hausärzte bereits heute im Schnitt über 53 Stunden pro Woche. Auch eine Umfrage von “Der Hausarzt”, an der sich im April insgesamt 118 Leser per Fax oder Online-Formular beteiligt hatten, zeigte, dass der deutlich überwiegende Teil (40 Prozent) bereits heute schon mehr als 30 Stunden pro Woche für gesetzlich versicherte Patienten da ist.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erteilte dem jüngsten Vorstoß daher eine klare Absage. „Alle Überlegungen in Richtung zusätzlicher ärztlicher Leistung sind absurd, solange schon jetzt 10 bis 20 Prozent der erbrachten Leistungen nicht bezahlt werden”, kommentierte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen. “Zechprellerei lässt sich nicht dadurch heilen, dass man zusagt, sich zu überlegen, eventuell die nächste Rechnung zu bezahlen.”
“Abenteuerliche” Forderung der Kassen
„Der GKV-Spitzenverband hat in den vergangenen Jahren quasi nichts dafür getan, die hausärztliche Tätigkeit attraktiver zu machen – ganz im Gegenteil”, kritisierte Hausärzte-Chef Weigeldt. „Viele Fortschritte konnten in der Vergangenheit nur gegen seinen expliziten Widerstand durchgesetzt werden.” Die Forderung nach einer Ausdehnung der Sprechstundenzeiten nannte er dabei „abenteuerlich”.
Die große Koalition plant zur Verkürzung von Wartezeiten bereits, die vorgeschriebenen Mindest-Sprechstunden für gesetzlich Versicherte von 20 auf 25 pro Woche zu erhöhen – ein Vorhaben, das der Deutsche Hausärzteverband seit Bekanntwerden kritisiert.
Auch innerhalb der großen Union scheinen jedoch nicht alle auf dieses Regularium setzen zu wollen. So ging der CSU-Gesundheitsexperte Georg Nüßlein jüngst auf Distanz zu den Plänen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Zahl der Mindestsprechstunden von Kassenärzten zu erhöhen. Er warnte vor einer entsprechenden Verpflichtung. “Wir müssen die Ärzte motivieren und nicht mit zusätzlichen Vorschriften bestrafen”, sagte der Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Gefragt sei eine intelligentere Steuerung der ärztlichen Vergütung.
Mit Material von dpa