Erfurt. Mehr als 70 Anträge, Dutzende Redebeiträge, gar eine Menschenschlange am Tresen zum Einreichen der Wortbeiträge: Es war ein volles Programm, das die Delegierten des Deutschen Ärztetags am Freitag (11. Mai) zu einem Schlüsselthema ihrer diesjährigen Tagung zu absolvieren hatten. Am Ende gab es mit deutlicher Mehrheit grünes Licht für die Gesamtnovelle der Musterweiterbildungsordnung (MWBO). „Wir sollen uns von der – übrigens typisch deutschen – Vorstellung verabschieden, dass ein Ziel nur dann erfüllt ist, wenn auch der Letzte seine Bedürfnisse als perfekt erfüllt sieht”, plädierte Dr. Franz Bartmann vor der Beratung. Die Delegierten bat er, dies zum Ziel der Verabschiedung der Gesamtnovelle zu bedenken.
Die Debatte auf dem Weg zu diesem Ziel dauerte bis in den Freitagnachmittag. „Wir bringen hier jahrelange Arbeit zu Ende, diese Zeit sollten wir uns auch nehmen”, betonte Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), bereits am Freitagmorgen nach einem ersten Antrag auf Begrenzung der Rednerliste. Erst am Mittag wurde diese geschlossen, insgesamt weit mehr als 50 Wortbeiträge wurden zum Thema gehört.
In der Tat ist die Novellierung der Musterweiterbildungsordnung keine neue Idee: Seit gut einem Jahrzehnt beschäftigt sich der Deutsche Ärztetag mit dem Thema. Im vergangenen Jahr verabschiedeten die Delegierten in Freiburg bereits den „Kopfteil” in Abschnitt B.
Hausärztechef: Landesärztekammern dürfen Beschluss nicht ignorieren
Seither wurden die Weiterbildungsinhalte in den Weiterbildungsgremien der BÄK abgestimmt – unter Einbezug der Experten und Weiterbildungsgremien der Landesärztekammern, erklärte Bartmann am Freitag. Auch wurden verbliebene Fragestellungen mit Fachgesellschaften und Berufsverbänden geklärt. „Das war ein großer Teil der Arbeit, die wir in den letzten Monaten gemacht haben”, so Bartmann.
Insbesondere dem Gespräch mit den Landesärztekammern kommt gerade mit Blick auf das Ankommen der neuen MWBO in der Fläche Bedeutung zu. So mahnte etwa Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, bereits im Vorfeld, dass eine mögliche neue Musterweiterbildungsordnung in der Folge auch von allen Landesärztekammern umgesetzt werden müsse. „Die Delegierten werden von den Landesärztekammern entsandt, um wichtige Beschlüsse, zum Beispiel in Fragen des Berufsrechts, zu treffen. Wenn in der Folge dann einige Landesärztekammern diese Entscheidungen schlichtweg ignorieren, dann stellt sich die Frage, was ein solcher Beschluss überhaupt wert ist”, sagte Weigeldt. „Das kann die Bundesärztekammer eigentlich nicht akzeptieren. Sie muss dafür sorgen, dass es keinen Flickenteppich aus Vorschriften gibt.”
Zwei Streitpunkte am Freitag
In der Debatte vor der finalen Entscheidung des Ärztetags haben sich zuletzt zwei Streitpunkte abgezeichnet: Einerseits die Frage, ob noch einmal an bereits im vergangenen Jahr geschlossenen Entscheidungen zum Teil B gerüttelt werden sollte; andererseits die Zusatzweiterbildungen, die sich in Teil B finden. Hier hatte sich im Vorfeld abgezeichnet, dass es bei einigen Zusatzweiterbildungen – etwa der Phlebologie – zu Debatten kommen könnte.
Gestartet sei man mit 37 Zusatzbezeichnungen, berichtete Bartmann dem Plenum. 16 seien bereits nach kurzer Zeit aussortiert worden, zehn letztlich dem Vorstand zur Entscheidung vorgelegt worden. Insgesamt, so Bartmann, seien im Abschnitt C der MWBO Beibehalt, Neu-Aufnahme, Nicht-Aufnahme neuer Bezeichnungen und Rückverlagerung existierender Bezeichnungen in die Gebiete von rund 80 Zusatzweiterbildungen beraten. Nicht neu aufgenommen wurde etwa die Chinesische Medizin.
Zusatzbezeichnungen sorgen für Zank
Auch die Zahl der Anträge zeigte am Freitag schließlich, dass hier Gesprächsbedarf war: Insgesamt 44 der 75 Anträge zum Tagesordnungspunkt bezogen sich auf die Zusatzweiterbildungen – einige davon in ähnlichen Formulierungen und damit Teil der von Montgomery gegenüber „Der Hausarzt” kritisierten Antragsflut.
Eine deutliche Mehrheit sprach sich dafür aus, dass diese Zusatzweiterbildungen berufsbegleitend möglich sein sollen. Welche Richtungen hingegen erhalten bleiben sollen, sorgte für mehr Zwist. Das Gros der Anträge erhielt die rote Karte: So haben die Delegierten unter anderem die Zusatzbezeichnungen Klinische Umweltmedizin, Lymphologie, Osteopathische Medizin, Sexualmedizin sowie Spezielle Strabologie und Neuroopththalmologie abgelehnt.
Die Phlebologie hat es nach einer durchaus kontroversen Debatte geschafft, Zusatzweiterbildung zu bleiben. Die Mehrheit zeigte aber durchaus die Spaltung im Saal: Während die meisten Ablehnungen mit deutlicher Mehrheit entschieden wurden, war das Ergebnis mit 124:82 Stimmen hier knapper. Dr. Christoph Freiherr von Ascheraden (Baden-Württemberg) plädierte zuvor – explizit als Nicht-Phlebologe – dafür, die Zusatzweiterbildung zu erhalten. Dies schaffe in einem an Bedeutung gewinnenden Sektor Transparenz, sagte er am Rednerpult.
Entschiedene Fragen noch einmal aufreißen?
Als zweiter großer Streitpunkt stellte sich die Frage, ob Anträge zum – eigentlich im vergangenen Jahr bereits entschiedenen – „Kopfteil” in Abschnitt B noch einmal zugelassen werden sollten. Neun Anträge bezogen sich auf B, erhielten in der Aussprache teils jedoch klare Absagen. “Wir brauchen Palliativmedizin, wir brauchen das eLogbuch, aber wir brauchen keine neue Diskussion über bereits entschiedene Teile der MWBO!”, betonte etwa Dr. Gerald Quitterer entschieden. Der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer sprach in der „Sprechstunde” von „Der Hausarzt” darüber, welche Auswirkungen die MWBO auf die hausärztliche Versorgung haben wird.
Auch Uta Taube, Landärztin in Sachsen, sprach sich gegen ein Aufreißen bereits beschlossener Teile aus: „Mit einem Schritt zurück gewinnen wir keine Landärzte”, sagte sie. Der Abschied von festen Weiterbildungszeiten und die Konzentration auf Inhalte und Kompetenzen hingegen seien ein Schritt in die richtige Richtung.
In der Tat sorgte aber auch dieser Abschied von festen Zeiten am Freitag noch einmal für eine – wenn auch kurze – Diskussion. So beantragte Bartmann eine zweite Lesung für einen Antrag, der für die Zusatzweiterbildung Intensivmedizin festlegen wollte, dass „sechs Monate aus der Weiterbildung im Gebiet angerechnet werden, wenn bereits zwölf Monate Intensivmedizin in der Weiterbildung bei einem Befugten abgeleistet wurden”. Eine solche Formulierung, schärfte Bartmann den Blick, passe nicht in die neue Weiterbildungssystematik. „Entweder es gelten Weiterbildungszeiten oder eben nicht.” Der Antrag wurde letztlich an den Vorstand überwiesen.