Die Spitzen von Union und SPD haben sich bei ihren Sondierungen auf eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung geeinigt. Das geht aus dem 28-seitigen vorläufigen Sondierungspapier hervor, das der Redaktion von „Der Hausarzt” vorliegt. Demnach sollen die Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden.
Die Partei- und Fraktionsspitzen hatten sich nach einem über 24-stündigen Sondierungs-Marathon auf die Eckpunkte des Papiers geeinigt. Nicht vorgesehen ist darin die hitzig diskutierte Einführung einer Bürgerversicherung als zentrale Forderung der SPD. Bis kurz vor Schluss der Sondierungen in der Nacht zu Freitag war offen, ob sich hier eine Einigung erzielen lässt („Der Hausarzt” berichtete online). Die nun beschlossene Rückkehr zur Parität könne als Kompromiss verstanden werden, heißt es in Berlin.
Thema Gesundheit kaum mehr als Randnotiz
Kein Wort ist in dem Papier zur hausärztlichen Versorgung enthalten. Zwar sichern die Partei- und Fraktionsspitzen zu, „dass alle auch zukünftig eine gute, flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung von Beginn bis Ende ihres Lebens erhalten, unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort”. Darüber hinaus sind die konkreten Inhalte zum Thema Gesundheit jedoch mager:
- Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitswesen: Diese „müssen ausgebaut und verstärkt werden”, heißt es im Sondierungspapier. „Zur Erreichung einer sektorenübergreifenden Versorgung wollen wir nachhaltige Schritte einleiten, insbesondere bei der Notfallversorgung.”
- Gesundheitsberufe: Zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung gehören für die Partei- und Fraktionsspitzen neben einer „gut erreichbaren ärztlichen Versorgung” auch Geburtshilfe, Hebammen und Apotheken vor Ort.
- Krankenhausfinanzierung: Für Umstrukturierungen, neue Technologien und Digitalisierung seien „deutlich erhöhte Investitionen” in Krankenhäuser notwendig.
Starker Einsatz für die Pflege
Die Pflege hingegen – schon heute steht fest, dass der Fachkräftemangel zentrales Thema der kommenden Legislaturperiode sein muss – erhält mehr Platz in dem Papier der Partei- und Fraktionschefs. „Wir wollen die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sofort und spürbar verbessern”, heißt es dort. So würden „Sofortmaßnahmen” für eine bessere Personalausstattung in der Altenpflege und im Krankenhausbereich ergriffen und dafür zusätzliche Stellen gefördert.
Konkret sieht das Papier folgende Schritte vor:
- Bezahlung: Die Koalitionäre wollen sich für eine Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif einsetzen. „Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir dafür sorgen, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen.” Im Krankenhausbereich werde eine vollständige Refinanzierung von Tarifsteigerungen angestrebt, verbunden mit der Nachweispflicht, dass dies auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommt.
- Neue Stellen: 8.000 neue Fachkraftstellen sollen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden.
- Personaluntergrenzen: In Krankenhäusern sollen Personaluntergrenzen für alle bettenführenden Abteilungen eingeführt werden. Darüber hinaus würden „verbindliche Personalbemessungsinstrumente” entwickelt, auch im Hinblick auf Pflege in der Nacht.
Auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern soll künftig erst ab einem Einkommen in Höhe von 100.000 Euro im Jahr zurückgegriffen werden.
Aus für Bürgerversicherung stößt auf positive Reaktionen
Nach Bekanntwerden der ersten Eckpunkte aus dem Sondierungspapier äußerten sich verschiedene Ärztevertreter positiv zu den Ergebnissen. „Mit dem Ausbau der sektorenübergreifenden Versorgung, Neuregelungen bei der Notfallversorgung und der Bereitstellung von Investitionsmitteln für neue Technologien und Digitalisierung benennen die Parteispitzen einige der wichtigsten Zukunftsthemen, die dringend angegangen werden müssen”, erklärte zum Beispiel Professor Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK). Auch die geplante Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der GKV halte die BÄK für „durchaus sinnvoll”.
Vor allem das Aus der Bürgerversicherung stieß auf positive Reaktionen. „Da hat offenbar die Sachlichkeit obsiegt in den Sondierungsgesprächen”, wertete KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Die Sinnhaftigkeit der Bürgerversicherung habe sich niemandem wirklich erschlossen.
SPD-Parteitag muss noch Ja sagen
Auf Basis der Sondierungsgespräche wollen Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) ihren Parteien nun die Aufnahme von offiziellen Koalitionsverhandlungen empfehlen. Die jeweiligen Sondierungsgruppen haben dem am Freitag bereits zugestimmt.Nun ist der SPD-Parteitag am Zug. Dieser soll am 21. Januar grünes Licht für eine Neuauflage der Groko geben.