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NiedersachsenResistente Keime in Seen alarmieren Fachleute

In Niedersachen haben Forscher in Bächen und Badeseen multiresistente Keime gefunden. Keine einzige Probe war negativ. Schlimmer noch: Auch Resistenzen gegen das letzte Reserveantibiotikum waren dabei. Infektiologen sind besorgt – und fordern ein Umdenken.

Auch ohne ESBL und MRGN ein ungemütlicher Gefährte: Acinetobacter baumannii. Quelle: Gudrun Holland/Michael Laue, RKI

Hamburg. Funde von multiresistenten Erregern in niedersächsischen Gewässern haben die Fachwelt beunruhigt. „Das ist wirklich alarmierend”, sagte Dr. Tim Eckmanns vom Robert-Koch-Institut (RKI) dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). Der NDR hatte am Dienstag (6.02.) eine Recherche veröffentlicht, nach der in allen Proben aus zwölf Gewässern in Niedersachsen multiresistente Bakterien oder zumindest Resistenzgene nachgewiesen wurden.

In den Proben fanden sich auch 3- und 4MRGN-Keime und sogar Colistinresistenzen. „Die Erreger sind anscheinend in der Umwelt angekommen und das in einem Ausmaß, das mich überrascht”, sagte Eckmanns, der Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin und Experte für Antibiotikaresistenz ist.

Die NDR-Journalisten hatten an zwölf Orten – Bäche, Flüsse, ein Abwasserkanal und zwei Badeseen – in Niedersachsen Wasser- und Sedimentproben genommen. Die wurden an der TU Dresden mittels qPCR auf Resistenzgene untersucht. Außerdem versuchten die Forscher diverse Erreger aus den Proben anzuzüchten. Von den Kulturen haben medizinische Mikrobiologen an der Uniklinik Gießen schließlich Antibiogramme angefertigt.

Die Ergebnisse sind frappierend: Fast allen Proben enthielten ESBL-bildende Keime und dreifach multiresistente gramnegative Stäbchen (3MRGN). Dominant war Escherichia coli, aber auch Acinetobacter baumanii und Klebsiella pneumoniae. Aus den Proben aus zwei Bächen ließen sich laut NDR keine Kulturen anzüchten.

Keine direkte Gefahr für gesunde Menschen

Eine direkte Gesundheitsgefahr geht von den Gewässern zunächst nicht aus. Einem gesunden Menschen wird eine Besiedelung mit multiresistenten Erregern kaum etwas ausmachen. Resistenzgene seien in der Natur völlig normal, hieß es am Mittwoch (7.02.) vom niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA). „Das ist für den Normalbürger mit gesunder Haut, mit gesundem Immunsystem erst mal kein Problem”, sagte der zuständige Abteilungsleiter Dr. Roland Suchenwirth.

Anders ist es freilich bei immunkompromittierten Patienten oder bei offenen Wunden. Eine Gefahr sehen Experten auch darin, dass die ESBL- und MRGN-Keime aus den Gewässern etwa in Kliniken oder Pflegeheime eingeschleppt werden könnten.

Zur Erinnerung: Die Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL) bilden bekanntlich nicht nur gegen Monobaktame und Penicilline Resistenzen, sondern auch gegen Cephalosporine der 3. und sogar der 4. Generation. Als 3MRGN werden gramnegative Stäbchen bezeichnet, die neben Penicillinen und Cephalosporinen auch gegen Fluorchinolone resistent sind. 4MRGN-Stäbchen bilden zusätzlich Carbapenemasen.

Steigende Prävalenzen bereiten den Experten seit einigen Jahren große Sorgen. Bei einer Infektion stehen dann nur noch Aminoglykoside zur Verfügung und Reserveantibiotika wie Tigecyclin und Colistin. Doch selbst um das Polymyxin-Antibiotikum Colistin (Polymyxin E) scheint es schlecht bestellt.

Denn in der Untersuchung des NDR gab es in drei Proben colistinresistente Erreger: E.coli und Enterobacter cloacae. Das Besondere an dem für die Resistenz kodierenden Gen MCR-1, das erstmals 2015 beim Menschen nachgewiesen wurde: ihm gelingt offenbar mittels Plasmiden relativ leicht ein lateraler Gentransfer.

Problemfeld Tiermast

Entsprechend besorgt sind Infektiologen, dass sich die Resistenz unter den Erregern ausbreitet und damit auch das bis dato letzte antibiotische Bollwerk Colistin unwirksam wird. Auch das RKI spricht von einem „erheblichen Bedrohungspotenzial”.

Eine Ursache hinter der Colistinresistenz ist offenbar die Tiermast, wie auch im NDR-Bericht deutlich wird. Anders als beim Menschen wird das Antibiotikum in der Veterinärmedizin offenbar sehr intensiv eingesetzt. Zwar soll sich der Verbrauch etwa in Niedersachsen seit 2011 halbiert haben. Doch nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) haben deutsche Tierärzte 2016 immer noch fast 69 Tonnen davon verordnet.

In der Tiermast sieht Dr. Can Imirzalioglu denn auch eine entscheidende Stellschraube. Wenn nicht gegengesteuert werde, „wird die Zahl der Infektionen mit diesem Resistenzgen zunehmen”, sagte er dem NDR. Der Facharzt an der Uniklinik Gießen und Mitarbeiter am dortigen Standort des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) hat für das NDR die Antibiogramme erstellt. „In Zukunft wird das dazu führen, dass wir mehr Infektionen haben, die wir gar nicht mehr behandeln können.”

Auch Prof. Ursel Heudorf, die stellvertretende Leiterin des Frankfurter Gesundheitsamts, teilt diese Befürchtung. „Die generelle Ausbreitung der multiresistenten Erreger macht mir Sorge. Wichtig ist, dass wir den Antibiotikaverbrauch reduzieren”, sagte die Umweltmedizinerin und Leiterin des MRE-Netzes Rhein-Main dem NDR.

Heudorf war im vergangenen Jahr selbst in den Medien, als in Frankfurter Bächen multiresistente Erreger gefunden wurden. „Wenn wir zu wenig tun, rasen wir auf die vorantibiotische Ära zurück”, sagte Heudorf. „Wir werden dann keine Antibiotika mehr haben, wenn tatsächlich schwerwiegende Infektionen vorliegen. Und die Leute werden sterben.”

Proben und Befunde der angezüchteten Erreger
Probe ESBL1) 3MRGN2) 4MRGN3) MCR-14) extrem5)
1 – Fluss Hunte E.coliC.freundii K.oxytoca E.coli K.pneumoniae      
2 – Badestelle Zwischenahner Meer E.coli E.coli      
3 – Fluss Soeste E.coliA.baumanii E.coliK.oxytocaK.pneumoniae   E.coli  
4 – Bach (keine Anzucht möglich)
5 – Bach (keine Anzucht möglich)
6 – Badestelle Thülsfelder Talsperre E.coliA.baumanii        
7 – Fluss Soeste E.coliK.pneumoniae E.coli      
8 – Bach E.coliA.baumaniiP.aeruginosa E.coliA.baumaniiK.pneumoniae   E.coli  
9 – Bach E.coli   P.aeruginosa    
10 – Fluss Aller E.coliP.aeruginosa E.coli      
11 – Kanalisation an Klinikum   K.oxytoca     A.hydrophila
12 – Fluss Hase E.coliP.putidaO.antropiA.xylosoxidans E.coliK.oxytocaK.pneumoniae   E.cloacae complex A.hydrophila
Positive Proben 9/12 8/12 1/12 3/12 2/12
Quelle: NDR. Aus den Proben 4 und 5 ließen sich laut NDR keine Keime anzüchten, jedoch waren auch dort Resistenzgene mittels qPCR nachweisbar. 1) Extended-Spectrum-Betalaktamasen. 2) Gegen drei Antibiotikaklassen multiresistente gramnegative Stäbchen. 3) Gegen vier Antibiotikaklassen multiresistente gramnegative Stäbchen. 4) (Plasmid-vermittelte) Mobilisierte Colistin-Resistenz. 5) Im Protokoll des NDR nicht näher bezeichnet als „extr. resistent“ angegeben.
Gefundene Erreger
Achromobacter xylosoxidans
Acinetobacter baumanii
Aeromonas hydrophila
Citrobacter freundii
Enterobacter cloacae complex
Escherichia coli
Klebsiella oxytoca
Klebsiella pneumoniae
Ochrobactum antropi
Pseudomonas aeruginosa
Pseudomonas putida
Quelle: NDR.
Identifizierte Carbapenemasen
KPC-3
OXA-58
Quelle: NDR.
Identifizierte Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL)
TEM
CTX-M-15
CTX-M-32
Quelle: NDR.
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