Für Schwangere gibt es immer mehr Untersuchungen. „Viele davon sind jedoch weder evidenzbasiert noch hilfreich. Sie verunsichern statt zu beruhigen und liefern zweifelhafte Ergebnisse“, urteilt Dr. Katharina Lüdemann in „Die Hebamme“. Andererseits blieben Probleme wie die zunehmende Zahl an Frühgeburten ungelöst.
Die Chefärztin an der Frauenklinik des St. Josef-Stifts in Delmenhorst sieht einige Untersuchungen als medizinisch weniger sinnvoll an, dafür jedoch als finanziell lukrativ. So liefere die gängige Blutuntersuchung auf Toxoplasmose-Antikörper für viele Schwangere ein negatives Ergebnis. Dabei könne jedoch niemand ausschließen, ob eine frische Infektion vorliegt, die das Kind schädigen könnte. „Im Prinzip müsste der Test die gesamte Schwangerschaft alle vier Wochen wiederholt werden“, erläutert Lüdemann.
Die Verunsicherung wächst. Dabei ist die Vorsorge einfach: Schwangere sollten im Umgang mit Katzen auf Hygiene achten und nur durchgegartes Fleisch essen! Auch das Ersttrimester-Screening würde die Frauenärztin nur Frauen empfehlen, die eine Entscheidungshilfe für oder gegen eine Fruchtwasseruntersuchung möchten.
Die durch die Nackenfaltenmessung und eine Blutuntersuchung berechnete Wahrscheinlichkeit, ein gesundes oder krankes Kind zu bekommen, ängstige viele Frauen mehr, als dass es sie beruhige. Andere Tests, wie der auf Schwangerschaftsdiabetes, machten nur Sinn, wenn bei grenzwertigem oder positivem Ergebnis auch weitere Untersuchungen folgten. Das ist in der Praxis jedoch nicht immer der Fall, so Lüdemann.
Positiv hingegen bewertet sie den Test auf b-Streptokokken in den letzten Schwangerschaftswochen. Ist die Mutter infiziert, kann sie während der Geburt mit Antibiotika behandelt werden. Das Risiko einer gefährlichen Infektion für das Kind sinke dadurch deutlich. Diese zahlten die gesetzlichen Kassen bislang jedoch nicht.
Laut Lüdemann wurde das ursprüngliche Ziel der Schwangerenvorsorge bereits in den 70er Jahren erreicht. Durch die Einführung der Blutdruckmessung, der Gewichtskontrolle und Eiweißteststreifen sei das Risiko für eine Präe-klampsie deutlich gesunken. Die Zahl der Frühgeburten nehme derweil weiter zu, auch weil Frauen aus einkommensschwachen Verhältnissen die Vorsorge weniger in Anspruch nehmen und Präventionskampagnen wie zum Rauchverzicht die Zielgruppe häufig nicht erreichten. Hier sieht die Expertin Nachholbedarf.
Zudem beklagt sie, dass die heutige Vorsorge das Pathologische in den Vordergrund rückt und nicht das Gesunde und Normale betont, und das nicht zuletzt, weil Frauenärzte von Risikoschwangerschaften finanziell profitieren, weil mehr Untersuchungen abgerechnet werden können.
K. Lüdemann: Sinn und Unsinn von Untersuchungen in der Schwangerenvorsorge; Die Hebamme 2015; 28 (2); S. 84-89