Forum PolitikWas können Hausärzte von Jürgen Klopp lernen?

Menschenfänger, Identifikationsfigur, Motivator. Nur wenige Worte, die Fußballtrainerlegende Jürgen Klopp beschreiben. Wie die „Philosophie der Baseballkappe“ vielleicht auch Hausärzte für sich nutzen können, wurde beim 10. IHF-Kongress deutlich.

Baseballkappe, Dreitagebart und wilde Gesten sind seine Markenzeichen: Im Trainingsanzug hüpft Jürgen Klopp in der Coaching Zone auf und ab, stürmt bei Toren auf seine Spieler zu und wirft sich ins Jubelgetümmel. Was haben Hausärzte mit dem Kulttrainer gemeinsam?

Für jeden von ihnen ist entscheidend, dass sie mit der Generation Y gut zusammenarbeiten. „Jürgen Klopp ist ein Profi im Umgang mit Generation Y“, sagt Prof. Christian Schmidt. Das Institut für hausärztliche Fortbildung (IHF) hatte den Ärztlichen Vorstand der Universitätsmedizin Rostock zum 10. IHF-Kongress nach Mannheim eingeladen, um über „Generation Y im Arztberuf – Was wollen junge Ärzte von der Medizin?“ zu sprechen. Schmidt hat in diversen Studien die Bedürfnisse und Erwartungen des ärztlichen Nachwuchses erforscht [1, 2]. Die Unterschiede zu den Babyboomern fasst er kurz zusammen: „Leben beim Arbeiten“ statt „Leben, um zu arbeiten“. Das sei nichts Neues -schon Sokrates soll einst gesagt haben: „Die Jugend liebt den Luxus, verachtet Autorität und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.“

Hohe Anforderungen an Arbeitsplatz

Die ab 1981 Geborenen sind selbstbewusst, technologieaffin, lehnen Hierarchien ab und stellen hohe Anforderungen an ihren Arbeitsplatz. Im Fokus stehe dabei Flexibilität, die aber jeder anders definiere, erzählt Schmidt. Manche wollten mehr arbeiten, an dere mehr Freizeit, manche wollen Karriere machen, andere nicht. Gerade Ärzten der Generation Babyboomer falle es oft schwer, mit diesen hohen Erwartungen umzugehen. Denn auch der Anspruch der Jungen an ihre Vorgesetzten wachse. „Früher wurde anders geführt, man bekam die harte Knute zu spüren. Das geht heute nicht mehr“, sagt Schmidt. „Die Generation Y sucht motivierende Führungskräfte – wie Jürgen Klopp.“

Klopp begeistert. Kumpeltyp, Motivator, Identifikationsfigur. Der 48-Jährige findet die richtige Mischung aus Kompetenz und Emotion, Selbstentfaltung und Anleitung. „Spieler brauchen Freiheit, um ihr Potenzial entwickeln zu können. Man muss sie auch mal machen lassen“, verrät der Trainer des FC Liverpool in Interviews sein Coachingrezept.

Man müsse sie ernst nehmen. „Wichtig ist, jungen Spielern zu vermitteln, dass man ihnen Zeit für Entwicklung gibt,“ ihnen erklären, wie man sie begleite. Vom Spielfeldrand aus reiche ihm oft ein Blickkontakt, um „seine Jungs“ aufzubauen, wenn eine Aktion schlecht gelaufen ist. Viel Vertrauen – wie in einer Familie – ist daher zentral für seine Philosophie. Als Vaterfigur erklärt er, nimmt so die Spieler an die Hand, steckt aber auch klare Ziele und Grenzen ab und fordert maximale Leistung ein. „Jeder kann seine Ideen einbringen, aber sie müssen auch wissen, dass sie es nicht übertreiben dürfen“, meint Klopp.

Was können Hausärzte von Jürgen Klopp lernen?

Werden Medizinstudierende gefragt, was für sie gute Führung ist, antworten die meisten: Sie erwarten direkte Führung vom Vorgesetzten, berichtet Schmidt in Mannheim. Dieser müsse Perspektiven schaffen. Dabei sei ein gutes Klima im Team wichtig sowie die Breite und eine verbindliche Struktur der Aus- und Weiterbildung. Die Wertschätzung durch den Chef und das Vermitteln von Zugehörigkeit seien stärkere Anreize als die Bezahlung. In der Aus- und Weiterbildung müssen Hausärzte also Coach und Mentor sein. „Wir brauchen in unserer Führungskultur ein bisschen mehr von Motivatoren, um junge Ärzte zu begeistern und auf dem Berufsweg zu begleiten“, schlussfolgert Schmidt. Er nennt es „Coaching während der Ausbildung“ (Übersicht Tab 1).

Konkret: Führungskräfte in der Praxis sollten greifbar sein, aber jungen Ärzten auch genug Freiraum für die Selbstentfaltung lassen. Man sollte ihnen Fallaufgaben übertragen, also die Lösung eines Problems einfordern, und sie dabei unauffällig supervidieren. Auch regelmäßiges Feedback ist wichtig. Es vermittelt, dass sich der Vorgesetzte kümmert: So sollten Chefs situativ loben, wenn gute Leistungen erbracht werden, um junge Ärzte zu motivieren. In Mitarbeitergesprächen sollte aber auch konstruktiv Kritik geäußert und die Weiterentwicklung erklärt werden. Stichwort Perspektive: „Nicht jeder kann Chef werden. Aber je nachdem, welche Rolle man im Team übernimmt, kann man sich verschiedene horizontale Karrieremodelle überlegen“, regt Schmidt an.

„Wenn wir mit Spielern sprechen, erkläre ich ehrlich, was wir mit ihnen vorhaben“, beschreibt es Jürgen Klopp. Es gehe darum, Nachwuchsspielern das Gefühl zu vermitteln, dass es für sie eine Chance ist, sich im Verein weiterzuentwickeln. Er arbeitet mit dem Einzelnen für die Gruppe. Was in der Praxis die Planung der unterschiedlichen Karrieren in einem Team ist, ist im Fußball die Spielertyp-Entwicklung: Egal ob Praxis oder Fußball, jeder hat im Team seine Rolle. „Ich versuche ein Wohlfühlumfeld zu schaffen, in dem knallhart gearbeitet wird“, sagt Klopp. Jede Woche wird selektiert, wer es in den Kader schafft. Er als Trainer unterstütze den Einzelnen dabei, in der nächsten Woche wieder aufgestellt zu werden.

Das könnte auch bei der ärztlichen Generation Y der Schlüssel zum Erfolg sein: Junge Ärzte wünschen sich Verbindlichkeit in Aus- und Weiterbildung, zum Beispiel Kompetenzkataloge, was sie lernen müssen, erzählt Christian Schmidt. So sei transparent, was sie in unterschiedlichen Karrierestufen leisten müssten. Sicherlich ein Weg, die „Philosophie der Baseballkappe“ auf die Ärzteausbildung zu übertragen.

Tab 1: Coaching während der Ausbildung

Führung/Motivation

  • Verfügbar sein, jedoch genügend Freiraum für Selbstentfaltung geben

  • Erklären, warum bestimmte Maßnahmen durchgeführt werden

  • Aktive Problemlösung einfordern

  • Mitarbeiter in ihrer „technisch natürlichen“ Umgebung arbeiten lassen

  • Arbeitszeit effizient einsetzen

In der Praxis

  • Regelmäßige, unauffällige Super­ vison der Tätigkeiten

  • Erklärend anleiten (z. B. bei Visite, im OP)

  • Fallaufgaben geben

  • Visiten­Laptops, „Order ­entry“­ Systeme, maximale EDV ­Unterstüt zung der täglichen Arbeitsprozesse

  • Mehr Aufmerksamkeit für die Dienst und Tagesplangestaltung

Quelle: Der Anaesthesist 2011

Literatur

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