In den Niederlanden werden seit 2012 wegen Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem keine professionellen Dolmetscher in Hausarztpraxen mehr finanziert. Daher werden, wie auch in Deutschland üblich, häufig Familienmitglieder zum Dolmetschen eingesetzt. Eine Interviewstudie mit 21 türkischen Patientinnen, 17 übersetzenden Familienangehörigen und 16 Hausärzten, die viele Migranten betreuen, versuchte, mögliche Probleme dabei aufzudecken.
Unter anderem zeigte sich in den Interviews, dass dolmetschende Angehörige die Aussagen des Patienten häufig zusammenfassten und verkürzten, wenn sie etwas als irrelevant beurteilten. Sie gaben aber an, dass es nicht zu Missverständnissen komme. Patientinnen und Ärzte vermuteten öfter, dass es Missverständnisse gibt, konnten aber meist keine belegenden Beispiele dafür nennen. Die Patienten erwarteten vom Übersetzer innerhalb der Familie häufig, dass er auf ihrer Seite stehen und den Arzt überzeugen sollte, in ihrem Sinne zu handeln. Die Ärzte nahmen durch dolmetschende Angehörige ein Machtgefälle oder Handlungsdruck wahr. Außerdem berichteten die Dolmetscher, dass sie sehr schlechte Nachrichten unter Umständen nicht an ihre Angehörigen weitergeben würden, da dies kulturell nicht üblich ist.
Fazit: Dolmetschende Angehörige können das Arzt-Patienten-Gespräch erschweren. Abhängig von der Wichtigkeit und Komplexität des Gespräches und insbesondere beim Überbringen schlechter Nachrichten sind professionelle Dolmetscher besser geeignet. Deren Finanzierung ist allerdings meist nicht geklärt.
Quelle: Zendedel R et al: Informal interpreting in general practice: Comparing the perspectives of general practitioners, migrant patients and family interpreters, Patient Educ Couns (2016), DOI: 10.1016/j.pec.2015.12.021