Das japanische Gesundheitssystem kennt keine Hausärzte – und spürt jetzt die Folgen. Eine hochrangige Regierungsdelegation hat sich deshalb bei Hausärzten in Baden-Württemberg nach einer Lösung erkundigt.
Japan und Deutschland stehen angesichts des demografischen Wandels vor ähnlichen Herausforderungen. Der Anteil der über 65jährigen, der in Japan 2014 bei 26,1 Prozent (Deutschland: 21,1 Prozent) lag, wird bis 2060 auf etwa 40 Prozent (Deutschland 33 Prozent) steigen. Die japanischen Männer und Frauen haben weltweit die höchste Lebenserwartung, während die Geburtenrate ähnlich niedrig ist wie in Deutschland.
Im Unterschied zu Deutschland gibt es in Japan keine Hausärzte und schon gar nicht eine Hausarztzentrierte Versorgung. „Die Patienten dort wenden sich ohne irgendwelche Zugangsregularien direkt an einen Spezialisten“, hat Dr. Frank-Dieter Braun, 2. Vorsitzender des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, bei einem Besuch einer japanischen Regierungsdelegation in Stuttgart erfahren. Entsprechend hoch sind die Gesundheitsausgaben. Die japanische Regierung denkt deshalb jetzt ernsthaft über den Aufbau einer hausärztlichen Versorgung nach.
Bei einem anderthalbstündigen Besuch in der Hausarztpraxis von Dr. Thomas Heyer und Dr. Ingo Hrastnig in Stuttgart wollte die vierköpfige Delegation, die von einer Dolmetscherin begleitet wurde, vor allem auch erfahren, welche Rolle den Hausärzten in Deutschland angesichts einer alternden Bevölkerung zukommt. Das besondere Interesse der japanischen Experten galt dem in Baden-Württemberg zwischen Hausarztverband, MEDI und AOK seit 2008 erfolgreich laufenden ersten HZV-Vertrag gemäß Paragraf 73b SGB V. „Wir konnten deutlich machen, dass mit diesem Versorgungsmodell der Hausarzt gestärkt wird und alle notwendigen Leistungen vergütet werden“, erklärt Heyer, der auch Vorstandsmitglied des baden-württembergischen Landesverbands ist.
Beim anschließenden Besuch in der Landesgeschäftsstelle informierten sich Dr. Takeshi Tsuchida, ehemaliger Präsident des „Chuuikyo“ (vergleichbar dem GBA), Dr. Shinji Tanak, Professor für Rechtswissenschaften und Soziale Sicherungssysteme an der Niigata Universität, der Präventivmediziner Shinichi Tomioka und der Gesundheitsattaché der japanischen Botschaft in Berlin, Hirotaka Furukawa über die Rolle des Hausärzteverbandes und unsere Hausarztverträge. „Der „Bierdeckel“ unseres AOK-Vertrages fand sehr großes Interesse. Unsere japanischen Gäste waren gut vorinformiert, sehr interessiert und haben fleißig mitgeschrieben“, berichtet Braun. „Wir haben ihnen zusätzliche Unterlagen zur Versorgungssituation mitgegeben und sind jetzt sehr gespannt, was die japanische Regierung für die Zukunft der Versorgung ihrer Bevölkerung plant“.