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Praxis WissenKnackpunkt Aufenthaltsstatus

Die Patientin leidet an starken Schmerzen nahe der Wirbelsäule und ist sehr schwach. Schon bei geringer Belas-tung ringt sie nach Luft. Eine stetige Verschlechterung ist abzusehen, erkennen die Ärzte der Malteser Migranten Medizin in Köln. Das Bleiberecht ist jetzt entscheidend.

Kasuistik 1

Anamnese 1: Vor etwa zwei Jahren stellt sich eine 38jährige Patientin aus Ghana erstmals bei uns vor. Sie lebt seit vier Jahren ohne legalen Aufenthaltstitel in Deutschland. Sie kommt mit starken Schmerzen im Wirbelsäulenbereich, hochgradiger Schwäche und Luftnot schon bei geringer körperlicher Belastung.

Diagnostik 1: Bei der orientierenden Laboruntersuchung findet sich eine hochgradige Anämie mit einem HgB von 7,8G/dl und einer Erythrozytenzahl von 2,3 Mio/pl.

Verlauf 1: Wir weisen die Patientin notfallmäßig ins Krankenhaus in der Nähe ihres Wohnortes ein. Dort wird sie sofort stationär aufgenommen. Bei den Untersuchungen stellt sich als Grund der schweren Blutarmut eine Sichelzellenanämie (Major Form) heraus. Eine genetisch bedingte Störung der Hämoglobinbildung im Knochenmark, die vor allem bei Afrikanern vorkommt. Die Erkrankung ist nicht heilbar (außer Knochenmarktransplantation) und verläuft schicksalhaft.

Wir raten der Patientin dringend, sich an die Ausländerbehörde zu wenden, um einen Duldungsstatus erteilt zu bekommen, da bei ihr eine ständige Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist. Sie nimmt unseren Rat nicht an und sucht die MMM-Sprechstunde nicht mehr auf.

Anamnese 2: Anfang November 2015 kommt die Patientin wieder in die Sprechstunde in stark verschlechtertem Allgemeinzustand.

Diagnostik 2: Bei der klinischen Untersuchung finden sich Zeichen einer global dekompensierten Herzinsuffizienz mit Halsvenenstau, peripheren Ödemen und Lebervergrößerung zusätzlich zu den Zeichen der chronischen Blutarmut. Wir machen eine Echokardiographie, die massive Zeichen einer dilatativen Kardiomyopathie mit Beteiligung beider Ventrikel zeigt.

Therapie: Eine eingeleitete medikamentöse Therapie mit einem Thiazid-Diuretikum und einem ACE-Hemmer verbessert die Herzinsuffizienz deutlich. Trotzdem bedeutet die Kombination beider Erkrankungen für die Patientin weiter eine lebensbedrohliche Situation. Mit ihrem Einver- ständnis kontaktieren wir die Sozialberatung der Diakonie, die hilft die Patientin bei der Ausländerbehörde zu melden und so einen Duldungsstatus zu erreichen. Denn nur dann ist sie angemessen ärztlich, sozial zu betreuen.

Kommentar: Da die Erkrankung der Patientin nicht heilbar ist, ist die einzige Möglichkeit für sie eine Symptome lindernde palliative Behandlung. Dafür ist aber die Integration in die Regelversorgung entscheidend. Derzeit hilft ein Rechtsbeistand, den nötigen Duldungsstatus zu erreichen.

Sichelzellkrankheit

Etwa ab dem dritten bis vierten Lebensmonat können Symptome der Sichelzellkrankheit (SCD) auftreten, heißt es in der entsprechenden GPOH-Leitlinie (bit.ly/1WX64Ye. Sie verlaufe sehr unterschiedlich und reiche von fast asymptomatischen Verläufen bis weit in das Erwachsenenalter bis zur schwersten Multiorganerkrankung, die bereits im jungen Kindesalter beginnt. Unterschiedliche Lebensbedingungen wie medizinische Versorgung, Bildungsstand und Beruf beeinflussen den Verlauf genauso wie exogene Faktoren (Kälte, Dehydratation, starke körperliche Belastung). Das Beratungszentrum für Anämien der Uniklinik Heidelberg empfiehlt daher: Unterkühlungen zu vermeiden, viel zu trinken sowie umfassenden Impfschutz. Zudem sollten sich Patienten regelmäßig wiedervorstellen: Ab dem Alter von zehn Jahren wird zur klinischen Untersuchung alle sechs Monate geraten (bit.ly/24oYd7K.

Kasuistik 2

Anamnese: Ein 54-jähriger Rumäne stellt sich vor. Er lebt seit zwei Monaten in Deutschland bei einem befreundeten Landsmann, der für uns übersetzen kann. Der Patient geht keiner regulären Beschäftigung nach und ist hier nicht krankenversichert. Er besitzt aber eine gültige Krankenversichertenkarte seines Heimatlandes. Nach seinen Angaben ist er aber in den letzten Jahren in der Heimat nicht beim Arzt gewesen.

Der Patient klagt über einen seit mehreren Wochen bestehenden chronischen Husten mit gelblichem, gelegentlich sogar bräunlichem Auswurf. Er habe während der letzten Monate mehrere Kilogramm an Gewicht verloren. Das lässt auch das Sitzen seiner Kleider erkennen.

Diagnostik: Die körperliche Untersuchung ergibt keine Besonderheiten. Da nach der geschilderten Symptomatik differentialdiagnostisch in erster Linie eine offene Tuberkulose vermutet werden kann, erfolgt sofort eine Röntgenaufnahme der Lunge: Sie ergibt einen unerwarteten, aber eindeutigen Befund. In beiden Lungenflügeln zeigen sich multiple bis kirschgroße Rundherde, höchstwahrscheinlich Metastasen eines bösartigen Tumors. Bei der anschließenden Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes finden sich im rechten Leberlappen ebenfalls mehrere Metastasen verdächtige Rundherde.

Befund: Der Patient hat eine weit fortgeschrittene, metastasierende Krebserkrankung bei unbekann-tem Primärtumor – höchstwahrscheinlich unheilbar und zum Tode führend. Wir klären ihn zunächst über die Befunde und die mögliche Bedeutung so schonend wie möglich auf. Dabei erfahren wir, dass er in seiner Heimat Familienangehörige (Geschwis-ter und Kinder) und eine gültige Krankenversicherung hat.

Verlauf: Da sein Allgemein- und Kräftezustand noch relativ gut ist, raten wir ihm, ohne Zeitverzögerung in seine Heimat zurückzukehren mit umfangreicher Dokumentation unserer Befunde. Höchstwahrscheinlich wird für ihn in naher Zukunft die familiäre und pflegerische Hilfe genauso wichtig werden wie die ärztliche.

Kommentar: Die weit fortgeschrittene, bösartige Erkrankung wird wahrscheinlich unvermeidbar zu einem qualvollen Lebensende führen, auch bei einer möglichen angemessenen Behandlung. In dieser Situation hat die soziale Hilfe, wenn möglich in der Familie, Priorität. Denn eine ärztliche Behandlung kann allenfalls lindernd sein, also nur palliativ.

Malteser Migranten Medizin

Hier finden Menschen ohne Krankenversicherung einen ehrenamtlichen Arzt, der die Erst- und Notfallversorgung bei plötzlicher Erkrankung, Verletzung oder Schwangerschaft übernimmt. Die MMM gibt es bundesweit in 14 Städten. Die Hilfe wird allein aus Spenden finanziert. Video der Caritas Deutschland über die MMM in Köln.

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