20 Prozent mehr Teilnehmer gegenüber dem Vorjahr, dazu ein gelungenes Pilotprojekt für Nachwuchsmediziner und ein dickes Lob für die niedersächsischen Hausärzte, die sich neben ihrem Praxisalltag in der Flüchtlingsversorgung engagieren: "Das Fazit unseres 32. Seminarkongresses kann sich sehen lassen. Wir sind vollauf zufrieden", lautet das Resümee von Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des für die Organisation verantwortlichen Landesverbandes Niedersachsen. Damit habe der Kongress seinen Status als einer der bedeutendsten Fortbildungsveranstaltungen für Hausärzte in Deutschland festigen können.
Zu der zweitägigen Veranstaltung für die Landesverbände Braunschweig, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Ende April in Lüneburg haben sich 1.324 Seminarteilnehmer angemeldet, die das Angebot von erstmals 49 Seminaren – eine weitere Bestmarke – nutzten. Als Grund für diesen steten Zuspruch führt Berndt die gute Mischung der Themen an: "Rüdiger Quandt als Wissenschaftlicher Leiter hat sowohl Wert auf das wichtige Thema Palliativmedizin gelegt als auch auf Seminare zum Ultraschall und Praxismanagement nebst Seminaren zur wirtschaftlichen Sicherung der Hausarztpraxis." Zudem sei es kein reiner Ärztekongress. "Es finden sich auch zahlreiche Angebote speziell für MFA und Versorgungsassistentinnen."
Kontroverse Diskussionen und klare Standpunkte ergab das Politikforum zu: "Hausärzte versorgen Flüchtlinge in Niedersachsen – Organisatorische Herausforderungen". Ein Thema, das sich der Landesverband bewusst für die traditionelle Podiumsdiskussion aufgehoben hat. "Denn die Sprache der Flüchtlinge sowie ungeklärte Kostenübernahmen stellen uns immer wieder vor Probleme", sagt Berndt. Viel Lob sammelten die Niedersachsen für ihr unkonventionelles Hilfsprojekt aus dem vergangenen Herbst ein. Damals meldeten sich auf einen Verbandsaufruf binnen 48 Stunden rund 250 Hausärzte aus ganz Niedersachsen, die über ihre Tätigkeit in der Praxis hinaus auf Abruf mithalfen, die medizinische Versorgung von Flüchtlingen, zum Teil rein ehrenamtlich, zu sichern.
"Vorbildlich" nannten es die Podiumsteilnehmer Dr. Jörg Berling, stellvertretender Vorsitzender der KV Niedersachsen, Inken Holldorf, Leiterin der TK-Landesvertretung Niedersachsen, Dr. Uwe Lankenfeld, Vorstandsmitglied des Hausärzteverbandes in Niedersachsen und Allgemeinarzt aus Osnabrück, sowie Claudia Schröder, stellvertretende Staatssekretärin im Niedersächsischen Gesundheitsministerium. Aber: Bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerber in Niedersachsen gingen die Meinungen auseinander.
Während Schröder dieses mit dem Hinweis auf eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes und einer menschenwürdigeren Versorgung rechtfertigte, standen Berling und Lankenfeld diesem Abrechnungsweg kritisch gegenüber. Als erfreulichen Abschluss sprachen sich alle Podiumsteilnehmer eindeutig gegen die Anwendung von Regressen und Zeitbudgetkontrollen durch KVen und Krankenkassen in der Flüchtlingsbehandlung aus.
"Nur wer den Hausarztberuf kennt, kann ihn lieben lernen"
Gelang es Ihnen, auch jüngere Ärztinnen und Ärzte für den Hausärztetag zu begeistern?
Dr. Matthias Berndt: Unser Pilotprojekt, das Seminar "Karriere Allgemeinmedizin", war mit 21 Teilnehmern schnell ausgebucht. Und wir haben durchweg positive Rückmeldungen und Seminarbeurteilungen erhalten. Dr. Marion Renneberg und Prof. Dr. Thomas Lichte haben es verstanden, den Weg vom Studium zu den verschiedenen Arbeitsfeldern und positiven Seiten des Allgemeinmediziners aufzuzeigen. Denn nur wer dieses Fach kennenlernt, kann es – so wie die beiden und auch ich – lieben lernen und den Beruf des Hausarztes wählen. Also, Fortsetzung folgt!
"Vitaminmangelzustand und Demenz" war das Motto des Patiententages. Warum gerade dieses?
Berndt: Weil durch Veränderungen in der Qualität der Nahrungskette und auch der Essgewohnheiten zunehmend mehr Symptome in der Hausarztpraxis auftauchen, die den bei Demenz bekannten Krankheitsbildern ähneln. ln Wirklichkeit aber sind sie die Folge von Vitaminmangelzuständen. Darauf und auf die hausärztliche Beratungskompetenz wollten wir die Öffentlichkeit hinweisen, damit keine schwerwiegenden Fehldiagnosen erfolgen. Daher war Dr. Heinz Jarmatz, bis 2014 Vorsitzender das Hausärzteverbandes Niedersachsen und Hausarzt aus Scharnebeck, einer der Hauptreferenten zum Thema.