Praktikabler Test zu Depression bei Jugendlichen
Depressionen bei Jugendlichen scheinen zuzunehmen. Depressive Jugendliche suchen ihren Hausarzt häufig wegen anderer Beschwerden auf, so dass die Diagnosestellung schwierig sein kann. Bei Erwachsenen ist der sogenannte Zwei-Fragen-Test etabliert ("Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig bedrückt oder hoffnungslos?", "Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?"). Dazu kann ergänzend gefragt werden, ob Hilfe gewünscht wird.
In einer Studie mit 294 däni-schen und norwegischen 14- bis 16-Jährigen wurde jetzt untersucht, ob diese Fragen auch bei Jugendlichen helfen, Depressionen zu erkennen. Dazu wurden telefonisch die drei genannten Fragen gestellt, gefolgt von einem psychiatrisch-diagnostischen Interview. Der Test hatte bei mindestens einer Ja-Antwort auf eine der beiden Screeningfragen eine Sensitivität von 82 Prozent, bei zusätzlicher Bejahung der Hilfefrage eine Spezifität von 98 Prozent.
Fazit: Der Zwei-Fragen-Test ist auch zur Suche nach einer Depression bei Jugendlichen geeignet, etwa wenn sich diese mit unklaren körperlichen Beschwerden vorstellen.
Haugen W, Haavet OR, Sirpal MK et al: Identifying depression among adolescents using three key questions: a validation study in primary care. British Journal of General Practice 2016, DOI: 10.3399/ bjgo16X683461
Wie können Eltern überzeugt werden, dass ihr Kind kein Antibiotikum braucht?
Die Kommunikation zwischen Ärzten und Eltern zur Antibio- tikagabe bei Atemwegsinfek-ten von Kindern wurde in einer aufwändigen Studie untersucht. 60 Konsultationen in 6 Hausarztpraxen wurden auf Video aufgezeichnet. 27 Eltern- teile und 13 Ärzte wurden anschließend zu Interviews eingeladen. Während der Interviews wurde das Video der Konsultation gezeigt und das Gespräch diskutiert.
Ärzte erklärten in den Konsultationen häufig, dass Antibiotika nicht gegen Viren wirken, was den meisten Eltern auch geläufig war. Eltern glaubten häufig, dass Antibiotika zur Behandlung schwerer Krankheiten nötig sind. Dies entsprach der Beobachtung, dass Ärzte die Verordnung eines Antibiotikums häufig mit Schwere oder Dauer von Symptomen begründeten und virale Infekte im Gespräch oft bagatellisierten.
Fazit: Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte erläutert werden, dass auch virale Infekte schwerwiegend sein können und eine Antibiotikaverordnung sollte klar dargestellt und begründet werden.
Cabral C, Ingram J, Lucas PJ et al: Influence of clinical communication on parents antibiotic expectations for children with respiratory tract infections. Ann Fam Med 2016, DOI: 10.1370/afm.1892.
Symptome ohne Diagnose
Ungefähr ein Drittel aller Beschwerden, die Patienten in die Hausarztpraxis führen, bleiben ohne Diagnose und bessern sich spontan. Eine Querschnittsstudie in Dänemark hat untersucht, ob die Zufriedenheit mit dem Arztbesuch und anhaltende Sorgen um die Gesundheit davon abhängen, ob Patienten eine Diagnose erhalten.
Dazu füllten 2.286 Patienten einen Fragebogen nach der Konsultation aus und 377 Hausärzte machten Angaben zum Beratungsanlass und zu bestehenden chronischen Erkrankungen. Patienten mit Symptomen ohne Diagnose waren unzufriedener und machten sich häufiger Sorgen.
Die Autoren diskutieren, dass dies möglicherweise zu verlängerten Beschwerden und erneuten Arztbesuchen führen könnte.
Fazit: Wenn Patienten keine Diagnose für ihre Beschwerden genannt wird, sind sie unzufriedener mit dem Arztbesuch. Eine klare Erläuterung, dass häufig Symptome auch ohne definitive Diagnose bestehen können und thematisieren möglicher Patientensorgen könnten Ansätze sein, dem entgegenzuwirken.
Rosendal M, Carlsen AH and Rask T: Symptoms as the main problem: a cross-sectional study of patient experience in primary care. BMC Family Practice 2016, DOI: 10.1186/s12875-016-0429-8
Aus den Hochschulen
Nur Hausarzt werden heißt Arzt werden
Was tun Sie, um Studierende für die Hausarztmedizin zu begeistern?
Prof. Thomas Kühlein: Wir versuchen, ihnen eine Vorstellung von klinischer Medizin zu bieten. Statt allein in Pathomechanismen zu denken, wollen wir ihnen beibringen, in empirisch abgesicherten Wahrscheinlichkeiten von Effektstärken zu denken (Evidenz). Sie sollen das kritische Denken der evidenzbasierten Medizin und das hierfür nötige Handwerkszeug lernen. Mit Fällen aus der Allgemeinmedizin zeigen wir, wie man anhand der Evidenz und mit Hilfe der Leitlinien individuell entscheidet. Zusätzlich bieten wir Einstiege in die ärztliche Gesprächsführung. Der Hausarzt ist der letzte wirkliche Arzt in einem Heer von Spezialisten und Technikern. (Nur) Hausarzt werden heißt Arzt werden. Unser instituts-eigenes MVZ bietet den Studierenden einen lebendigen Ort der Anschauung.
Was ist Ihr interessantestes Forschungsprojekt?
Kühlein: Unser übergeordnetes Thema ist die Versorgungsforschung, in der wir uns auf die Verhinderung nutzloser Me- dizin konzentrieren. Fachärztliche Herangehensweisen haben besonders im ambulanten Bereich zu einem Überborden unnötiger Diagnostik mit endlosen Kontrolluntersuchungen und zu oft nutzlosen Therapien geführt. Man spricht von Kaskadeneffekten. Kaskaden verhalten sich wie Lawinen. Einmal losgetreten, sind sie immer schwerer zu stoppen. Hausärzte sitzen am Anfang vieler Kaskaden und kämpfen vielfach verzweifelt darum, diese zu verhindern. Unsere Studienfragen sind: Wo werden Kaskaden ausgelöst? Was hält sie in Gang? Wie kann man Hausärzten helfen, sie zu verhindern?
Prof. Dr. med. Thomas Kühlein leitet das Allgemeinmedizinische Institut der Universität Erlangen seit Oktober 2013
Anmeldung zum Jahreskongress
Der 50. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin in Frankfurt am Main steht vor der Tür. Wer unter anderem bei der feierlichen Eröffnung des Jubiläumskongresses in der geschichtsträchtigen Paulskirche dabei sein möchte, kann sich noch bis zum 31. Juli den Frühbuchertarif sichern: Mitglieder zahlen hier 190 statt 250 Euro und Nichtmitglieder 330 statt 380 Euro. Ärzte in Weiterbildung, MFA und Studierende können zu einem ermäßigten Beitrag am Kongress teilnehmen. Wichtig zu beachten: Anders als bei den vergangenen Kongressen endet die Anmeldung bereits am 22. September 2016. Alle Informationen zu Anmeldung, Programm und Tagungsort unter: www.degam2016.de.