Durchfall bei Kindern ist in der Regel harmlos, kann aber auch ernsthafte Probleme bereiten. Insbesondere kleine Kinder und Säuglinge können bei heftigen Durchfällen dehydrieren und benötigen dann gelegentlich eine stationäre Therapie.
Akuter Durchfall
Etwa 80 Prozent der akuten Durchfallerkrankungen bei Kindern werden durch Viren verursacht. Vorreiter ist hier das Rotavirus, das insbesondere bei Kindern bis zu 2 Jahren schwere Verläufe verursachen kann. In Deutschland erkrankt jedes Kind bis zum 5. Lebensjahr mindestens einmal an einer Rotavirus-Enteritis. Das Haupterkrankungsalter ist das Säuglingsalter vom 6. – 24. Lebensmonat. Vor der Einführung der Rotavirus-Impfung lagen jedes Jahr durchschnittlich 17.600 Kinder (5 von 1.000 Kindern) mit einer Rotavirusinfektion im Krankenhaus. Gestillte Säuglinge erkranken seltener. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben kleine Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen.
Die Inkubationszeit ist, wie bei den meisten viralen Gastroenteritiden, mit ca. 1 – 3 Tagen recht kurz. Die Ausscheidung der Viren kann dagegen über 14 Tage nach Abklingen der Symptome anhalten. Die enorme Resistenz der Viren gegenüber Hygienemaßnahmen wie Desinfektionsmittel macht die Bekämpfung von Ausbrüchen in Einrichtungen so schwierig. Ein Krankenhausaufenthalt kann daher ein Risiko für eine Ansteckung bedeuten.
Rotavirus-Enteritiden beginnen in der Regel mit Bauchschmerzen, Erbrechen, das meist nur kurz andauert, Fieber und Diarrhö. Der Durchfall dauert meist 3 – 5 Tage lang an.
Der zweithäufigste Auslöser von akutem Durchfall bei Kindern ist das Norovirus. Typischerweise beginnt die Norovirus-Erkrankung mit heftigem, schwallartigem Erbrechen. Danach folgt häufig auch wässriger Durchfall.
Neben dem fäkal-oralen Ansteckungsweg kann das Norovirus auch über Aerosole übertragen werden und ist daher für Institutionen noch gefährlicher als das Rotavirus. Das Norovirus wird aus diesem Grund auch in Pflegeheimen sehr gefürchtet und ist zudem einer der häufigsten Verursacher von Brechdurchfallerkrankungen alter Menschen.
Beide Virusarten haben übrigens einen saisonalen Gipfel: Dieser liegt beim Rotavirus im Februar bis April, das Norovirus zeigt sich den gesamten Winter über.
Bakterielle Gastroenteritiden sind bei Kindern deutlich seltener als bei Erwachsenen. Wie bei den Erwachsenen sind auch bei Kindern Salmonellen, Campylobacter, enteropathogene E. coli und Yersinien die häufigsten Auslöser. Die Ansteckung mit diesen Erregern geschieht in der Regel über verunreinigte Lebensmittel (nicht durchgegartes Fleisch, Ei).
Bakteriell verursachte Durchfallerkrankungen sind häufig heftiger und länger andauernd. Bei über 2 – 3 Tage andauerndem Fieber sowie blutigen Stühlen sollte frühzeitig an eine bakterielle infektiöse Gastroenteritis gedacht werden.
Andere Ursachen für akute Durchfälle bei Kindern sind deutlich seltener und betreffen Lebensmittelvergiftungen (z. B. Staphylokkus, Clostridien), antibiotikainduzierte Clostridien-Enteritiden, Protozoen (Lamblien, Entamoeben u. a.) und andere Durchfallviren wie Adeno- oder Astroviren.
Diagnostik
Anamnestische Hinweise sind in der Diagnostik von Durchfallerkrankungen entscheidend. Erfragt werden Durchfallerkrankungen in der Umgebung (Familie, KiTa), Reisen, Medikamente (Antibiotika) in den letzten Wochen, Vorerkrankungen und Ernährungsgewohnheiten (Grillsaison, Rohmilch). Eine Erregerbestimmung ist in der Regel nicht erforderlich und vor allem ohne therapeutische Konsequenzen. Bei schweren Verläufen mit starkem Flüssigkeitsverlust und Fieber empfiehlt sich bei größeren Kindern die laborchemische Elektrolytbestimmung, um eine etwaige Entgleisung gezielt ausgleichen zu können. Kleinere Kinder sollten bei einer Elektrolytentgleisung in eine Klinik eingewiesen werden.
Wenn man den Erreger doch bestimmen will, z. B. weil Kindertageseinrichtungen eine größere Anzahl von Durchfallerkrankungen erleben, ist dies heute in den gängigen Laboren recht zügig für die genannten Erreger möglich. Andere Gründe für eine Erregerbestimmung können sein:
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Beschwerdepersistenz (meist, wenn die Diarrhöen länger als 1 Woche dauern),
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Hinweis auf einen schweren Krankheitsverlauf,
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Hinweise auf eine maligne Grunderkrankung,
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Aufenthalt in den Tropen,
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Immunsuppression (Chemotherapie, HIV, Organtransplantation),
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antibiotische Therapie in den letzten 2 Monaten.
Die wichtigste Diagnostik bei durchfallerkrankten Kindern ist die Beurteilung des Allgemeinzustands des Kindes und des Grades der Austrocknung. Wenn ein Kind afebril ist, keine sehr starken Bauchschmerzen beklagt, munter an der Hand der Mutter das Sprechzimmer betritt und guten Appetit und Durst hat, ist eine Therapie überflüssig. Die Krankheit ist selbstlimitierend, und das Kind darf nach 2 Tagen wieder die KiTa/Schule aufsuchen. Besonderes Augenmerk verlangen aber folgende Situationen:
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Säugling jünger als 6 Monate,
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wiederholtes Erbrechen, Flüssigkeit bleibt nicht drin,
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andere Grunderkrankungen,
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hohes Fieber,
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starke Bauchschmerzen,
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starke Unruhe oder Apathie des Kindes,
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Blut- und/oder Schleimbeimengungen,
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Verschlimmerung des Durchfalls.
Wie ist eine Exsikkose bei Kindern zu erkennen? Viele kennen die Symptome "eingesunkene Fontanelle" oder "stehende Hautfalten". Insbesondere die stehenden Hautfalten kennzeichnen einen extremen Flüssigkeitsverlust, der schon länger besteht. Soweit sollte es in unseren Praxen eigentlich nicht kommen. Es gibt eine Reihe von Symptomen, die schon vorher den Prozess der Austrocknung anzeigen:
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Der erste Blick bei Säuglingen und Kleinkindern gilt der Windel: Ist diese nass mit Urin, wissen wir, dass noch Flüssigkeit aufgenommen und nicht über den Darm ausgeschieden wird.
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Zeigt das Kind Durst? Oder ist es so schlapp oder hochfiebernd, dass es das Trinken verweigert? Das Fieber sollte unbedingt gesenkt werden. Häufig zeigen die Kinder dann wieder Durstverhalten und können oral rehydriert werden.
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Die engmaschige Gewichtskontrolle zeigt uns das Ausmaß des Flüssigkeitsverlusts.
Tabelle 1 zeigt Kriterien zur Bestimmung des Schweregrades der Exsikkose.
Therapie
Die Therapie der Durchfallerkrankung besteht in der Rehydratation des exsikkierten Kindes. Je jünger das Kind und je stärker ausgeprägt die Exsikkose, desto eher ist hierfür eine stationäre Einweisung erforderlich. Ist das Kind in der Lage, zu trinken und Flüssigkeit bei sich zu behalten, ist die orale Rehydratation unter häuslichen Bedingungen in jedem Alter der stationären Behandlung vorzuziehen.
Ziel ist, die verlorene Flüssigkeit und Elektrolyte zu ersetzen. Hierfür gibt es industriell hergestellte Fertigprodukte, die unterschiedliche Zusammensetzungen der Elektrolyt- und Zuckeranteile und unterschiedliche Osmolalitäten aufweisen. Für unsere Breitengrade sind die Lösungen mit einem NaCl-Gehalt zwischen 45 und 60 mmol/l zu favorisieren. Eine solche Elektrolytlösung kann auch selbst hergestellt werden (siehe Rezept links). Die Elektrolytlösung wird den Kindern zum Trinken angeboten. Bei wiederholtem Erbrechen gibt man die Lösung möglichst kalt und löffelweise. Stillkinder sollten zusätzlich weiter gestillt werden.
Frühzeitig, nämlich bereits 4 – 6 Stunden nach der Phase der Rehydratation, sollte den Kindern feste bzw. die gewohnte Flaschennahrung gegeben werden. Die Tee- und Reisschleimdiät früherer Tage hat sich als nicht hilfreich erwiesen – im Gegenteil: Ein rascher Nahrungsaufbau verkürzt die Krankheitsdauer. Auch die spezielle Durchfall-Flaschennahrung ("Heilnahrung") ist aus heutiger Sicht obsolet.
Bei der Wiedereinführung der festen Nahrung bedarf es keiner Gewohnheitsänderung. Lediglich sehr fettige oder süße Nahrungsmittel sollten gemieden werden. Milch dagegen darf sofort wieder getrunken werden. Manchmal fordern Eltern eine besondere Ernährungsberatung oder es empfiehlt sich ein langsamer Kostaufbau, insbesondere bei stärkerem Erbrechen (siehe Vorschläge auf S. 46).
Medikamente
Medikamente, die einen Brechdurchfall beenden oder verkürzen, gibt es nicht. Zur Erleichterung des Vomitus gibt es für Kinder ab 8 kg Körpergewicht Dimenhydrinat als Zäpfchen, das jedoch aufgrund nicht unerheblicher zentralnervöser und anticholinerger Nebenwirkungen nur sehr kontrolliert gegeben werden darf. Das bei Erwachsenen beliebte Medikament Loperamid zur Verkürzung des Durchfalls ist bei Kindern wegen der Gefahr eines Ileus obsolet.
Prophylaxe
Mit der Einführung der Rotavirus-Impfung für Säuglinge ist die Zahl der stationären Einweisungen von Säuglingen und Kleinkindern wegen Rotavirus-Enteritiden gesunken. Infektiöse Gastroenteritiden sind insbesondere für die zunehmende institutionelle Betreuung von Kleinkindern von großer Bedeutung. Wegen der schwierigen Bekämpfung der Viren ist die Wiederzulassung von erkrankten Kindern in Gemeinschaftseinrichtungen erst 2 Tage nach dem Abklingen der Symptome möglich.
Entscheidend in der Prophylaxe ist die Händehygiene. Untersuchungen haben gezeigt, dass in Betreuungseinrichtungen, in denen konsequentes Händewaschen der Kinder vor den Mahlzeiten und nach Toilettengängen durchgesetzt wurde, die Rate an Durchfallerkrankungen um 30 Prozent gesenkt werden konnte. Hausärzte sollten Eltern diesbezüglich unbedingt informieren und auch zu entsprechenden Maßnahmen im häuslichen Umfeld raten. Das sorgfältige Händewaschen ist erheblich effektiver als die Desinfektion der Toilette.
Chronischer Durchfall
Nach einer akuten Durchfallerkrankung sind nicht selten die Stuhlgewohnheiten über einen längeren Zeitraum verändert. Wenn das Kind bei gutem Allgemeinbefinden ist, muss man nicht intervenieren und sollte die Eltern beruhigen. Es empfiehlt sich gelegentlich auch bei sehr besorgten Eltern, den krankhaften Durchfall genau zu definieren und von individuellen nicht krankmachenden Stuhlgewohnheiten zu unterscheiden.
Abklärungsbedarf gibt es hingegen, wenn ein Kind immer wieder Durchfälle hat, verbunden mit krampfartigen Bauchschmerzen, möglicherweise Gewichtsverlust und Hinfälligkeit. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, insbesondere Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, beginnen in bis zu 25 Prozent aller Fälle im Alter unter 18 Jahren. Das Hauptmanifestationsalter liegt bei 12 – 14 Jahren. Auch Mukoviszidose, Zöliakie und andere chronische Erkrankungen können mit chronisch rezidivierenden Durchfällen einhergehen. Hier führen Laboruntersuchungen (BSG, CRP, Gliadin-AK, Calprotectin im Stuhl u. a.) weiter.
Fazit
Akute Durchfallerkrankungen bei Kindern sicher erkennen und behandeln:
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Stationäre Einweisung bei sehr kleinen Kindern und Säuglingen mit Exsikkosezeichen.
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Orale Rehydrierung zuhause in der Regel gut möglich.
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Schnelle Realimentation, keine tagelange Schonkost.
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Cola ist obsolet!
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Handhygiene ist die wichtigste Prophylaxe.
Definition Durchfall
Von Durchfall spricht man, wenn die Stuhlfrequenz deutlich erhöht ist (3 – 5 x / Tag), die Stuhlkonsistenz deutlich verändert ist (breiig bis wässrig, Wassergehalt > 75 Prozent) und dieses sich über mehrere Tage hinzieht. Akuter Durchfall kann bis zu 2 Wochen andauern.
Elektrolytlösung zur oralen Rehydratation
1l Fencheltee oder dünner Schwarztee
¾ Teelöffel Salz
4 Esslöffel Zucker
1 Teelöffel Backpulver
1 Tasse Orangensaft
Schonender Kostaufbau nach Durchfallerkrankungen
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Geriebener Apfel
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Banane
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Brühe
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Zwieback
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Kartoffelbrei mit Wasser
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Kakao mit Wasser
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Trockenes Brötchen mit Marmelade
Literatur bei der Verfasserin. Mögliche Interessenkonflikte: keine
Ausschuss Pädiatrische Versorgung, Vorsitzender: Dr. Rolf Thelen, Kontakt: dr. rolf.thelen@t-online.de