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Praxis WissenMigranten: Wenn schlummernde Erreger erwachen

Die erste Diagnose bei der älteren Afrikanerin ist schnell gestellt: Leukämie. Doch die Bauchschmerzen kehren in anderer Form wieder. Eine Folge der Therapie, wie die Ärzte der Malteser Migranten Medizin in Augsburg herausfinden.

Es war nach dem Tsunami 2004, als sich die Augsburger Hilfsorganisationen im Rathaus zusammen fanden, um Hilfe zu koordinieren. Dort lernte ich den Geschäftsführer Günter Gsottberger von den Maltesern in Augsburg kennen. Daraus sollte sich später die Malteser Migranten Medizin ergeben. Nach meiner Rückkehr aus meinem ärztlichen Einsatz im Tsunami-Gebiet in Sri Lanka, dauerte es jedoch noch einige Zeit, bis alles spruchreif war.

Schwierige Fragen mussten geklärt werden wie die strafrechtliche Situation bei Patienten ohne gültigen Aufenthaltsstatus. Sie heißen in Deutschland umgangssprachlich "Illegale". Wie würden Menschen zu uns Vertrauen haben können? Wie könnten sie über uns erfahren? Würden die Krankenhäuser mitmachen? Wo könnten wir die notwendigen Mittel her bekommen? Nachdem dies alles geklärt war, begannen wir im März 2009 mit der Arbeit in unserer Malteser Migranten Medizin (MMM). Da ich Erfahrungen als Arzt in Afrika und Südostasien mitbringe, fühlte ich mich meiner Aufgabe von Anfang an gewachsen. Trotzdem waren wir alle gespannt. Die offizielle MMM-Sprechstunde ist in Augsburg jeweils mittwochs von elf bis 13 Uhr.

Immer wieder haben wir seitdem ergreifenden und berührenden Kontakt mit Menschen und Schicksalen aus der ganzen Welt – wie die beiden beschriebenen Fälle zeigen. Es gibt Schmerzendes wie Ermutigendes in der Arbeit für die MMM. Ich, auf der Sonnenseite des Lebens, bin sehr dankbar, helfen zu dürfen und zu können.

Kasuistik 1

Anamnese ❶: Eine Familie aus Kamerun (Großmutter, Tochter, Enkelin) kam in die MMM-Sprechstunde. Vor Jahren war ich dort selbst, das erleichterte den Kontakt. Alle drei waren verzweifelt und weinten. Die Großmutter war zum dritten Mal mit einem Touristenvisum eingereist, das für drei Monate gültig war. Dazu musste sie zwar eine Reiseversicherung abschließen, die aber nur begrenzt versichert. So ist etwa eine chronische Erkrankung nicht abgedeckt. Die Patientin war wenige Tage zuvor mit erheblichen Bauchschmerzen eingewiesen worden.

Diagnose ❶: Die Sonographie zeigte eine auf 18 cm vergrößerte Milz und eine erhebliche Anämie (Hämoglobinwert von 7,6). Die Klinik stellte einen dringenden Verdacht auf Leukämie fest.

Therapie ❶: Die Klinik erklärte der Großmutter, dass ihre Versicherung die Behandlung nicht bezahlt und entließ sie.

Verlauf: Die Familie war empört und verzweifelt. Hinzu kam, dass die Ausländerbehörde die Afrikanerin zur Ausreise aufgefordert hatte. Auch wir in der MMM waren geschockt, weil wir dies nicht mit unserem humanitären Verständnis in Einklang bringen konnten. Da wir dies nicht hinnehmen wollten, entwickelten wir einen Plan. Dabei ging es darum:

  • einen geeigneten, ehrenamtlichen Hämatologen zu finden,

  • differenzierte Befunde zu erheben,

  • eine Diagnose und eine Therapieoption zu finden,

  • die diesbezüglichen Kosten herauszufinden und das Geld zu beschaffen,

  • die Ausländerbehörde für einen die Behandlung ermöglichenden Ausreisetermin zu gewinnen.

Ein engagierter Hämatologe war schnell gefunden, ebenso eine Klinik für die stationäre Behandlung. Die Diagnose "Leukämie" wurde gesichert und ein Behandlungsplan erstellt. Allerdings kostete die Chemotherapie, die Heilung versprach, 25.000 Euro. Ein pharma-zeutisches Unternehmen stellte das Medikament kostenfrei zur Verfügung. Alle arbeiteten ohne Honorar. Der Patientin ging es Woche für Woche besser.

Anamnese ❷: Nach zwei Monaten traten wieder Bauchschmerzen auf, die sich aber anders anfühlten. Die Patientin wurde erneut schwach und wurde stationär behandelt. Wieder mit einer Anämie.

Diagnose ❷: Wir konnten uns zunächst keinen Reim darauf machen. Ein findiger Kollege hatte dann die zündende Idee: Die Patientin kam aus Schwarzafrika. Vielleicht hatte sie eine alte und chronisch schlummernde Malaria, welche die Chemotherapie reaktiviert hatte. Das stellte sich als zutreffend heraus.

Therapie ❷: Diese Form der afrikanischen Malaria ließ sich mit Doxycyclin gut behandeln. So ging es ihr zügig besser und sie konnte nach Hause reisen.

Kommentar:Bei der Diagnose sollte man immer das Herkunftsland der Patienten im Blick haben, auch wenn sie schon länger in Deutschland leben. Erfragt werden sollten auch Religion, sozialer, gesellschaftlicher und kultureller Status sowie seine Philosophie (Voodoo, Ahnenkult, etc.).

Menschen in Malariagebieten erkranken häufig an Malaria und entwickeln Antikörper, so dass es bei einer erneuten Infektion nur noch zu geringen oder keinen Symptomen kommt. Die Erreger, Plasmodien, "schlummern" dann zwar in einem der Organe des Plasmodienkreislaufs im Körper. Aber durch eine Immunschwäche oder durch eine Immunität schwächende Behandlung können sie wieder "virulent" werden. Die Krankheit bricht aus.

Kasuistik 2

Anamnese: Ein 32-jähriger Bulgare besaß weder Aufenthaltsgenehmigung noch Arbeitserlaubnis. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, als er zur Tür herein kam und hustete.

Diagnose: Ich kontaktierte einen Pneumologen aus meinem MMM-Netzwerk. Er diagnostizierte eine offene Tuberkulose.

Therapie: Daraufhin wurde er acht Monate stationär behandelt.

Kommentar: Zum Glück wurde die Diagnose schnell gestellt und der Patient erhielt so zeitnah eine Therapie. Denn wer weiß, wie viele Kontaktpersonen er vielleicht angesteckt hätte? Besonders, weil der Patient wenig später Vater werden sollte und bei Kleinkindern bekanntlich das Infektionsrisiko deutlich höher ist als bei gesunden Erwachsenen. Laut Robert Koch-Institut liegt bei Kleinkindern das Risiko, zeitnah zur Infektion eine aktive Tuberkulose zu entwickeln, zwischen 20 und 40 Prozent.

Von der bevorstehenden Vaterschaft wussten wir nur, da auch die Mutter uns Wochen vorher aufgesucht hatte. Ihr Arbeitgeber hatte sie nicht angemeldet, so dass sie nicht versichert war. Und er hatte ihr den Lohn nicht ausbezahlt, so dass sie ihre Miete nicht bezahlen konnte. Sie war also mittellos, schwanger und ohne Krankenversicherung. Zum Glück konnten wir helfen: Wir stellten den Kontakt zum Frauenhaus her, wo sie am gleichen Tag aufgenommen wurde. Eine MMM-Gynäkologin übernahm ehrenamtlich die Schwangerschaftsbetreuung und die Entbindung konnten wir mit einer Geburtsklinik organisieren.

Malaria

Man unterscheidet vier Formen – Malaria tropica, tertiana, quartana sowie Plasmodium knowlesi Malaria. Nach Deutschland mitgebrachte Infektionen sind überwiegend Fälle von Malaria tropica (75 Prozent). Dreiviertel der Infektionen werden aus Afrika importiert, heißt es in der S1-Leitlinie "Diagnostik und Therapie der Malaria". Am wichtigsten ist demnach die Malaria tropica (Falciparum-Malaria), da diese schnell lebensbedrohlich werden kann.

Bei der Diagnose sollte bei jedem Fieber bis zu vier Monate, nachdem derjenige aus einem Malariagebiet wiedergekommen ist, eine Malaria tropica ausgeschlossen werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt auch rezidivierendem Fieber alle 48 oder 72 Stunden. Bei Migranten sollte bei jedem unklaren Fieber an Malaria gedacht werden, heißt es in der Leitlinie. Immer zu beachten:

  • Die Diagnostik der Malaria ist unabhängig davon, ob nur ein monosymptomatisches Fieber vorliegt oder ein Fieber mit Begleitsymptomen.

  • Der Fiebertyp spielt bei der Malaria tropica (Falciparum-Malaria) keine Rolle, das Fieber kann völlig unregelmäßig verlaufen.

  • Häufige weitere Symptome sind Kopf-, Glieder- und Rückenschmerzen; auch Durchfälle mit Fieber sind nicht selten ein Symptom der Malaria.

  • Labordiagnostisch sind eine Thrombozytopenie und/oder ein erhöhter LDH-Wert charakteristisch, jedoch nicht obligat. Eine Anämie ist ebenfalls zu Beginn der Erkrankung nicht obligat.

  • Bei Patienten aus Malaria-Endemiegebieten mit Fieber ist zu bedenken, dass eine asymptomatische Parasitämie vorliegen kann, welche nicht die Ursache der aktuellen Symptomatik ist. Andere Fieberursachen müssen ausgeschlossen werden.

  • Eine korrekt durchgeführte medikamentöse Malariaprophylaxe oder das Nichtbemerken von Mückenstichen im Reiseland schließen die Möglichkeit einer Malaria nicht aus.

  • Familienangehörige von Patienten, die sich ebenfalls im Malaria-Endemiegebiet aufgehalten haben, sollten darauf hingewiesen werden, dass sie ebenfalls malariagefährdet sind.

Quelle: Leitlinie Diagnostik und Therapie der Malaria der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit

Malteser Migranten Medizin

Hier finden Menschen ohne Krankenversicherung einen ehrenamtlichen Arzt, der die Erst- und Notfallversorgung bei plötzlicher Erkrankung, Verletzung oder Schwangerschaft übernimmt. Die MMM gibt es bundesweit in 16 Städten. Die Hilfe wird allein aus Spenden finanziert. Spendenkonto:

Malteser Hilfsdienst e.V., Pax Bank

IBAN: DE10370601201201200012

Stichwort: "Migranten Medizin MMM"

www.malteser-migranten-medizin.de

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