Welches TSH ist normal?
Ab welchem TSH-Wert liegt eine klinisch relevante Schilddrüsenfunktionsstörung vor? Diese Frage wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert und zwar sowohl bei grenzwertig erniedrigten als auch bei grenzwertig erhöhten Werten. Konkret geht es darum, ob, wann und warum eine latente Hypo- bzw. Hyperthyreose behandelt werden sollte? Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass der TSH-Referenzbereich nicht nur von Assay-spezifischen Faktoren sondern auch von Alter, Geschlecht, Rasse und der Jodversorgung beeinflusst wird. Auch schwankt der TSH-Wert intraindividuell, so dass bei leichten Abweichungen immer zunächst eine Kontrolle durchgeführt werden sollte. Auch muss man wissen, welcher TSH-Referenzbereich für den jeweiligen Patienten gilt, wobei die Werte vor allem altersadjustiert sein sollten.
Eine altersabhängige Justierung der TSH-Werte nach oben beinhaltet jedoch die Gefahr, dass eine inapparente Schilddrüsenautoimmunität nicht erkannt wird. Andererseits sollten leicht erhöhte oder leicht erniedrigte TSH-Werte außerhalb eines Laborreferenzbereiches nicht automatisch als krankhaft fehlinterpretiert werden. So hat die vor ca. 10 Jahren propagierte Absenkung des oberen TSH-Referenzbereichs dazu geführt, dass schon bei TSH-Werten ab 2,5 mU/l eine latente Hypothyreose diagnostiziert und bei völlig gesunden Menschen eine Schilddrüsenhormonsubstitution eingeleitet wird. Doch gibt es bisher keine Evidenz dafür, dass ein solcher TSH-Wert mit einem erhöhten Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis assoziiert ist, so dass aus kardialer Sicht keine Substitution gerechtfertigt erscheint. Auch die Assoziation zwischen einer latenten Hyper- oder Hypothyreose und Osteoporose erscheint nach neueren Studienergebnissen nicht besonders ausgeprägt und somit von fraglicher Kausalität. Dasselbe gilt auch für kognitive Einschränkungen; denn in einer großen Metaanalyse ergab sich keinerlei Assoziation zwischen einer grenzwertigen Schilddrüsenunterfunktion und einer zerebralen Einschränkung.
Die Sorge vor einer Demenz ist somit keine Indikation für die Verordnung von Levothyroxin. Deshalb sollte man Menschen mit einem leicht erhöhten TSH-Wert nicht durch die Gabe eines Medikaments unnötig krank machen, sondern erst ab einem TSH-Wert > 10 mU/l die Indikation zur Substitution mit Levothyroxin stellen. Ausnahmen sind Schwangerschaft oder Kinderwunsch. In diesen Situationen sollte vorübergehend ein TSH-Wert zwischen 0,5 und 2,5 mU/l bzw. ab dem 2. Trimenon ein Wert < 3,0 mU/l angestrebt werden.
*Quelle: Praxis Update in Köln"