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Praxis WissenUmstellungen an der Schnittstelle

Jeder Hausarzt nutzt sie, hat aber wahrscheinlich noch nicht von ihnen gehört: LUER-Systeme. Sie sind universelle Verbindungsstücke, zum Beispiel für Spritzen und Kanülen. Da die Verwechslungsgefahr zu groß ist, müssen Kliniken, Pflegeheime und Arztpraxen jetzt zu neuen Verbindern wechseln. Die gute Nachricht für Hausärzte: Für intravenöse oder hypodermale Anwendungen, etwa Blut abnehmen oder Impfen, bleiben die alten Verbinder bestehen.

Luer-Systeme verbinden Spritzen und Kanülen, sie passen auf Katheter, auf Infusionsschläuche und kommen auch bei aufblasbaren Manschetten zum Einsatz. Die universell anwendbaren Konnektoren gehören zur Ausstattung in jeder Vertragsarztpraxis. Dennoch wissen viele Ärzte offenbar noch nicht, dass sie sich von dem bisherigen Verbinder-System verabschieden und auf neue Produkte umstellen müssen, vermutet Thilo Künnemann. Der Wissenschaftler vom Zentrum für Ergonomie und Medizintechnik an der Fachhochschule Münster unterstützt auf Anfrage unter der E-Mail erfahrung-luer-umstellung@ aps-ev.de bei der Umstellung auf die neue Normreihe. „Die Zahl der Anfragen von niedergelassenen Ärzten ist bislang übersichtlich. Vor allem Kliniken und Rettungsdienste haben unser Angebot genutzt. Offenbar warten viele Ärzte noch mit der Umstellung“, sagt Künnemann.

Dass die Luer-Verbinder ähnlich aufgebaut und vielseitig einsetzbar sind, brachte sie in Verruf. Denn Verwechslungen sind dadurch nicht ausgeschlossen. Mit Luer-Verbindern können beispielsweise venös zu injizierende Medikamente fälschlicherweise spinal appliziert werden. Dann droht den Patienten jedoch ein gesundheitlicher, in Einzelfällen sogar ein lebensbedrohlicher Schaden. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) weist auf 34 Fallstudien von 1972 bis 2000 hin, in denen 116 Fehlverbindungen und 21 vermeidbare Todesfälle aufgelistet sind. Eine neue Normreihe soll diese Gefahr nun mindern. Die Industrie wurde als Teil des Risikomanagements verpflichtet, die Luer-Verbindungen vom Markt zu nehmen und neue, spezifische Konnektoren für unterschiedliche Anwendungen zu entwickeln. Die Hersteller geben demnach bei der Umstellung den Takt vor. „Die Hersteller sind intensiv dabei, neue Konnektoren nach DIN EN ISO 80369 in Verkehr zu bringen. Besonders der Bereich der enteralen Ernährung wandelt sich zurzeit stark“, berichtet Künnemann. Einige große Hersteller von Medizinprodukten würden bereits ausschließlich Produkte mit dem neuen ISO-Standard liefern. „Auch die neuroaxialen Verbinder mit dem neuen ISO-Standard sowie neu entwickelte Konnektoren für aufblasbare Manschetten werden in der Produktion zügig folgen“, schätzt er.

Haftungsrisiko bei fehlerhaften Verbindern

Die Konnektoren sind so etwas wie greifbare Schnittstellen entlang des Behandlungspfades der Patienten. Egal ob Apotheke, Arztpraxis, Rettungsdienste, Einkaufsgemeinschaften, Kliniken oder Pflegeheime – nahezu alle Akteure im Gesundheitswesen werden sich irgendwann mit dem Thema befassen müssen. Sollten Gesundheitseinrichtungen künftig dennoch Verbindertypen einsetzen, die nicht der DIN EN ISO 80369 entsprechen, gehen sie ein großes Haftungsrisiko ein. „Falls es zu einer fehlerhaften Konnektierung kommt, werden die Beteiligten in Gerichtsprozessen erklären müssen, warum sie nicht die vertauschungssicheren Konnektoren benutzt haben“, sagt Künnemann. Als Betreiber der Medizinprodukte stehen dann auch die Ärzte mit in der Verantwortung. Niedergelassenen Ärzten empfiehlt Künnemann daher, sich auf Basis des Leitfadens „Hilfestellung zur Umstellung von Luer-Verbindern auf neue verwechslungssichere Verbinder“ in die Thematik einzuarbeiten. Die Broschüre hat er gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit erstellt. Schritt für Schritt wird darin erklärt, wie der Veränderungsprozess erfolgreich gestaltet werden kann.

Umstellung in drei Schritten

Speziell niedergelassenen Ärzten rät er, zu Beginn zusammen mit dem Praxisteam eine Bestandsaufnahme zu machen.

  1. Zu klären ist dabei, welche Behandlungen häufi g vorkommen und welche Großgeräte dabei genutzt werden. Sofern dazu austauschbare Konnektoren gebraucht werden, kann eine Umrüstung der Technik nötig sein. Betroffen von der Umstellung sind bislang Verbindungsstücke
  1. Als zweiten Schritt sollte man den Patientenstamm prüfen, um so jene Patienten zu identifizieren, die dauerhaft entsprechende Medizinprodukte brauchen, besonders langjährig anzuwendende Produkte wie beispielsweise eine Magensonde.

„Hilfreich kann es sein, eine Liste mit den Namen der Patienten und den Medizinprodukten zu erstellen. So hat man die notwendigen Daten griffbereit, um einen Austausch der Technik möglichst reibungslos steuern zu können“, sagt Künnemann. Auch bei Patienten, die im häuslichen Umfeld oder im Pfl egeheim versorgt werden, sollte geprüft werden, ob deren Behandlung eventuell eine besondere Technik erfordert und daher umzustellen ist.

  1. In einem weiteren Schritt muss dann das Netzwerk rund um die Praxis bedacht werden. Wenn beispielsweise die Umstellung in der Belegklinik schon weit vorangeschritten ist, muss auch die Praxis nachziehen.

Um für alle Fälle gewappnet zu sein, sollten sowohl die neuen Konnektoren wie auch ein Satz mit alten Verbindern vorrätig sein. „Es muss vermieden werden, dass Patienten schlecht oder gar nicht versorgt werden können, weil an der einen Stelle nur noch mit dem neuen System gearbeitet wird, an der anderen Stelle in der Ausstattung jedoch noch alles beim Alten ist“, erklärt Künnemann.

Leitfaden der APS: https://hausarzt.link/R8L7m

Hilfe bei der Umstellung leistet das Zentrum für Ergonomie und Medizintechnik der FH Münster: erfahrung-luer-umstellung@aps-ev.de

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