Kasuistik
Anamnese: Herr G., 77 Jahre alt, stellt sich gegen 16 Uhr akut beim Hausarzt vor, weil er bei üblicher Trinkmenge (ca. zwei Liter/Tag) seit dem Vorabend die Blase nicht mehr entleeren konnte; letzte Blasenentleerung vor 20 Stunden. Er spürt einen zunehmenden Druck, hat aber noch erträgliche Schmerzen. Dauermedikation: ASS, AT1-Blocker, Metformin und Pravastatin. Nikotin: hat nie geraucht. Alkohol: eine Flasche Bier/Tag, selten mehr, gestern ausnahmsweise drei Flaschen.
Befund: 77-jähriger Mann in gutem AEZ. Haut und sichtbare Schleimhäute ausreichend durchblutet, keine Zyanose, keine Dyspnoe. Herz und Lunge klinisch unauffällig. RR 140/75 mmHg, HF 84/Min, Abdomen weich, im Unterbauch gespannt, druckempfindlich; suprapubisch tastbare fluktuierende Schwellung. Nierenlager frei. Rektale Untersuchung: kein Blut. Prostata deutlich vergrößert, keine tastbare Knotenbildung.
Sono: Oberbauchorgane, soweit beurteilbar, unauffällig. Die Blase ist mit Flüssigkeit gefüllt und reicht weit nach kranial. Blasenvolumen sonografisch ca. 1.100 ml, keine erkennbaren groben Wandunregelmäßigkeiten. Die Prostata stellt sich diffus vergrößert bei homogenem Echomuster dar.
Diagnose: Aufgrund der Vorgeschichte und der Untersuchungsbefunde stellt der Hausarzt einen akuten Harnverhalt bei klinisch diagnostizierter Prostatahypertrophie fest.
Therapie: Bei prallgefüllter Harnblase und stabilem Kreislauf legt der Hausarzt einen Einmalkatheter, was aufgrund der Prostatavergrößerung schwierig ist. Er lässt in drei Portionen 1.100 ml Urin ab. Herr G. spürt danach eine spontane Erleichterung. Am Folgetag stellt er sich bei einem Urologen vor, um das weitere Prozedere hinsichtlich der Prostata zu entscheiden.
Abrechnung
Bei plötzlichem Harnverhalt wie bei Herrn G. bietet die GOÄ für Hausärzte mehr Optionen als der EBM, besonders was das Legen eines Harnkatheters angeht.
EBM
Kommt Herr G. zum ersten Mal im Quartal in die Praxis, kann der Hausarzt die Versichertenpauschale (GOP 03000) abrechnen und zusätzlich bei bekannter Hypertonie die Chronikerpauschale (GOP 03221). Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) fügt die Pauschalen 03040, 03060, 03061 und 32001 automatisch hinzu.
Bei der sonografischen Untersuchung kann indikationsabhängig die GOP 33042 oder 33043 abgerechnet werden. Aus dem Katheterurin führt der Hausarzt einen Harnstreifentest (GOP 32030) durch, untersucht das Sediment (GOP 32031) und legt einen Eintauchnährboden an (GOP 32151). Die Einmal-Katheterisierung kann der Hausarzt im EBM aber nicht als Einzelleistung abrechnen.
GOÄ
Bei GOÄ-Abrechnung kann man neben der Beratung (Nr. 1) eine Untersuchung des Abdomens in Rechnung stellen (Nr. 7), zusätzlich die rektale Untersuchung (Nr. 11). Die Sonografie wird für das erste untersuchte Organ mit der Nr. 410 abgerechnet, drei weitere indizierte Organe jeweils mit der Nr. 420. Anders als im EBM kann der Hausarzt nun auch die Einmal-Katheterisierung der Harnblase (Nr. 1728) berechnen. Der Streifentest wird mit der Nr. 3511, das Sediment mit der Nr. 3531 abgerechnet, der Eintauchnährboden mit der Nr. 4605.
HZV
Aufgrund der Vielfalt der HZV-Verträge wird hier exemplarisch der IKK classic-Vertrag genannt. Dabei kann der Hausarzt die Pauschale P1 oder P2 abrechnen, im vorliegenden Fall ebenfalls die Chronikerpauschale P3 sowie den VERAH-Zuschlag Z2 (zu jeder abgerechneten P3). Bei den Sonderleistungen muss der Hausarzt die GOP 32151 (Eintauchnährboden) über die KV abrechnen. Sonografische Untersuchung: Die GOP 33042 wird als Einzelleistung vergütet, die GOP 33043 wäre in der Pauschale enthalten. Auch die Katheterisierung ist hier nicht abrechenbar.
Schwerpunkt: Katheterisierung der Harnblase
Das Legen eines Einmalkatheters gibt es im EBM nicht als Einzelleistung und ist für Hausärzte in der Versichertenpauschale enthalten. Lediglich für das Legen eines Blasenfistelkatheters (GOP 02321/126 Punkte/13,42 Euro), den Wechsel oder das Entfernen (GOP 03222/51 Punkte/5,43 Euro) sowie Legen oder Wechsel eines transurethralen Dauerkatheters (GOP 03223/69 Punkte/ 7,35 Euro) sind Ziffern vorhanden. Diese können Hausärzte aber nur im Notfalldienst als Einzelleistung abrechnen, da sie sonst in der Versichertenpauschale enthalten sind.
Bei HZV-Abrechnung gelten grundsätzlich dieselben Einschränkungen. Auch hier ist das Einmalkatheterisieren nicht als Einzelleistung abrechenbar.
In der GOÄ dagegen gibt es gesonderte als Einzelleistung abrechenbare Positionen für die
- Katheterisierung der Harnblase (Männer: Nr. 1728/59 P./3,44 Euro; Frauen: Nr. 1730/37 P./2,16 Euro),
- Katheterisierung samt Spülung (Männer: 1729/104 P./6,06 Euro; Frauen: Nr. 1731/74 P./4,31 Euro),
- Einlegen eines Verweilkatheters (Nr. 1732/74 P./4,31 Euro) und
- Spülung der Harnblase bei liegendem Verweilkatheter (Nr. 1733/40 P./2,33 Euro), jedoch nicht neben der Nr. 1732.
Den Wechsel eines Blasenfistelkatheters kann man analog mit der Nr. A 1833 (237 P./13,81 Euro) abrechnen, die alleinige Entfernung desselben ebenfalls analog mit der Nr. 2007 (40 P./2,33 Euro).
Zu all diesen Leistungspositionen kann man zusätzlich anfallende Sachkosten gemäß Paragraf 10 GOÄ in Rechnung stellen.
Quellen: hausarzt.link/f8zTh(EBM); hausarzt.link/eNZRR(GOÄ);hausarzt.link/01BC2(HZV)