Bei einigen Vorstellungen kann Dr. Markus Plantholz nur den Kopf schütteln. “Wenn Ärzte im Juni zu uns in die Kanzlei kommen und sagen, dass sie ihre Praxis zum Jahresende übergeben wollen, ist das schlichtweg zu kurz gedacht”, betont der Fachanwalt. In keinem anderen Bereich sei die Planung so wichtig wie dann, wenn es zur Praxisabgabe kommt. Denn nicht zuletzt zwei Sitzungen des Zulassungsausschusses seien nötig, um – neben dem Praxisverkauf – auch die Fortführung des Arztsitzes abzuschließen: In der ersten Sitzung entscheidet der Ausschuss, ob die Zulassung wirklich versorgungsnotwendig ist, in der zweiten dann über die konkrete Übernahme. “Eine hohe Zahl an Patienten, die in die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) eingeschrieben sind, kann dabei auch eine Versorgungsnotwendigkeit begründen”, erklärt Plantholz. Sein Tipp: Auf diese HZV-Patienten sollten Praxisabgeber über das entsprechende KV-Formular hinaus gesondert hinweisen.
Während Plantholz als Gast des Hausärzteverbandes Hamburg über die Praxisübernahme spricht, ist der Tagungsraum bis auf den letzten Platz gefüllt. “Viele Mitglieder wenden sich direkt mit Fragen rund um die Praxisübernahme an uns”, erklärt Nicole Bongard, Geschäftsführerin des Hausärzteverbandes Hamburg. Wie andere Landesverbände bietet auch Hamburg daher regelmäßig Informationsveranstaltungen zum Thema an.
Dass der Bedarf an Informationen rund um das Thema Praxisabgabe groß ist, zeigen – hier am Beispiel Hamburgs – nicht zuletzt die Zahlen: 522 Ärzte in der Hansestadt sind laut Daten der KV älter als 50, 323 älter als 60. 73 hätten gar das 70. Lebensjahr überschritten, erklärt Bongard zur Begrüßung. Der Blick auf die Unter-40-Jährigen verleiht dem Thema Praxisübernahme besondere Dringlichkeit: Nur 80 Ärzte zähle die KV. “Es ist daher wichtig, mit solchen Informationen den Weg zu ebnen”, erklärt Bongard.
Jobsharing als Übergang?
Wenn kein Nachfolger in den Startlöchern steht, kann das für Praxisabgeber Probleme bringen. Denn wenn jemand nur die Zulassung und nicht den Praxissitz übernehmen will, bleibt der Inhaber auf den bestehenden Miet- und Personalverträgen sitzen. Daher sei es wichtig, dass Praxisabgeber bereits vor dem Eintritt in die Praxisabgabe den Nachfolger benennen können, betont Plantholz. “Ausschreiben und gucken ist immer die schlechteste Lösung.”
Wie genau der Übernahmeprozess gestaltet werden kann, ist dabei eine individuelle Entscheidung. So könne etwa das Jobsharing ein guter Weg sein, den Praxisgewinn nicht zu sehr herunterzufahren – hierauf fußt schließlich die Wertermittlung (s. Seite 24) –, gleichzeitig aber die Übernahme vorzubereiten. “Aus eigener Erfahrung werden Jobsharing-Partner privilegiert behandelt, wenn der Zulassungsausschuss entscheidet.”
Ganz gleich, ob sich Praxisabgeber und Nachfolger bereits kennen – etwa durch die Weiterbildungszeit – oder erst gezielt für die Praxisübernahme zueinander finden: Offenheit ist in dem Prozess ebenso wichtig wie die frühe Planung. “Viele Praxisinhaber wissen gar nicht so recht, worauf es bei der Abgabe ankommt”, beobachtet Jan Oltrogge, der im Forum Weiterbildung des Deutschen Hausärzteverbandes aktiv ist. “Wir wünschen uns daher, dass es mehr Angebote zur Information – wie etwa in Hamburg – gibt und dass sich Praxisinhaber deutlich früher mit dem Thema beschäftigen.” (s. S. 20) Das Forum Weiterbildung erarbeitet aktuell ein Positionspapier rund um die eigene Niederlassung und damit auch Praxisübernahme, das im April verabschiedet werden soll.
Der offene und vertrauliche Umgang von Praxisinhaber und Nachfolger ist dabei ein zentrales Thema – etwa beim Umgang mit Zahlen. “Ich würde mir wünschen, dass Praxisabgeber offener mit ihren Zahlen umgehen”, sagt in Hamburg etwa eine junge Ärztin, die sich – aktuell noch in der Klinik angestellt – gern niederlassen möchte. “Je sorgfältiger und transparenter die Praxisbewertung, desto besser ist die Vermarktung möglich”, bestätigt Fachanwalt Plantholz.
Künftiges Nebeneinander regeln
Nicht zuletzt im Praxisübergabevertrag stoßen noch einmal Interessen von “Alt” und “Neu” aufeinander, beobachtet Christoph von Drachenfels, Fachanwalt in Mülheim an der Ruhr, oft. “Der Praxisabgeber möchte die Zahlungsmodalitäten am liebsten mit der Sitzung des Zulassungsausschusses abgeschlossen haben. Doch der Praxisübernehmer weist dann zurecht darauf hin, dass die Entscheidung mit der Sitzung ja noch nicht gefallen ist”, weiß er. Der Bescheid des Zulassungsausschusses brauche in der Regel drei Wochen, anschließend gelte die Rechtsmittelfrist von vier Wochen. Der Fachanwalt rät daher zu einer Bürgschaft oder dazu, das Geld zur Sicherheit für beide Seiten auf einem Konto zu “parken”.
Wichtig in dem Übergabevertrag ist schließlich auch das künftige Nebeneinander von Praxisabgeber und Nachfolger: Er rät dazu, ein Rückkehrverbot für den abgebenden Arzt aufzunehmen. Denn anknüpfend an den ideellen Wert der Praxis könne es für den neuen Praxisinhaber von Nachteil sein, wenn der Vorgänger im Nachbarort Sprechstunden in Teilzeit anbietet. “Im hausärztlichen Versorgungsbereich würde ich mindestens einen Radius von zwei bis drei Kilometer wahren”, empfiehlt von Drachenfels. Planung, meint der Anwalt, sei eben auch für den Praxisübernehmer beim Start in die eigene Niederlassung das A und O. J. Kötter
Die Sicht der potenziellen Nachfolger: “Der frühe Kontakt ist wichtig”
Eine Einschätzung des Forums Weiterbildung im Deutschen Hausärzteverband
In Gesprächen mit Kollegen, die vor der Abgabe ihrer Praxis stehen, beobachten wir immer wieder, dass das Thema gefühlt noch weit entfernt ist. Fundierte Informationen fehlen und eine nahtlose Praxisübernahme ist häufig dadurch erschwert, dass die Voraussetzungen für die reibungslose Übergabe zu spät und intransparent bekannt werden. Hier wünschen wir uns Unterstützung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV): Sie können eine frühzeitige Kontaktvermittlung zwischen Praxisübernehmern und -abgebern unterstützen und so nicht zuletzt den Versorgungsauftrag sichern. Hierzu zählen auch gepflegte Praxisbörsen sowie transparente, hausarztspezifische Beratungsangebote bei Übergabeverhandlungen von Kassensitzen.
Ebenso wichtig wie gute Informationen sind frühe Informationen: Für beide Seiten ist ausreichend Zeit im Übernahmeprozess wichtig, um alle offenen Fragen zu klären und die Übergabe gemeinsam zu gestalten. An anderer Stelle hingegen ist mehr Tempo nötig: Die Zulassungsverfahren nach bestandener Facharztprüfung müssen beschleunigt werden. Denn das Gesundheitssystem kann es sich nicht leisten, dass die Praxisübergabe im besten Fall gut und frühzeitig vorbereitet ist – und es verfahrensbedingt dann nach der Facharztprüfung bis zur kassenärztlichen Zulassung zu einer Verzögerung von mehreren Monaten kommt.
Nicht zuletzt muss bei einer Praxisübernahme auch gewährleistet sein, dass es bei der Übernahme hausärztlicher Kassensitze nicht zu einer Zweckentfremdung kommt, wenn diese nämlich nicht mehr für die primärärztliche Tätigkeit genutzt werden. Hier sind die KVen gefordert, die Praxisübergabe zu begleiten und – falls notwendig – auf eine Änderung der Zulassungsverordnung hinzuwirken, um sicherzustellen, dass die primär hausärztliche Tätigkeit vom neuen Praxisinhaber auch fortgeführt wird.
Mini-Checkliste für Praxisabgeber
- eigene Praxissituation einschätzen: Stärken-Schwächen-Analyse, Bewertung (s. Seite 24)
- ggf. Maßnahmen zur Steigerung des Praxisertrags entwickeln, da die Wertermittlung der Praxis auf Basis des Gewinns erfolgt
- Praxis attraktiv machen oder erhalten, etwa durch Renovierung
- Markt- und Konkurrenzsituation im Zulassungsbezirk analysieren
- Geeignetes Nachfolgemodell finden
- individuelle Beratung, etwa durch Ihren bekannten Steuerberater, hinzuziehen
Mini-Checkliste für Praxisübernehmer
- Niederlassungsstrategie entwickeln: Wie will ich arbeiten, welche Leistungen will ich anbieten?
- Praxissuche
- Praxisdaten und -bewertung hinterfragen
- Machbarkeitsrechnung auf der Basis der konkreten Praxisdaten; zum Teil bieten Banken dies als Bestandteil des Bankgesprächs im Vorfeld der Finanzierung an
- Finanzierung klären
- individuelle Beratung, etwa durch Ihren bekannten Steuerberater, hinzuziehen
Die Strategien in den Checklisten stammen von Matthias Haas, Steuerberater in Mülheim an der Ruhr.
Link
Zweimal pro Jahr können Mitglieder des Deutschen Hausärzteverbands gratis eine Kleinanzeige in “Der Hausarzt” platzieren (S. 30). Praxisbörsen bieten zudem einige Landeshausärzteverbände an.
Mehr praktische Tipps zur Praxisübernahme haben wir in der Serie “Praxisgründung” zusammengestellt: hausarzt.link/AInZb