Medizinische Entscheidungen im Praxisalltag werden durch viele Faktoren beeinflusst. Auch die Angst vor möglichen rechtlichen Konsequenzen kann dabei eine Rolle spielen. Eine Querschnittstudie des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Lübeck hat untersucht, wie sehr deutsche Hausärztinnen und Hausärzte dadurch ihr (Be-)Handeln bestimmen lassen – Stichwort defensive Medizin.
An der Umfrage beteiligten sich 413 hausärztlich Tätige im Durchschnittsalter von 50 Jahren. Immerhin 27 Prozent gaben an, starke oder sehr starke Angst vor rechtlichen Konsequenzen zu haben; die anderen hatten eher weniger, manche auch gar keine Befürchtungen dieser Art.
Dabei spielte die Arzt-Patienten-Beziehung für 48 Prozent der Befragten eine beachtliche bis sehr große Rolle. Ein Drittel schätzte die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten zehn Jahren zivilrechtlich verklagt zu werden, als ziemlich bis sehr hoch ein.
47 Prozent gingen davon aus, dass sich das Risiko, verklagt zu werden, durch defensive Medizin sehr deutlich oder meist reduzieren ließe. Entsprechend war für 38 Prozent der rechtliche Selbstschutz ziemlich oder sehr oft ein Grund dafür, im Praxisalltag defensiv zu agieren, dicht gefolgt von der Befürchtung, eine ernste Erkrankung zu übersehen (35 Prozent), oder der fehlenden Zeit, mit der Patientin oder dem Patienten zu diskutieren (34 Prozent).
Konsequenz: 54 Prozent gaben an, mindestens einmal pro Woche unnötige Laboruntersuchungen zu veranlassen, und 40 Prozent, einmal pro Monat ohne entsprechende Indikation zur radiologischen Diagnostik zu überweisen.
Fazit für die Praxis: Die Angst vor Klagen hat durchaus einen Einfluss auf den Behandlungsalltag und sorgt dafür, dass aus Selbstschutz häufiger ein eher defensives Verhalten zum Tragen kommt. Mögliche Gegenmittel: medizinrechtliche Kenntnisse und gute Kommunikationsfähigkeit.
Quelle: doi 10.1186/s12875-024-02267-x