Sars-CoV-1-Pandemie 2002, Grippe-Pandemie 2009, große Ebola-Epidemie in Afrika 2013 bis 2016, gefolgt von einer weiteren 2018 bis 2020. Dazwischen gab es massive Ausbrüche von Cholera, Gelbfieber, Lassa- sowie West-Nil-Fieber und nicht zu vergessen Schweine- und Vogelgrippe. Anfang 2020 kam dann die Covid-19-Pandemie.
Nur einige der wichtigsten Eckdaten dafür, dass die Kette der außer Kontrolle geratenen Infektionskrankheiten in den vergangenen zwanzig Jahren nicht abreißt. Und so mehren sich nicht umsonst die Warnungen seitens der Wissenschaft: Basierend auf vielen Studien und Erhebungen steht uns die neue Ära an viralen Infektionen nicht mehr bevor, sondern wir befinden uns sogar bereits mitten darin [1, 2].
Immer mehr neue Angreifer
Verantwortlich dafür, dass sich das Auftreten von Epidemien und Pandemien im Vergleich zu früher so derart beschleunigt hat, ist die Zunahme neuartiger Erreger. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hat sich deren Auftreten deutlich vermehrt.
So gibt etwa der Infektiologe Prof. Dr. Jan Felix Drexler vom Institut für Virologie der Charité Berlin zu bedenken, dass “nach aktuellen Schätzungen inzwischen zwölf Prozent aller humanen Pathogene neuartig sind”.
Erschwert wird die Lage zudem durch wieder auftretende Erreger, die sogenannte re-emerging- infections auslösen können. Allen diesen Pathogenen gemeinsam ist, dass sie sich schnell verbreiten können und damit unkontrollierbar werden.
Nun stellt sich die Frage, weshalb es zunehmend mehr neue Erreger gibt, die potenziell unsere Gesundheit bedrohen können. Experten haben dafür mehrere gut begründete Thesen. Ganz oben auf deren Liste stehen die globale Konnektivität der Menschheit sowie die drastischen und rasanten Veränderungen des Klimas auf unserem Planeten.
Heute hier, morgen da – Pathogene ebenso
Ob zu Wasser per Schiff, zu Pferde oder per Kutsche – in vergangenen Zeiten dauerte es für unser jetziges Empfinden ewig, um von einem Ort zu einem anderen zu kommen. Heute hingegen geht es rasant im Jet von A nach B. Von nahezu überall auf der Erde können wir inzwischen binnen Stunden oder Tagen in noch so entlegene andere Regionen reisen: Die Welt ist klein geworden.
Allerdings nicht nur für uns, sondern leider auch für Krankheitserreger. Denn mit dem modernen Luftverkehr gelingt es auch ihnen, innerhalb kurzer Zeit enorme Distanzen zu überwinden. Sie fliegen bildlich gesehen einfach mit und können sich damit erheblich einfacher als früher global ausbreiten. Pathogene von irgendwo in Südostasien oder Zentralafrika sind insofern nicht mehr weit entfernt, sondern flott direkt vor unserer Haustüre.
Auch der Klimawandel ebnet den Weg
Mit dem Klima ändern sich auch die Bedingungen für Viren & Co.– sie werden zusehends besser. Die Erderwärmung sorgt durch höhere Temperaturen dafür, dass sich etwa Erreger von Malaria bequem aus ihren ursprünglichen tropischen Verbreitungsgebieten in deutlich höher oder tiefer gelegene Breitengrade begeben können. Nur ein Beispiel von vielen.
Mit der Erwärmung steigt auch die Körpertemperatur von Vögeln. Was dazu führt, dass Pathogene sie leichter befallen können. Als gefiederte Zwischenwirte können sie dann unter Umständen wiederum uns infizieren. Der weltweite Anstieg der Meeresspiegel birgt weiteres Potenzial. Denn die überfluteten Gebiete bieten neue Lebensräume für Krankheitserreger. Das gilt auch für klimabedingte Wetterextreme wie Starkregen.
Mensch an Mensch, Tier an Tier, Pflanze an Pflanze
In den riesigen Metropolregionen wie Shanghai oder Kalkutta leben Millionen von Menschen – dicht gedrängt. Ideale Voraussetzungen für Erreger, um sich zu verbreiten. Die Massentierhaltung mit ihrer durch viel zu kleine Ställe und Käfige erzeugten Enge hat den gleichen Effekt.
Von Huhn zu Huhn oder Schwein zu Schwein zu kommen wird damit für Pathogene ein Leichtes. Flächendeckende Monokulturen schaffen ebenfalls perfekte Ausbreitungsgebiete.
Wildtiere und Menschen kommen sich zu nah
Enger Kontakt war eben bereits das Thema. Nicht die Rede war dabei von dem zwischen Menschen und wilden Tieren. Er wird mehr und ist eine weitere Steilvorlage für die Verbreitung von krankmachenden Mikroben und Parasiten. Da ist zum Einen der wachsende Verzehr von Wildtierfleisch.
Dieser hat in vielen Ländern wie China eine lange Tradition, nimmt indessen gerade in Afrika angesichts des Mangels an anderen tierischen Nahrungsmitteln als Proteinquellen zu. Die steigende Zahl von Ebola-Epidemien auf dem Kontinent wird inzwischen darauf zurückgeführt.
Zum Anderen bedingt das Bevölkerungswachstum, dass Menschen immer weiter in Gebiete vordringen, die ehedem das angestammte Revier von Wildtieren waren. Die verdrängten Alteingesessen, wie etwa Elefanten oder Tiger verlieren damit ihre Heimat. Sie “verirren” sich in die Nähe von menschlichen Siedlungen, und eine Eskalation bleibt oftmals nicht aus. Pathogene profitieren davon.
Viele Arten sterben, Erreger überleben
Weltweit nimmt der Artenverlust zu. Zoologen warnen seit vielen Jahren davor, wie rasch und wie viele Tierarten von unserem Planeten verschwinden. Diese zurückgehende Biodiversität leistet der Ausbreitung von tierischen Pathogenen weiteren Vorschub. Denn damit haben sie das Privileg, sich auf weniger potenzielle Wirte einstellen zu müssen.
Je weniger Arten es künftig gibt, umso mehr steigen ihre Chancen auf Verbreitung. Es gibt mithin ausreichend gute Gründe, die dafür sprechen, dass wir in das Zeitalter der Pandemien eintreten werden.
Quellen:
2. Reperant L. Fatal Jump. Tracking the Origins of Pandemics. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2023