Mehr Kinder haben Diabetes
Deutschland belegt den siebten Platz weltweit bei der Inzidenz des Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen. Nach Daten des Diabetesinzidenz-Registers Nordrhein-Westfalen nahm die Inzidenz des Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen von 18,4/100.000 Personenjahre in 2002 auf 28,2/100.000 Personenjahre in 2020 zu (+2 Prozent pro Jahr).
Die Inzidenz eines Typ-2-Diabetes stieg im selben Zeitraum von 1,3 auf 3,5/100.000 Personenjahre an (+4,9 Prozent pro Jahr), wie Dr. Anna Stahl-Pehe vom Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf berichtete. Die diskutierte Assoziation von COVID-19 und Typ-1-Diabetes fand ihr Kollege Joachim Rosenbauer nicht.
Weder ließ sich eine Assoziation von Regionen mit einer hohen COVID-19-Inzidenz und Regionen mit einer hohen Typ-1-Diabetes-Inzidenz noch eine zeitliche Assoziation von COVID-19-Wellen und einem nachfolgenden Anstieg von Typ-1-Diabetes-Diagnosen belegen.
Wöchentliches Basalinsulin überzeugt noch nicht ganz
Das wöchentlich zu applizierende Insulin icodec soll durch weniger Injektionen die Adhärenz und Patientenzufriedenheit bei einer Insulintherapie verbessern. In der Studie ONWARDS 6 wurde Insulin icodec bei Patienten mit Typ-1-Diabetes mit dem einmal täglich anzuwendenden Insulin degludec verglichen.
Die glyklämische Kontrolle war mit Insulin icodec nicht unterlegen: Der HbA1c sank bis Woche 26 um 0,47 Prozentpunkte, in der Standardgruppe um 0,51 Prozentpunkte (p=0,0065 für Nichtunterlegenheit). Nach 52 Wochen war die Therapie mit Insulin degludec allerdings signifkant überlegen: Der HbA1c war gegenüber dem Ausgangswert um 0,54 Prozentpunkte gesunken, bei Insulin icodec um -0,37 Prozentpunkte (p=0,0213).
Die wöchentliche Insulingesamtdosis unterschied sich nicht. Allerdings war die Basalinsulindosis in der Insulin-icodec-Gruppe über die 52 Wochen hinweg höher, die Bolusinsulindosis niedriger als in der Gruppe mit Insulin degludec. Einen Blutzuckerzielwert zwischen 3,9 und 10,0 mmol/l (70-180 mg/dl) erreichten in beiden Gruppen ähnlich viele Patienten. Noch unklar ist allerdings das Hypoglykämierisiko mit Insulin icodec.
In den Wochen 22 bis 26 war die Zeit in Hypoglykämie und auch die Zahl der klinisch signifikanten und schweren Hypoglykämien mit dem wöchentlich zu verabreichenden Insulin statistisch signifikant größer als mit dem täglich applizierten Standardinsulin. Über die gesamten 52 Wochen hinweg gab es aber keine Unterschiede bezüglich der Zeit in einer Hypoglykämie <3,0 mmol/l (<54 mg/dl, jeweils 0,8 Prozent in beiden Gruppen).
Mehr Insulin oder lieber duale Inkretintherapie?
Ist ein Typ-2-Diabetes mit einem Basalinsulin nicht ausreichend kontrolliert, senkt Tirzepatid, ein dualer Agonist von GIP (glukoseabhängiges insulinotropes Peptid) und GLP-1R (Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptor) den HbA1C stärker als zusätzliches Bolusinsulin.
Das zeigen Ergebnisse der Studie SURPASS-6, an der Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem Body-Mass-Index (BMI) von 23 bis 45 kg/m² teilnehmen konnten, wenn sie mit einem Basalinsulin und bis zu zwei oralen Antidiabetika (Metformin, Sulfonylharnstoff und/oder Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitor) immer noch einen HbA1c von 8,5 Prozent bis 11 Prozent aufwiesen.
Zunächst wurden alle 1.428 erwachsenen Studienteilnehmer auf Insulin glargin mit oder ohne Metformin umgestellt. Danach erhielten sie randomisiert zusätzlich eine von drei Tirzepatid-Dosierungen (5 mg, 10 mg und 15 mg Zieldosis nach Auftitrierung) oder Insulin lispro (100 IU/ml) dreimal täglich. Nach 52 Wochen hatte der HbA1c in den Tirzepatid-Gruppen dosisabhängig abgenommen.
Die Abnahme betrug über alle Dosierungen hinweg 2,1 Prozent, in der Insulin-lispro-Gruppe 1,1 Prozent (p<0,001). Gleichzeitig sank der Bedarf an Insulin glargin mit Tirzepatid um maximal 19 Prozent in der 15-mg-Gruppe. Der Anteil der Patienten, die einen HbA1c von <7,0 Prozent erreichten, betrug mit Tirzepatid (alle Dosierungen) 72,1 Prozent, mit Insulin lispro 36,7 Prozent.
Mit Intensivierung der Insulintherapie stieg das mittlere Körpergewicht bis Woche 52 um 3,8 kg an, mit Tirzepatid sank es um 9,5 kg, in der 15-mg-Dosisgruppe sogar um 12,0 kg. Relevante oder schwere Hypoglykämien waren unter Tirzepatid nicht häufiger als in der Insulin-lispro-Gruppe.
Relativ häufig kam es vor allem in der Titrationsphase unter Tirzepatid zu gastrointestinalen unerwünschten Ereignissen (UE) wie Übelkeit (je nach Dosisgruppe 14 bis 26 Prozent), Diarrhö (11 bis 15 Prozent) oder Erbrechen (5 bis 13 Prozent).
MODY auch bei Älteren
Ein neu diagnostizierter Diabetes kann auch bei über 40-Jährigen genetisch bedingt sein. Eines oder mehrere von zwölf häufigen MODY-Genen wies in der UK-Biobank jeder 167igste Patient mit einer Diagnose eines Typ-1- oder Typ-2-Diabetes im Erwachsenenalter auf. Am häufigsten fand sich eine Mutation im Glukokinase-Gen (GCK; 51 Prozent).
Die klinische Relevanz der entdeckten MODY-Typen war hoch: Von den Betroffenen erhielten in der UK-Biobank-Kohorte 36 Prozent eine für ihren Genotyp ungeeignete Therapie. Bei einem GCK-MODY wird beispielsweise keine Therapie empfohlen, bei einer Alteration von HNF1A und/oder ABCC8 eine Behandlung mit Sulfonylharnstoffen, bei HNF1B-Mutation eine Insulintherapie.
Prävention mit ASS gefährlich
Die tägliche Einnahme niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) senkt das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes, wie eine Nachbeobachtung der ASPREE-Studie zeigt. Nach einer Beobachtungsdauer von median 4,7 Jahren war das Risiko für einen Typ-2-Diabetes bei täglicher ASS-Einnahme im Vergleich zu Placebo um 15 Prozent verringert und der Anstieg des Nüchternblutzuckers erfolgte langsamer.
Es besteht aber ein erhöhtes Blutungsrisiko bei regelmäßiger ASS-Einnahme, sodass es bei der Empfehlung bleibt, ASS nicht zur Primärprävention einzunehmen, sondern nur bei medizinischer Indikation. Das Potenzial antiinflammativer Therapien zur Diabetesprävention sollte jedoch näher untersucht werden.
Sind Viren schuld?
Eine antivirale Therapie mit Pleconaril und Ribavirin kann nach einer skandinavischen Phase-2-Studie bei Kindern kurz nach der Diagnose eines Typ-1-Diabetes die residuelle Insulinproduktion länger erhalten. Die Therapie könnte auch zur Prävention eines Typ-1-Diabetes bei positivem Inselautoantikörper-Screening bei Kindern geeignet sein.
Die Ergebnisse unterstützen die mögliche Verbindung von subklinischen enteroviralen Infektionen und Typ-1-Diabetes. “Wir glauben, dass Enteroviren bei genetisch vulnerablen Personen einen Typ-1-Diabetes auslösen können”, betonte Studienleiter Professor Dr. Knut Dahl-Jørgensen vom Universitätshospital in Oslo.