© 4x6 - stock.adobe.comHinter den "Rauchenden Köpfen" stecken vier Praxiserfahrene, die sich dafür einsetzen, Bürokratie im Praxisalltag zu minimieren: Dr. Sabine Frohnes, Dr. Christoph Claus, Timo Schumacher und Moritz Eckert.
Gutachten oder Befundbericht?
Die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) stellt eine Konsensus-Leitlinie zur Begutachtung (S2k, www.hausarzt.link/opQbF) zur Verfügung, die leider ohne die Beteiligung der DEGAM entstanden ist.
Dieser ist neben detaillierten rechtlichen Grundlagen zu entnehmen, dass ärztliche Sachverständige gerichtlich veranlasste Gutachten kraft Approbation erstellen müssen. Es sei denn, “die gestellten Fragen liegen außerhalb des persönlichen Kompetenz- und Fachbereiches und/oder wenn der/die Sachverständige aufgrund von Zeitmangel/Arbeitsüberlastung nicht in der Lage ist, das Gutachten in angemessener Zeit zu erstatten […].”
Es gibt weitere Gründe wie Befangenheit oder Umstände, die ein Misstrauen gegen die Glaubwürdigkeit auslösen könnten, die dem Gericht anzuzeigen sind und die Sachverständigen von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbinden.
Allerdings erfordert ein Gutachten gemäß AWMF-Leitlinie eine eingehende Untersuchung des zu Begutachtenden mit Erhebung von Anamnese, Befund, Diagnose und der Wertung ggf. auch technischer Befunde hinsichtlich der Fragestellung. Wann ist dies nötig?
Verlängerung einer Betreuung
Ein Gutachten ist, zumindest bei der Verlängerung der Betreuung, die in der hausärztlichen Praxis häufiger vorkommt als eine Betreuungseinrichtung, nur selten nötig. Daher vergütet beispielsweise der Amtsgerichtsbezirk Kassel im Falle der Verlängerung nur 25 Euro für einen Befundbericht nach Nr. 200 Anlage 2 zu Paragraf 10 Abs. 1 JVEG. Dies entspricht Befundberichten im Schwerbehindertenrecht.
Praxistipp: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sie als Sachverständige dann keine Untersuchung vornehmen müssen und weder Kausalzusammenhänge beurteilen noch persönliche Einschätzungen abgeben müssen, sondern “ohne nähere gutachtliche Äußerung einen Befundschein ausstellen oder eine schriftliche Auskunft erteilen”. Nach herrschender Meinung sind auch Fragen, die sich auf die Zukunft des Betreuten beziehen, nicht ohne ein Gutachten beurteilbar und demnach im Befundbericht nicht beantwortbar.
Sollte das Gericht jedoch eine Untersuchung fordern oder auf der Beantwortung von Fragen bestehen, die die Worte “Beurteilen Sie” oder die Frage nach der Dauer der Betreuungsnotwendigkeit enthalten, empfehlen die “Rauchenden Köpfe” das Gericht zu fragen, ob eine Abrechnung nach M1 zugesagt wird.
Praxistipp: Bleibt diese aus, können Sie als Standardantwort auf die entsprechenden Fragen angeben: “Nur durch Gutachten zu beantworten.” Fügen Sie am besten noch einen Appendix an wie zum Beispiel: “Bei Interesse Ihrerseits an einer gutachtlichen Stellungnahme im Sinne Ihrer Anfrage kann diese auf Anforderung und gegen entsprechendes Honorar (gem. Anlage 1 zu Paragraf 9 Abs. 1 JVEG: “Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten – Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere […] zur Verlängerung einer Betreuung – Honorargruppe M1) hier erstellt werden.”
Sinngemäß gilt das obige auch, wenn Sie sich an die Empfehlung der Bundesärztekammer halten und derartige Formgutachten als einfache gutachtliche Äußerungen nach Nr. 202 Anl. 2 zu Paragraf 10 Abs. 1 JVEG (45 Euro) abrechnen.
Einrichtung der Betreuung nicht für 25 Euro
Spätestens bei der Einrichtung einer Betreuung sollte man sich nicht mehr mit 25 Euro zufriedengeben. Und keinesfalls sollten Sie sich darauf einlassen, eine “Vergütung von Amts wegen” zu akzeptieren, die im Ergebnis mitunter enttäuschend ist.
Wichtig: Beachten Sie auch, dass neben den Nr. 200 und 202 keine Schreibgebühren berechenbar sind. Ebenso kann dabei der Ansatz des Portos strittig sein.
Abrechnungskontrolle
Anders als die Versorgungsämter legen die Gerichte kein Rechnungsformular bei. Für die Buchführung kann es daher helfen, in solchen Fällen GOÄ-Analogziffern zu generieren. Mit diesen lässt sich ein Privatsatz oder bei Privatversicherten ein gesonderter Behandlungsfall generieren und das Gericht kann als Rechnungsempfänger/Hauptversicherter hinterlegt werden. Weitere Informationen zum Vorgehen lesen Sie in “Der Hausarzt” 15/22 (www.hausarzt.link/oZZ9K).
Fazit
Das ärztliche Gutachten ist “eine elementare ärztliche Aufgabe, auf die in keinem Gemeinwesen verzichtet werden kann und in dem wir auf allen Ebenen die Ansprüche des einzelnen an die Solidargemeinschaft oder den Staat medizinisch abzuklären haben” [1]. Auch Befundberichte sind hausärztliche Pflicht (wer sollte es besser können?). Im Praxisalltag werden sie jedoch häufig als lästige Aufgabe empfunden.
Standardisierung und das Nutzen der Arztbrieffunktion Ihrer Praxissoftware sowie von GOÄ-Analogziffern helfen Ihnen, diese Aufgabe zügig zu erledigen.
Die “Rauchenden Köpfe” haben dazu vier Formularvorlagen erstellt:
- für die Rückfrage bei Gericht,
- den Befundschein nach Nr. 200
- und 202 sowie
- das M1-Gutachten
Passen Sie diese ggf. an die üblichen Fragen Ihres Betreuungsgerichts an.
Quelle: 1. Hausotter W. Ärztliche Gutachten. Dt Ärztebl 1999; 96: A-1481-1484