Berlin. Bei der ersten Lesung im Deutschen Bundestag haben die beiden Digitalisierungs-Gesetze von Prof. Karl Lauterbach (SPD) – konkret das Digitalgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) – am Donnerstag (9. November) grundsätzliche Zustimmung geerntet.
So lobten die Abgeordneten der Ampelkoalition uneingeschränkt Vorteile für die Versorgung, während sich die Union zwar zu den Kernvorhaben bekannte, jedoch weitere, für Hausarztpraxen teils relevante weitere Konkretisierungen forderte.
Die Entwürfe wurden im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen. Bereits kommende Woche finden dort die Anhörungen von Expertinnen und Experten statt.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband hatte bereits bei den ersten Verbändeanhörungen auf bedeutende Folgen für die Praxis und entsprechenden Nachbesserungsbedarf aufmerksam gemacht.
Für Ärzte essenziell: strukturierte Daten, funktionierende PVS
Gesundheits-Staatssekretär Edgar Franke (SPD), der für den erkrankten Lauterbach die Gesetzentwürfe einführte, betonte, die Digitalisierung werde die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten erleichtern und die Versorgung verbessern. Janosch Dahmen (Grünen) sieht in den Vorlagen einen „Meilenstein“ bei der überfälligen Modernisierung des Gesundheitswesens – Deutschland hole jetzt auf.
Die Union hingegen war in ihrem Lob weniger überschwänglich. Sie sprach sich trotz grundsätzlicher Zustimmung für Änderungen an den Vorlagen aus. Fragwürdig sei die Aufnahme unstrukturierter Daten in die elektronische Patientenakte (E-PA), weil diese Daten nicht systematisch durchsucht und ausgewertet werden könnten, unterstrich Erwin Rüddel (CDU) einen für Hausärztinnen und Hausärzte zentralen Punkt.
Der CSU-Politiker und Arzt Stephan Pilsinger übte darüber hinaus scharfe Kritik an den Herstellern von Praxisverwaltungssystemen (PVS): Die PVS wären “Steinzeitprodukte” und behinderten eine funktionierende Digitalisierung, sie seien dringend weiterzuentwickeln. Es brauche Standards und Schnittstellen für die Praxissoftware.
Insgesamt werde aus ärztlicher Sicht zu wenig Wert auf die einfache Umsetzung der Reformen gelegt, kritisierte Pilsinger. „Es ist entscheidend, die Ärzte mitzunehmen, damit die Digitalisierung funktioniert.“
Redner von AfD und Linke hingegen meldeten erhebliche Sicherheitsbedenken an, was die Nutzung der Patientendaten angeht. „Bei Ihrem Gesundheitsdaten-Bullerbü gibt es offenbar keine Datenlecks und keine Hacker, aber das hat mit der Realität doch nichts zu tun“, sagte Kathrin Vogler (Linke) an die Koalition gewandt. Darüber hinaus warnte sie vor einer möglichen Stigmatisierung von Patienten mit bestimmten Krankheiten, sollten Daten nicht ausgeblendet werden können.
Hausärzte: E-Akte in aktueller Form nicht praxistauglich
Das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen – kurz Digitalgesetz – zielt darauf ab, der elektronischen Patientenakte, dem E-Rezept, den digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) sowie der Telemedizin zum Durchbruch zu verhelfen. Daneben soll das GDNG öffentlichen und privaten Wissenschaftseinrichtungen, aber auch Kassen einen einfacheren Zugriff auf Gesundheitsdaten erlauben.
Kernstück ist die Opt-out-Lösung, über die künftig grundsätzlich jeder Versicherte zunächst eine E-PA erhalten und dann nur auf eigenen Wunsch widerrufen können soll. Mit der E-PA könne die Krankengeschichte von Patienten systematisch erfasst werden, erinnerte Gesundheits-Staatssekretär Franke in der Debatte. Damit werde Zeit für die Patienten gewonnen und Bürokratie reduziert. Ärzte und Medizinische Fachangestellte (MFA) könnten sich so “auf das Wesentliche” konzentrieren.
Dieses Potenzial sehen grundsätzlich auch die Hausärztinnen und Hausärzte. Jedoch hat auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband immer wieder betont, dass dafür die konkrete Ausgestaltung sowie das Handling deutlich verbessert werden müssen. “In der derzeitigen Form ist sie weder für Patientinnen und Patienten noch für die Ärztinnen und Ärzte praxistauglich.”
Entscheidend für die Hausärztinnen und Hausärzte sei unter anderem, dass die Befüllung der E-PA automatisiert funktioniere und keine zeitlichen Ressourcen binde. Eine ausführliche Beratung zur E-PA könne in den Praxen allein schon aus Zeitgründen nicht geleistet werden.
SPD unterstreicht Hoffnung für die Versorgung
Zuversichtlich äußerte sich in der Debatte Matthias Mieves (SPD), der in seiner Rede auf das Schicksal von Patienten einging, die von einer Digitalisierung konkret profitieren würden. Es gehe bei den Reformen auch darum, das Leben für Patienten einfacher zu machen.
So beklagten manche Patienten, dass sie bei einer Krebsbehandlung immer wieder die gleichen Tests absolvieren müssten, das sei unangenehm und koste Zeit. Damit könne mit der E-PA Schluss sein.
Auch Linke pocht auf “erlebbaren Mehrwert” für Ärzte
Zur Beratung im Plenum stand außerdem ein Antrag der Linken-Fraktion mit dem Titel „Elektronische Patientenakte zum Wohl der Versicherten nutzen“, der ebenfalls an den Gesundheitsausschuss überwiesen wurde. Darin wird die Opt-out-Lösung zwar grundsätzlich befürwortet, jedoch begleitende Regelungen zugunsten der Versicherten gefordert. So müsse auch für Menschen ohne Smartphone oder Onlinezugang der Widerspruch gegen eine E-PA sehr einfach möglich sein.
Außerdem müsse die E-PA spätestens mit Einführung der Opt-out-Lösung einen “erlebbaren Mehrwert für Versicherte und Leistungserbringer” bieten, heißt es. Auch die Linke betont: Dafür müsse sie mit strukturierten Daten bestückt werden können.