Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung. Derzeit gibt es rund 15.000 Betroffene, etwa 2.000 erkranken jedes Jahr neu.
Erfreulich ist, dass es immer mehr effektive Medikamente für diese Altersgruppe gebe, mittlerweile sind es zwölf Arzneien, berichtete die Kinderrheumatologin Professorin Kirsten Minden beim 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).
Gelenkschäden träten dank der neuen Arzneien bei Kindern kaum mehr auf. Weniger erfreulich: “Viele Kinder und Jugendliche leiden immer noch an Folgeschäden an den Augen”, so Minden, die an der Universitäts-Kinderklinik der Charité Berlin lehrt und forscht.
Zu einer Beteiligung der Augen am rheumatischen Entzündungsprozess kommt es bei etwa jedem siebten Kind mit JIA. Bei der häufigsten JIA-Form, der Oligoarthritis, ist sogar jedes fünfte Kind betroffen.
Das zeigt unter anderem die deutsche Langzeitstudie ICON-JIA (Inception Cohort of newly diagnosed patients with JIA, mehr zur Studie unter www.hausarzt.link/kMY8V). Über zehn Jahre hinweg wurden mehr als 950 Kinder und Jugendliche mit neu diagnostizierter JIA beobachtet [1].
Die Studie analysierte, wie viele junge Menschen mit JIA okuläre Folgeschäden entwickelten, und ob Rheumamedikamente solche Folgeschäden eindämmen können. Untersucht wurden die Kinder und Jugendlichen im ersten Jahr nach der Diagnose alle drei Monate, danach alle sechs Monate.
14 Prozent entwickeln eine anteriore Uveitis
In den ersten fünf Jahren nach JIA-Diagnose entwickelten 133 der jungen Menschen (14 Prozent) eine anteriore Uveitis. Der Altersdurchschnitt lag bei den ersten JIA-Symptomen bei 3,1 Jahren, bei der Diagnose einer Uveitis waren die Kinder im Schnitt 4,4 Jahre alt.
“Eine Uveitis ist extrem gefährlich, weil sie sich gerade bei kleinen Kindern meist ohne sicht- und spürbare Einschränkungen manifestiert, dadurch unerkannt bleibt und unbehandelt relativ schnell schwerwiegende Folgen wie einen relevanten Visusverlust bis hin zur Erblindung haben kann”, erklärte Minden.
Nur selten wiesen die Kinder beispielsweise eine Augenrötung auf, etwa 90 Prozent zeigten im Gegensatz zu Erwachsenen überhaupt keine Symptome – was auch viele Kinderrheumatologen nicht wüssten.
Bei über 90 Prozent der Kinder konnte die akute Uveitis mit einer intensiven Medikation gut eingedämmt werden, sie wiesen fünf Jahre nach Erkrankungsbeginn entweder keine oder nur eine sehr geringe Krankheitsaktivität auf. Auch lag bei zwei Drittel der Kinder die Sehschärfe über 80 Prozent.
“Behandelt wurden diese Kinder mindestens mit Methotrexat, 60 Prozent mit Biologika”, berichtete die Kinderrheumatologin. “Extrem überraschend war jedoch die hohe Komplikationsrate.” Denn jedes vierte Kind wies bereits bei der Uveitis-Erstdokumentation Schäden am Auge auf.
“Und im Verlauf der ersten fünf Jahre war es nahezu jedes zweite Kind”, so Minden. Dabei habe es sich um posteriore Synechien (entzündungsbedingte Verklebungen von Iris und Linse, bei 31 Prozent), einen Katarakt (bei 27 Prozent) oder erhöhten Augeninnendruck mit oder ohne glaukomatöse Veränderungen (12 Prozent) gehandelt.
“Diese Zahlen zeigen uns, dass viele Kinder zu spät beim Augenarzt vorstellig werden”, betonte die Kinderrheumatologin. Das Zeitfenster ist dabei relativ knapp: Da sich die Uveitis zeitnah zu den ersten Gelenkbeschwerden entwickelt (in der ICON-JIA-Studie lagen zwischen den ersten JIA-Symptomen und dem Beginn einer Uveitis nur 15,7 Monate), sollte ein Kind innerhalb von sechs Wochen nach Diagnose an einen Augenarzt überwiesen werden, im besten Fall, sobald die Diagnose JIA gestellt wird.
“Dieser Zeitraum von sechs Wochen wird aber bisher nur bei jedem zweiten Kind erreicht”, berichtete die Kinderrheumatologin.
Langfristige Kortisontherapie kann Folgen haben
Einen zweiten Punkt, der bei Analyse der Studiendaten auffiel: Obwohl 85 Prozent der Kinder nach fünf Jahren eine komplett inaktive Uveitis hatten, wurden über 40 Prozent noch immer mit Kortison-haltigen Augenmedikamenten behandelt, die das Risiko für Katarakt und Glaukom erhöhen.
Minden: “Die Augenschäden können also auch als Folge einer langfristigen Glukokortikoidgabe auftreten.” Daher sollte die langfristige Behandlung mit glukokortikoidhaltigen Augentropfen, die bei vielen Kindern trotz guter Uveitiskontrolle fortgeführt werde, sehr kritisch hinterfragt werden.
Der Einsatz von Glukokortikoiden ist in der Rheumabehandlung unverzichtbar, um eine überschießende Entzündungsaktivität rasch zu dämpfen und schwerwiegende Folgeschäden zu verhindern. “Aufgrund des großen Spektrums an unerwünschten Wirkungen sollten Kortisonpräparate aber wirklich nur so lange eingesetzt werden, wie unbedingt nötig!” betonte Minden und wies darauf hin, dass bei Kortison-haltigen Augentropfen laut Leitlinie nur maximal zwei Tropfen pro Tag und diese nicht über einen längeren Zeitraum verabreicht werden sollten.
“Da kann man dann auch schon mal beim Kollegen nachfragen, ob das denn noch sein muss.” Wenn dennoch eine längere Therapie nötig sei, sollten krankheitsmodifizierende Medikamente, und hier in erster Linie Methotrexat, eingesetzt werden, sagte Minden.
Wenn das nicht wirke, relativ schnell ein Biologikum. “Die Grunderkrankung muss effektiv mit den Basismedikamenten kontrolliert sein, damit lässt sich der Einsatz von Kortison einsparen.”
Fazit
Trotz neuer effektiver Medikamente stellt die Uveitis als häufigste extraartikuläre Manifestation der JIA weiter eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Hier sollte mit einem frühen Uveitis-Screening gegengesteuert werden – idealerweise unmittelbar nach der JIA-Diagnose.
Die Untersuchung sollte zudem in Abständen in den ersten Erkrankungsjahren, aber auch nach Reduktion oder Absetzen der Rheumamedikation, wiederholt werden. Wichtig ist auch, bei einer Therapie mit Kortison-haltigen Augentropfen zu überprüfen, ob die Medikation noch angezeigt ist.
Literatur:
[1] J. Klotsche et al; Uveitis in Children with Juvenile idiopathic Arthritis: Data from the Inception cohort of newly diagnosed patients with JIA Study; Ann Rheum Dis. 2022; 81:420-421