© www.doctopia.de EKG des 48-jährigen Patienten
Wir sehen die sägezahnartigen Flatterwellen eines typischen Vorhofflatterns (negativ in II, III, aVF, also “common type” bzw. “counter clockwise”). In den Ableitungen II, III und aVF sind Q-Zacken identifizierbar. In diesen Ableitungen sowie in V4 bis V6 finden sich zudem präterminale T-Negativierungen.
Pathophysiologie
Vorhofflattern tritt insgesamt seltener als Vorhofflimmern auf, kommt aber relativ häufig parallel zu Vorhofflimmern vor. 25 bis 35 Prozent der Patienten mit Vorhofflattern haben auch ein Vorhofflimmern!
Vorhofflattern kann wie das Vorhofflimmern intermittierend (also paroxysmal) oder persistierend auftreten. Im Gegensatz zu der chaotischen Erregung beim Vorhofflimmern finden wir beim Vorhofflattern in der Regel eine kreisende Erregung. Die pathophysiologische Grundlage von Vorhofflattern ist also ein Makro-Reentry.
Ein Vorhofflattern, bei dem die Erregung um die Trikuspidalklappe unter Einbezug des cavotrikuspidalen Isthmus kreist, wird typisches Vorhofflattern genannt; kreisende Erregungen um andere atriale Strukturen wie beispielsweise die Mitralklappe bezeichnen wir als atypisches Vorhofflattern. Die Richtung der kreisenden Erregung wird zur Einteilung des typischen Vorhofflatterns verwendet.
Die häufigste Variante ist der “common type”: Mit Blick von der ventrikulären Seite auf die Trikuspidalklappe kreist hier die Erregung gegen den Uhrzeigersinn um die Klappe. Beim sogenannten “reversed common type” ist es genau umgekehrt – die Erregung kreist im Uhrzeigersinn um die Trikuspidalklappe. Beim atypischen Vorhofflattern kommt es zur kreisenden Erregung ohne Einbezug des cavotrikuspidalen Isthmus.
Typische EKG-Eigenschaften
Das Wissen um die pathophysiologischen Grundlagen ist für die korrekte EKG-Befundung essenziell. Beim typischen Vorhofflattern sehen wir anstelle einer P-Welle die klassischen Flatterwellen. Schaut man sich diese genau an, fallen verschiedene typische Eigenschaften auf:
Es gibt keine isoelektrische Linie. Das macht auch Sinn, weil die Vorhoferregung ja bei einem Makro-Reentry-Mechanismus zu keinem Zeitpunkt stillsteht. Es gibt immer Anteile der Vorhöfe, die gerade depolarisieren.
Die Flatterwellen sehen aus wie das Blatt einer Säge: Jede Welle stellt einen “Sägezahn” dar.
Bei typischem Flattern vom “common type” sind die Wellen in den Ableitungen II, III und aVF negativ. Beim “reversed common type” sind sie in II, III und aVF positiv.
Atriale Flatterwellen haben eine Frequenz von circa 250-300/min.
Die Überleitung ist meist regelmäßig in Verhältnissen von 2:1, 3:1 oder mehr. Die Ventrikelfrequenz beträgt bei einer 2:1-Überleitung nur die Hälfte der Vorhoffrequenz, also etwa 130-150 pro Minute. Teilweise sieht man auch abwechselnd eine 2:1- und eine 3:1-Überleitung, was dann eine Ventrikelfrequenz von 110-120 pro Minute hervorruft.
Vorsicht! Dieses Bild kann schnell als supraventrikuläre Extrasystolie oder sogar als Vorhofflimmern fehlgedeutet werden, da die Abstände der QRS-Komplexe von weiter weg betrachtet unregelmäßig sind.
Besteht der Verdacht auf irgendeine Form von Vorhofflattern, lohnt es sich immer, die Abstände der QRS-Komplexe zu messen und eventuelle regelmäßige Muster zu erkennen. Der Abstand ist bei einer 3:1 übergeleiteten Tachykardie logischerweise immer 1,5-mal so lang wie bei einer 2:1-Überleitung.
Bedeutung und Therapie
Vorhofflattern wird als thrombogene Herzrhythmusstörung gewertet. Wie beim Vorhofflimmern besteht die Indikation zur oralen Antikoagulation in Abhängigkeit vom CHA2DS2-VASc-Score, egal ob es sich um paroxysmales oder persistierendes Vorhofflattern handelt.
Die medikamentöse Therapie zur Frequenzlimitation entspricht derjenigen beim Vorhofflimmern und erfolgt hauptsächlich mit Betablockern, Calciumantagonisten wie Verapamil, und Digitalis. Digitalis kann in manchen Fällen zu einer Konversion von Flattern in Flimmern führen. Die Frequenzlimitation funktioniert aufgrund der fixierten Überleitungsverhältnisse von atrialer zu ventrikulärer Erregung nur begrenzt.
Aufgrund der starren Frequenzen besteht häufiger eine klinisch relevante chronotrope Inkompetenz oder alternativ die Gefahr der Entwicklung einer Tachykardiomyopathie durch dauerhaft hohe Frequenzen.
Die Rhythmisierung von typischem Vorhofflattern hat im Vergleich zur Frequenzlimitation daher deutliche Vorteile und erfolgt in Deutschland inzwischen fast ausschließlich mittels kathetergeführter Ablation. Im Vergleich zur Pulmonalvenenisolation handelt es sich um einen Eingriff mit sowohl höherer Erfolgschance als auch geringerem Eingriffsrisiko.
Die Chance auf eine dauerhafte Freiheit von Vorhofflattern liegt bei über 95 Prozent. Grund dafür ist die verhältnismäßig einfache Technik. Der cavotrikuspidale Isthmus stellt die anatomische Zielstruktur dar. Die Risiken einer transseptalen Punktion entfallen. Ein 3D-Mapping-System ist nur in Ausnahmefällen für einen Therapieerfolg notwendig.
Umso wichtiger ist die Unterscheidung eines typischen, sogenannten Isthmus-abhängigen Flatterns von einem atpyischen Flattern im 12-Kanal-EKG! Erfolg und Risiko der Ablation von atypischem Flattern bewegt sich eher auf dem Niveau der Pulmonalvenenisolation.
Atypisches Flattern geht häufiger mit einem kranken Vorhof mit erhöhtem Fibrosegrad einher. Die Ablationstechniken sind komplexer, da sich die Reentry-Kreise nicht an einer spezifischen anatomischen Struktur festmachen lassen. Beides beeinflusst die Erfolgschance des Eingriffs.
Nicht selten handelt es sich auch um Patienten, die bereits eine Pulmonalvenenisolation erhalten haben. Für eine erfolgreiche Ablation ist hier ein 3D-Mapping-System unabdingbar. Mit sogenanntem Activation Mapping lassen sich der Verlauf des Erregungskreises im 3D-Modell bildlich darstellen und die Ablationslinien planen.
Wie beim Vorhofflimmern gilt, dass auch nach primär erfolgreicher Ablation eines typischen Vorhofflatterns trotz der hohen Erfolgsrate die orale Antikoagulation nicht einfach abgesetzt werden kann. Eine genaue Evaluation mit anschließender Rhythmusüberwachung ist aufgrund der hohen Rate an assoziiertem Vorhofflimmern notwendig.
Die Aufklärung der Patienten über die Assoziation dieser verwandten Herzrhythmusstörungen ist für das Verständnis des therapeutischen Gesamtkonzepts sehr relevant, da bei Auftreten von Vorhofflimmern nach primär erfolgreicher Ablation von Vorhofflattern auch über eine Pulmonalvenenisolation gesprochen werden muss.
Sollte bereits beides im EKG nachgewiesen sein, können auch im selben Eingriff Vorhofflattern und Vorhofflimmern auf einmal abladiert werden. Eingriffsdauer und Komplikationsrisiko steigen dadurch nur gering.
Reversible Auslöser
Abschließend und in Bezug auf den hier dargestellten Fall soll noch erwähnt werden, dass nicht bei jeder Erstdiagnose von Vorhofflattern sofort eine Ablation notwendig ist. Gerade bei jüngeren und ansonsten gesunden Patienten können reversible Auslöser wie Infekte Vorhofrhythmusstörungen hervorrufen.
Die Assoziation zu übermäßigem Alkoholkonsum prägte den Begriff “Holiday Heart”. In solchen Fällen kommt bei Persistenz über mehrere Tage oder starker Symptomatik neben Betablockern auch eine elektrische Kardioversion als Erstlinientherapie in Frage.
Interessenkonflikte: Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.
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