© Der Hausarzt Dosierung
Unerwünschte Wirkungen
Zahlreiche unerwünschte Wirkungen sind ganz oder teilweise der anticholinergen Aktivität von Amitriptylin zuzuschreiben: Übliche therapeutische Dosen verursachen häufig Müdigkeit , Mundtrockenheit (eventuell von Komplikationen wie Karies begleitet), vermehrtes Schwitzen, Tachykardie und Gewichtszunahme .
Beobachtet werden ferner orthostatische Hypotonie, Obstipation, Visusstörungen, Harnverhaltung und verschiedene zentralnervöse Symptome (z.B. Gedächtnisstörungen, Konfusion, suizidale Gedanken) sowie Störungen der Sexualfunktion (Abnahme der Libido und der Erektionsfähigkeit). Amitriptylin kann zu einer Verlängerung des QT-Intervalls und so zu bedrohlichen Arrhythmien führen.
Überdosierung verursacht vorwiegend kardiale Gefahren. Beim Absetzen von Amitriptylin können Entzugssymptome (Schlafstörungen, Ruhelosigkeit) auftreten. Unter trizyklischen Antidepressiva ist eine Häufung von Frakturen beobachtet worden.
Kontraindikationen : Klinisch bedeutsame Herz-Kreislauferkrankungen. Gleichzeitige Verabreichung von MAO-Hemmern.
Interaktionen : CYP2D6-Hemmer, wahrscheinlich auch CYP3A4-Hemmer führen zum Anstieg der Amitriptylinspiegel und entsprechend stärkeren Wirkungen. Möglicherweise beeinflusst Amitriptylin durch CYP2D6-Hemmung die Spiegel anderer Medikamente.
Pharmakodynamische Interaktionen mit anderen sedierenden Substanzen sowie mit Medikamenten mit anticholinergen Eigenschaften möglich. Mit Sympathomimetika zusammen eventuell Blutdruckkrisen, Allgemeinreaktionen.
Risikogruppen
Schwangere : Die Daten zur Anwendung in der Schwangerschaft sind widersprüchlich. Nach Möglichkeit vermeiden!
Stillende : Wird mit der Muttermilch ausgeschieden. Amitriptylin oder Stillen vermeiden.
Kinder : Nutzen und Verträglichkeit bei Kindern und Jugendlichen nicht adäquat nachgewiesen. Keine Indikation.
Ältere : Speziell vorsichtig dosieren (erhöhte Gefahr von orthostatischer Hypotonie und Konfusion): mit 50 Prozent der üblichen Erwachsenendosis beginnen.
Menschen mit Niereninsuffizienz: Keine Dosisanpassung notwendig.
Menschen mit Leberinsuffizienz: Individuelle Dosisreduktion empfohlen.
Hinweise
Besonders bei älteren Leuten ist eine regelmäßige Überprüfung der Herzfunktion sinnvoll. Bei suizidgefährdeten Kranken muss die Abgabemenge limitiert werden.
Bei Vergiftungen ist wegen der hohen Kardiotoxizität eine Intensivpflege indiziert.
Alternativen : Einzelne Fachleute halten Clomipramin für wirksamer als Amitriptylin. Mit Doxepin und Trimipramin sind weitere trizyklische Antidepressiva verfügbar. Diese Mittel haben dasselbe Anwendungsspektrum wie Amitriptylin. Andere Antidepressiva (besonders auch die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) sind jedoch gesamthaft besser verträglich.
Erhältlichkeit : Tabletten zu 10 und 25 mg. Retardkapseln zu 25 und 50 mg.
Originalbeitrag: Gysling E, 100 wichtige Medikamente. Infomed Verlag, 2020.
Kommentar des Autors
von Dr. Etzel Gysling, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin
Der Nutzen von Antidepressiva wird allgemein eher überschätzt. Es ist dennoch nicht abwegig, bei einer ausgeprägten Depression auch an ein trizyklisches Antidepressivum zu denken. Dabei ist aber in Anbetracht der zahlreichen unerwünschten Wirkungen dieser Medikamente die individuelle Situation sehr sorgfältig zu berücksichtigen.
Die sedative Wirkung ist nicht immer ein Nachteil. Die Wirksamkeit von Trizyklika bei chronischen Schmerzzuständen ist leider nach wie vor ungenügend belegt.
Das sagt der Hausarzt
von Dr. Joachim Fessler, Facharzt für Allgemeinmedizin
Ein Wirkstoff, den ich zunächst als Antidepressivum kennengelernt habe und später in deutlich geringerer Dosierung in der Schmerztherapie. Bei einigen Patienten kommt es besonders beim Einsatz als Antidepressivum zu starker Gewichtszunahme – eine Nebenwirkung, die den weiteren Einsatz in Frage stellt. Anders als früher hat man heute aber etliche medikamentöse Alternativen.
Man kann jedoch auch versuchen, mit Bewegung und Ernährungsumstellung die Gewichtszunahme zu verhindern. Dieses “kausale” Vorgehen ist allerdings bei einem Patienten mit Depression noch schwieriger als bei ausreichend motivierten Patienten. Ein Teufelskreis, der viele auch noch Jahre nach Absetzen der Medikation belastet und stigmatisiert.
Buch-Tipp: Etzel Gysling (Hrsg.); 100 wichtige Medikamente. Eine pharma-kritik-Publikation; Infomed-Verlag, 2020; ISBN 978-3-95-206247-0; Preis: 58 Euro