Immer wieder wird das Bedürfnis an Hausärztinnen und Hausärzte herangetragen, Befunde zu besprechen. Mehr und mehr Menschen berichten, es habe zwar eine Untersuchung stattgefunden, die Besprechung und Wertung des Befundes sei laut Spezialisten aber Sache der Hausarztpraxis.
Im SüdpfalzDocs-Netzwerk besprechen derzeit etwa viele Radiologen die Befunde nicht mehr.
Tipp: Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, auf die Überweisung zu schreiben: “Wir bitten Sie um ein Befundgespräch mit dem Patienten und die Übersendung des Befundes, danke!”
Wichtig ist für Hausärztinnen und Hausärzte daher die Gesprächsziffer 03230 EBM, die nur begrenzt abgerechnet werden darf. Die Anzahl sollte im Quartal maximal 50 Prozent der Behandlungsfälle entsprechen, da die Ziffer budgetiert ist.
Merke: Daher ist es sinnvoll, vor dem Abschicken die Quartalsabrechnung mit einem Suchlauf nach der 03230 zu prüfen, ob die Praxis mehr als 50 Prozent Gesprächsleistungen ansetzt. Diesen Punkt finden Sie in Ihrer Abrechnung unter “Gesprächsleistungen GOP 03230 EBM”.
Dahinter ist die Fallzahl Ihrer Praxis im Quartal angegeben, beispielsweise 2.909 Versicherte. Das von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) aus dieser Patientenzahl errechnete Gesprächsbudget von 50 Prozent ergibt dann: 2.909×128 Punkte (für 03230 EBM) = 372.352 Punkte; dividiert durch 2 = 186.176 Punkte (“Budget”).
Diese Beispielpraxis mit 2.909 Patienten hat im Quartal die 03230 EBM 1.655-mal abgerechnet. Da die Ziffer mit 128 Punkten hinterlegt ist, kommt die KV auf eingereichte Leistungen von 211.840 Punkte, jedoch rechnet sie nur 186.176 Punkte an.
Die 128 Punkte für die 03230 werden also auf 112,5 Punkte abgewertet, es ergibt sich eine “Quote” von 87,89 Prozent. Die Beispielpraxis hätte demzufolge rund 200 Gespräche “umsonst” geführt (211.840–186.176 Punkte = 25.664 Punkte; dividiert durch 128 Punkte = 200,5).
Optionen bei Budgetüberschreitung
Merke: Sollte dies in Ihrer Praxis der Fall sein, prüfen Sie, ob bei manchen Gesprächen die höheren 35100 oder 35110 EBM möglich gewesen wären (später mehr). Achten Sie künftig mehr auf diese beiden Ziffern. Die 35100/35110 brauchen aber eine KV-Genehmigung.
Bei anderen Anlässen kann sich die Telefonberatung nach 01435 EBM als Ersatz anbieten. Sie kommt zum Beispiel in Gemeinschaftspraxen in Frage, wenn eine ärztliche Beratung in der Praxis stattgefunden hat und später ein Kollege den Patienten einige Tage danach telefonisch berät. In einer Einzelpraxis ist es jedoch nicht möglich, die 01435 bei einer telefonischen späteren Beratung anzusetzen, denn diese ist in der Versichertenpauschale enthalten.
Noch Spielraum im Budget?
Haben Sie aber Spielraum bei der 03230, also diese Ziffer in weniger als 50 Prozent abgerechnet? Dann sollten Sie darauf achten, dass die 03230 mehrfach pro Sitzung, und zwar je vollendete 10 Minuten abrechenbar ist: also etwa bei 23 Minuten zweimal, bei 30 Minuten dreimal.
Die 03230 darf im Übrigen auch bei der Beratung von Angehörigen und anderen Bezugspersonen angesetzt werden. Ebenso kann sie per Video erfolgen, dann sollte die Zusatzziffer 01450 und die 03230 mit der Ergänzung “V” abgerechnet werden, also 03230V.
Besonderheiten bei 35100/35110
Die Zahl der abgerechneten psychosomatisch geprägten Gespräche (35100, 35110 EBM) ist relativ budgetiert. Ihre Praxis wird bei der KV auffällig, wenn Sie entweder die beiden Ziffern plötzlich deutlich häufiger als im Vorquartal abgerechnet haben oder im Vergleich mit Ihren hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen in Ihrem Bundesland signifikant abweichen.
Ab welcher Prozentzahl die Praxis in den Augen der jeweiligen KV auffällig wird, können Sie bei der Abrechnungsabteilung Ihrer KV erfragen (siehe Kasten unten).
Tipp: Liegen Sie mit 35100 und 35110 EBM deutlich über Ihrer Vergleichsgruppe, dies aus Ihrer Sicht aber aufgrund des speziellen Klientels Ihrer Praxis indiziert ist, können Sie diesen Zustand als Praxisbesonderheit bei der KV anmelden.
Achten Sie zudem darauf, dass die psychosomatischen Ziffern zwingend an Diagnosen geknüpft sind. Wichtig: Bei Suchtkrankheiten und Abhängigkeitssyndrom dürfen sie nicht angesetzt werden (s. Checkliste). Dies geht nur anfangs bei der psychosomatischen Differentialdiagnostik: Hier ist die 35100 mit entsprechender Diagnose (mit Verdacht “V” oder Ausschluss “A”) möglich.
Anders als bei der 03230 geht es bei 35100/ 35110 um spezielle Gespräche als Maßnahmen zur psychosomatischen Grundversorgung (s. Psychotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses). Paragraf 27 Abs. 1 der Richtlinie regelt, bei welchen Indikationen Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung zur Anwendung kommen können:
- Affektive Störungen: depressive Episoden, rezidivierende depressive Störungen, Dysthymie
- Angst- und Zwangsstörungen
- Somatoforme Störungen und Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen)
- Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
- Essstörungen
- Nichtorganische Schlafstörungen
- Sexuelle Funktionsstörungen
- Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
- Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
Verdachts- und Ausschlussdiagnostik
Die Legende der 35100 lautet: “Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände”. Daraus folgt, dass diese auch bei einer Ausschlussdiagnostik (Zusatzkennzeichen “A”) oder Verdachtsdiagnostik (Zusatzkennzeichen “V”) abgerechnet werden kann.
Wichtig: Vermerken Sie schriftlich die ätiologischen Zusammenhänge der Symptomatik in der Patientenakte. Demgegenüber setzt die verbale Intervention nach 35110 eine gesicherte Diagnose mit dem Zusatzkennzeichen “G” voraus.
Dies ergibt sich daraus, dass nach der Legende ein solches Gespräch nur bei Vorliegen psychosomatischer Krankheitszustände abgerechnet werden kann. Die 35110 kann auch per Video erfolgen, dann mit dem Zusatz “V” hinter der Ziffer, also 35110V.
Cave: Wichtig bei allen aufgeführten Ziffern ist die kurze Dokumentation des Gesprächsinhalts, damit u.a. die Abrechnung gegenüber der KV gerechtfertigt werden kann.
Tipp: Hier spart es Zeit, die Gesprächsnotizen nicht zu schreiben, sondern mit Hilfsprogrammen zu diktieren. Das geht etwa auch gut auf Hausbesuchen. Gerade bei langen und komplexen Gesprächsinhalten bei den psychosomatischen Ziffern ist das Diktieren eine große Zeitersparnis!
Beratung zum Honorarbescheid
Eine Beratung ist für KV-Mitglieder jederzeit möglich. Gerade bei frisch Niedergelassenen macht dies Sinn. In solch einer Abrechnungsberatung wird Ihnen auch Ihr Honorarbescheid mit allen Ziffern ausführlich erklärt.
Darin können Sie erkennen, um wieviel Prozent Sie bei Ihren abgerechneten Ziffern unter oder über der Vergleichsgruppe liegen (in Rheinland-Pfalz Kategorie “Ansatz je 100 Fälle”: Praxis versus Prüfgruppe ergibt Abweichung in Prozent).
Gespräche im Pflegeheim
Oft stellt sich im Pflegeheim die Frage, wie Gespräche mit Angehörigen oder Pflege- sowie weiterem Fachpersonal abgerechnet werden können. Für Gespräche mit Angehörigen und weiteren Bezugspersonen steht die 03230 zur Verfügung.
Bei der 37120 und 01442 (je 9,88 Euro ohne Angabe von Zeiten) handelt es sich um die patientenorientierte Fallbesprechung mit der Pflegeeinrichtung unter Beteiligung der nötigen ärztlichen Fachdisziplinen und/oder weiterer komplementärer Berufe wie Physio- oder Ergotherapeuten sowie mit Pflegekräften des Heims.
Wichtig: Als betreuende Hausärzte sollten Sie einen Kooperationsvertrag mit dem Heim und der KV geschlossen haben. Sonst ist die 37120 EBM nicht abrechenbar. Sie ist – ebenso wie die 01442 EBM – dreimal im Krankheitsfall ansatzfähig.
Außerdem kann die 01442 im Gegensatz zur 37120 auch bei Videobesprechungen mit Pflege(fach)kräften abgerechnet werden, die in der Häuslichkeit der Erkrankten oder in einer beschützenden Einrichtung beteiligt sind. Es ist sinnvoll, dass Ihr Heim auch per Video erreichbar ist, damit Sie nicht wegen Kleinigkeiten ins Auto steigen müssen. Sehr viele Anlässe lassen sich aus unserer Erfahrung per Video gut lösen.
Kollegiale Gespräche oder Konsile
Bei Einholung eines Telekonsils bei Fachkollegen kann die 01670 (12,64 Euro, keine Zeitangabe) abgerechnet werden. Beachten Sie: Die Besprechung darf telefonisch oder auch per Mail erfolgen, aber muss per KIM-Brief oder -Nachricht in der Patientenakte dokumentiert werden, sonst darf diese Ziffer laut KV nicht abgerechnet werden!
Tipp: Sie können einen Überweisungsträger ausstellen, digital etwa im Adobe Reader unterschreiben und per KIM an Kollegen/in senden. Auf der Überweisung sind alle Patienten relevanten Daten vorhanden. Die Praxis kann den Patienten dann anlegen und den Kurz-Konsil-Arztbrief an Sie senden.
Zu dokumentieren sind: Beschreibung der medizinischen Frage, Zusammenstellung aller für die Beurteilung relevanten Patienteninformationen und Einholung von dessen Einwilligung.
Wenn Sie eine Telekonsil-Anfrage erhalten und beantworten, dürfen Sie die 01671 EBM (14,71 Euro, Dauer mindestens 10 Minuten, Ausschluss 01670) abrechnen. Diese Ziffer beschreibt die telekonsiliarische Beurteilung einer medizinischen Frage. Es ist ein schriftlicher Konsiliarbericht zu erstellen und per KIM zu versenden.