Berlin. 600 Arztpraxen müssten täglich schließen, wenn die Notfallreform der Regierungskommission umgesetzt würde, hat das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) ausgerechnet.
Denn wenn an Kliniken tatsächlich – wie die Kommission empfiehlt – Integrierte Notfallzentren je nach Notfallstufe in einen 24/7 oder auch Nachmittags/Feiertags-Betrieb eröffnet werden sollen, muss dafür ärztliches Personal aus der Regelversorgung abgezogen werden.
Für die INZ bzw. jetzt unter dem Namen Bereitschaftspraxis bekannten Einrichtungen könnten die notwendigen Ärztinnen und Ärzte nicht mehr ihre Kassenpraxen betreiben, erklärt das Zi.
420 INZ müssten mit Niedergelassenen besetzt werden
Auch der fahrende ärztliche Bereitschaftsdienst sollte auf Empfehlung der Kommission rund um die Uhr angeboten werden.
Die Kommission geht von 160 Krankenhäusern der Notfallstufe 3 und von 260 Krankenhäusern der Notfallstufe 2 aus.
Um die Präsenzzeiten der rund 420 INZ durch niedergelassene Allgemeinärzte, Internisten oder Chirurgen zu sichern, müssten rund 600 Vertragsarztpraxen täglich geschlossen werden, erklärt das Zi. Denn die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte müssen zum Dienst in den Bereitschaftspraxen verpflichtet werden und stünden somit nicht mehr zur medizinischen Versorgung ihrer Patienten bereit.
Mahnung vor gefährlichem Sogeffekt
„Wir müssen die Personalengpässe in der medizinischen Versorgung berücksichtigen. Wenn die Strukturen der Notfallversorgung dadurch entlastet werden, dass der Regelversorgung Personal entzogen wird, schmälert dies das Versorgungsangebot der Praxen. Wenn Patientinnen und Patienten auf diese Weise lernen, dass der Zugang zu ärztlicher Versorgung über die Angebote der Notfallversorgung einfacher ist, entsteht ein gefährlicher Sogeffekt weg von der Regelversorgung hin zur Notfallversorgung. Die zwangsläufige Folge wäre, dass die Notfallversorgung wieder überlastet wird“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
Die verfügbaren personellen Ressourcen müssten optimal eingesetzt werden. Dazu sei es zielführender, in andere Angebote zu investieren. Dazu gehöre zum Beispiel die telefonische oder digitale Terminvermittlung oder Beratung, so von Stillfried weiter.
„Auf der Grundlage strukturierter Ersteinschätzungsverfahren kann ein nach Dringlichkeit und Versorgungsbedarf passendes Angebot vermittelt werden und in vielen Fällen gleich eine telemedizinische Behandlung erfolgen“, so der Zi-Vorstandsvorsitzende.