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Neuer Leitfaden der AkdÄTipps für die Therapie mit Lipidsenkern

Ein neuer Leitfaden der AkdÄ hilft Ärztinnen und Ärzten, die richtige lipidsenkende Medikation für den einzelnen Patienten zu finden. Unter die Lupe genommen hat das Team neben Studiendaten zur Statintherapie auch Ezetimib, PCSK9-Hemmer und Bempedoinsäure.

Medikamentöse Lipidsenkung: Was bringt eine Therapie mit Statinen, Ezetimib, PCSK9-Hemmer oder Bempedoinsäure?

Berlin. Von welcher lipidsenkenden Therapie profitiert mein Patient? Das ist nicht immer ganz einfach zu beantworten. Mit einem Leitfaden zur medikamentösen Cholesterinsenkung will die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bei der Wahl der richtigen Medikation jetzt helfen. Geeignet ist der Leitfaden für Menschen mit heterozygoter familiärer oder nichtfamiliärer Hypercholesterinämie sowie gemischten Dyslipidämien.

Die Autorinnen und Autoren haben darin genau zusammengefasst, ob für eine Therapie mit Statinen, Ezetimib, PCSK9-Hemmer oder Bempedoinsäure tatsächlich durch Studien belegt ist, dass kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle verhindert werden. Grundsätzlich ist es aus Sicht der AkdÄ nicht möglich, vom Ausmaß der LDL-C-Senkung auf den Nutzen von Lipidsenkern zu schließen.

Bei der Therapieentscheidung sollte die Frage nach dem Ziel der Behandlung am Anfang stehen – und das kann nur gemeinsam mit dem Patienten beantwortet werden, erinnert die AkdÄ.

Wichtig ist auch, zunächst das kardiovaskuläre Ausgangsrisiko des Betroffenen einzuschätzen. Dabei helfen Algorithmen: Die Leitlinie der DEGAM empfiehlt hier beispielsweise arriba (www.arriba-hausarzt.de), die ESC-Guideline empfiehlt SCORE2 bzw. SCORE2-OP (mehr dazu: www.hausarzt.link/L5tCd).

Statine in der Primärprävention

Welchen Einfluss das Ausgangsrisiko auf die Therapieentscheidung hat, macht die AkdÄ unter anderem in ihrem Fazit zur Statintherapie klar: „Die meisten Patientinnen und Patienten [ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung] können eine relative Risikoreduktion kardiovaskulärer Ereignisse von etwa 30 Prozent durch moderat dosierte Statine erwarten“, heißt es dort.

Statine reduzierten in den untersuchten Studien das relative Risiko, einen Myokardinfarkt (–36 Prozent) oder Schlaganfall (–29 Prozent) zu erleiden. Auch die Gesamtmortalität wurde signifikant gesenkt (–14 Prozent).

Grundsätzlich gilt aber: Je höher das Ausgangsrisiko für kardiovaskuläre Ereignisse, desto mehr profitiert der oder die Betroffene. Bei einem hohen Ausgangsrisiko (20 Prozent in 10 Jahren) ist eine absolute Risikoreduktion kardiovaskulärer Ereignisse von 6 Prozent durch eine zehnjährige Statintherapie zu erwarten.

Hat der Patient ein kardiovaskuläres Risiko von lediglich 5 Prozent in 10 Jahren, liegt der erwartbare Nutzen einer zehnjährigen Statintherapie bei einer absoluten Risikoreduktion von nur 1,5 Prozent.

Menschen mit Diabetes profitieren von einer moderaten Statintherapie etwas mehr als Menschen ohne Diabetes, bei Herzinsuffizienz ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankung oder terminaler Niereninsuffizienz ist ein Nutzen der Statintherapie laut Leitfaden nicht belegt. Auch bei Älteren über 75 Jahre ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung ist demnach unsicher, ob sie von Statinen profitieren.

Die in dem Leitfaden erfassten Primärstudien untersuchten überwiegend niedrig bis moderat dosierte Statine. Ob Patienten in der Primärprävention von einer Hochdosistherapie oder einer Titration nach bestimmten LDL-C-Zielwerten profitieren sei nicht belegt, resümiert die AkdÄ.

Im Allgemeinen seien Statine überwiegend gut verträglich. Schwerwiegende Risiken (hämorrhagische Schlaganfälle, Typ-2-Diabetes oder schwere Leberfunktionsstörungen) seien selten.

AkdÄ-Fazit für die Praxis: Für Personen unter 75 Jahren ohne Herzinsuffizienz oder Dialyse, die ein hohes kardiovaskuläres Risiko haben, überwiegt der Nutzen einer moderaten Statintherapie für die Primärprävention deutlich die seltenen schwerwiegenden Risiken.

Statine in der Sekundärprävention

Profitieren Patientinnen und Patienten mit kardiovaskulärer Erkrankung von einer Intensivierung der Statintherapie (fixe Dosissteigerung oder Titration der Statindosis in Abhängigkeit von LDL-C-Zielwerten)? Hier liegen laut AkdÄ nur für Menschen mit manifester KHK ausreichend Studiendaten zur Statinhochdosis vor. Es gebe keine Daten zu einer Hochdosistherapie bei kardiovaskulären Erkrankungen wie pAVK oder ischämischer Schlaganfall.

Für Menschen mit manifester KHK kommt der Leitfaden zu dem Schluss, dass Statine in moderater Dosierung die Sterblichkeit und das Risiko für Myokardinfarkte und Schlaganfälle reduzieren. Eine weitere Steigerung der Statindosis senke das Risiko für nichttödliche Myokardinfarkte nur gering: Um einen zusätzlichen Myokardinfarkt zu verhindern, müssten 100 Personen über fünf Jahre eine Hochdosistherapie statt einer moderaten Statindosis erhalten.

Diesem Nutzen stehe ein höheres Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes gegenüber (auf die Risiken einer Statinhochdosis wird in dem Leitfaden gesondert eingegangen). Außerdem treten gehäuft Muskelbeschwerden und Leberfunktionsstörungen auf. Die Dosissteigerung beeinflusst des Weiteren weder die kardiovaskuläre Sterblichkeit noch die Gesamtsterblichkeit.

In Bezug auf die zielwertgesteuerte Statintherapie schreibt die AkdÄ: „Es gibt keine randomisiert-kontrollierte Studie (RCT), die in der Sekundärprävention eine zielwertgesteuerte Statintherapie mit Statinen in fester Dosis vergleicht. In RCTs mit unterschiedlich intensiven Titrationsstrategien wurden Statinen mit anderen Lipidsenkern kombiniert.

Aus den vorliegenden Daten lässt sich nicht beurteilen, ob eine zielwertgesteuerte Statintherapie wirksamer ist als eine feste Statindosis moderater Intensität.“

AkdÄ-Fazit für die Praxis: Aus Sicht der AkdÄ sind Nutzen und Risiken einer Hochdosistherapie gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten individuell abzuwägen. Ein Nutzen sei nur bei manifester KHK ohne begleitende Herzinsuffizienz oder fortgeschrittene Nierenfunktionsstörung gesichert. Eine Beurteilung der zielwertgesteuerten Statintherapie ist laut AkdÄ nicht möglich.

Ezetimib in der Sekundärprävention

Auch hier weist der Leitfaden darauf hin, dass an der relevanten Studie „Improve-It“ nur Menschen mit akutem Koronarereignis teilgenommen haben. Bei diesen senkte Ezetimib zusätzlich zu einer moderaten Statindosis die Häufigkeit von nicht tödlichen Herzinfarkten. Der Effekt sei aber gering: Um einen nicht tödlichen Myokardinfarkt zu verhindern, müssten 63 Personen sieben Jahre Ezetimib zusätzlich zu Simvastatin 40 mg erhalten.

Am deutlichsten profitieren Menschen über 75 Jahre und Personen mit Diabetes. Die Sterblichkeit werde aber nicht beeinflusst.

Derzeit gebe es keine Daten, ob Patientinnen und Patienten mit Statinhochdosis von einer zusätzlichen Ezetimib-Gabe profitieren. Auch der Nutzen von Ezetimib als Monotherapie, etwa bei Statinunverträglichkeit, lasse sich mangels Daten nicht beurteilen.

AkdÄ-Fazit für die Praxis: Bei Menschen mit akutem Koronarsyndrom kommt Ezetimib zusätzlich zu einer moderaten Statindosis am ehesten für Menschen über 75 Jahre und Personen mit Diabetes in Frage, Nutzen und Risiken müssen aber abgewogen werden. Die Sterblichkeit wird nicht beeinflusst. Keine belastbaren Daten gibt es zu Ezetimib zusätzlich zu einer Statinhochdosis sowie Ezetimib als Monotherapie.

PCSK9-Hemmer in der Sekundärprävention

„Bei Patientinnen und Patienten mit symptomatischen kardiovaskulären Erkrankungen, die Statine in moderater oder hoher Dosis erhalten, senkt die zusätzliche Gabe von PCSK9-Hemmern [Alirocumab oder Evolocumab] die Häufigkeit von Myokardinfarkten und ischämischen Schlaganfällen“, schreibt das Autorenteam.

Auch hier sei der Effekt jedoch gering (absolute Risikoreduktion von Myokardinfarkten um 1,0–1,2 Prozent und von ischämischen Schlaganfällen um 0,4 Prozent über eine Behandlungsdauer von etwa 2,5 Jahren).

Es gebe Hinweise, dass Menschen in Europa und Personen mit einem LDL-C-Ausgangswert <100 mg/dl weniger von PCSK9-Hemmern profitieren. Außerdem scheinen von Alirocumab nur Personen mit einem LDL-C Ausgangswert ≥­100 mg/dl einen Vorteil zu haben.

Ein weiterer Punkt: „Die bisherigen Studien belegen nicht, dass PCSK9-Hemmer die Gesamt- oder kardiovaskuläre Sterblichkeit verringern. Zudem liegen keine ausreichenden Daten vor, um die Wirksamkeit von PCSK9-Hemmern bei Statinintoleranz oder bei einer vorbestehenden Kombinationstherapie aus Ezetimib und Statinen zu beurteilen.“

Bezüglich der Nebenwirkungen gebe es keine Hinweise auf gehäufte Neudiagnosen von Diabetes oder Leberwerterhöhungen. Die Dauer der Studien sei aber zu kurz, um die neurokognitive Funktion unter PCSK9-Hemmern abschließend zu beurteilen.

AkdÄ-Fazit für die Praxis: Bei Menschen mit symptomatischen kardiovaskulären Erkrankungen, die Statine in moderater oder hoher Dosis erhalten, hat ein zusätzlicher PCSK9-Hemmer einen geringen Effekt auf das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko. Bisher ist nicht belegt, dass PCSK9-Hemmer die Gesamt- oder kardiovaskuläre Sterblichkeit reduzieren. Auch die Daten zur Wirksamkeit bei Statinintoleranz oder bestehender Ezetimib-Statin-Kombinationstherapie sind unzureichend.

Wichtig: Wird ein PCSK9-Hemmer im Einzelfall in Betracht gezogen, ist ein Blick in Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ratsam. Denn hier sind Verschreibungseinschränkungen zu Evolocumab, Alirocumab und Inclisiran geregelt.

Bempedoinsäure in der Sekundärprävention

Aktuell lässt sich dem Leitfaden zufolge nicht beurteilen, ob durch Bempedoinsäure kardiovaskuläre Ereignisse tatsächlich verhindert werden. Wie stark das LDL-C gesenkt werde, sei abhängig von der begleitenden Statintherapie: Zusätzlich zu einer moderat- bis hochdosierten Statintherapie senke Bempedoinsäure das LDL-C um etwa 16 Prozent; ohne begleitende Statintherapie oder bei sehr niedrigen Statindosen werde das LDL-C um etwa 23 Prozent gesenkt. Ob dies aber Einfluss auf Krankheitslast oder Sterblichkeit hat, wurde bisher aber nicht untersucht.

Zu den Nebenwirkungen heißt es: „Unter Bempedoinsäure traten gehäuft Gichtsymptome auf. Außerdem verschlechterte sich häufiger die Nierenfunktion. Bei gleichzeitiger Gabe von Statinen klagten die Patienten vermehrt über Muskelbeschwerden. Die Sicherheit einer langfristigen Anwendung lässt sich mangels ausreichender Daten aktuell nicht beurteilen.“

Die AkdÄ weist abschließend darauf hin, dass die Studie „Clear Outcomes“ nach Redaktionsschluss veröffentlicht wurde. Eine zeitnahe Aktualisierung des Kapitels sei daher geplant.

AkdÄ-Fazit für die Praxis: Daten zu einer adäquaten Risiko-Nutzen-Abschätzung von Bempedoinsäure sind derzeit nicht ausreichend.

 

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