© Der Hausarzt Kostenschätzung zusätzlicher Arbeitsplatz im Homeoffice
Die meisten Praxisverwaltungssysteme (PVS) laufen auf Windows. Linux, Apple oder Cloud-PVS sind wenig verbreitet. Der Beitrag beschränkt sich daher auf “normale” Windowsnutzer mit “normalen” PVS, die keine eigene “Fernzugriffsoption” implementiert haben. Auch hier kann mit geringen Investitionen fast alles ermöglicht werden, was modernere PVS bieten.
Homeoffice für wen?
Homeoffice bietet sich an für Arbeitskräfte (MFA/Ärztin), die sonst etwa wegen Schwangerschaft freigestellt werden müssten, aber auch für Personal, das Kinder betreut oder einem Hobby nachgeht. Kurzum für diejenigen, bei denen ein ständiges “hin und her” zwischen Praxis und Wohnung schlecht umsetzbar ist.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Kombination einer Vormittagssprechstunde mit Telefon-/Videosprechstunde am Spätnachmittag oder Abend aus dem Homeoffice. Auch Hausbesuche können abends zuhause nachdokumentiert werden. Denn heute ist es technisch obsolet, dafür am Praxis-PC sitzen zu müssen.
1. Fernzugriff einrichten
Um einen Fernzugriff einzurichten, liefert Windows kostenlos eigene Mittel mit: das Remote Desktop Protokoll (RDP; www.hausarzt.link/ esJpq ). Ein Plus: Es braucht keine große Bandbreite bei der Internetverbindung, um normale PVS-Anwendungen auszuführen. Selbst über schlechtes Mobilfunknetz ist oft ein sehr guter Fernzugriff möglich.
Darüber hinaus gibt es kostenpflichtige (etwa Teamviewer) oder gratis Open Source-Alternativen als Remote Desktop (gute Übersicht unter www.hausarzt.link/xAbuV ).
Merke : Mit RDP kann man von Computer im Homeoffice (PC-H) auf Computer in Praxis (PC-P) zugreifen und daran arbeiten, als säße man real davor, obwohl man örtlich getrennt ist! Ist der Computer in Praxis ein echter PC, muss dieser angeschaltet sein und kann in der Praxis nicht zeitgleich benutzt werden.
Darüber hinaus kann Computer P auch eine Terminalinstanz oder eine “virtuelle Maschine” (VM; siehe Kasten unten) sein. Um welche Art es sich handelt, ist hier erstmal unrelevant.
Virtuelle Maschine
Das sind vereinfacht gesagt virtuelle PC, sie führen Dateien auf einem physischen PC aus – ein physischer PC wird “nachgeahmt” (emuliert). Hier läuft beispielsweise auf dem Server eine zusätzliche Instanz eines Computers. Je nach Lizenz kann der Windows-Server einen oder mehrere physisch nicht existierende PC, auf denen die Praxissoftware installiert sind, emulieren.
Quelle: Wikipedia (www.hausarzt.link/yYGjt )
2. Fernzugriff sichern
Innerhalb eines nach außen abgeschirmten Netzwerks ist die Nutzung von RDP gefahrlos möglich. Bei Fernzugriff von außerhalb ist das aber anders! Öffnet man sein Praxisnetz ins Internet, entsteht ein potenzielles Einfallstor. Dies muss laut IT-Sicherheitsrichtlinie (www.hausarzt.link/RbFhR ) mit einer Firewall unterbunden werden.
Wichtig : Um sicheren Fernzugriff zu bekommen, benötigt man ein sogenanntes Virtuelles Privates Netzwerk (VPN; www.hausarzt.link/uPFB7 ). Vereinfacht gesagt wird vom PC-H im Heimnetz eine verschlüsselte und sichere getunnelte Verbindung zu PC-P im Praxisnetz hergestellt, auf die andere nicht zugreifen können.
Neben kostenpflichtigen proprietären Lösungen, die oft etwa der Router-Hersteller bereitstellt, gibt es kostenlose Open Source Software für eine sichere Verbindung (diese können aber ggf. mehr Konfigurationszeit und Kosten bei der Einrichtung bedeuten!).
3. Home-PC findet Praxisnetz
Technisch muss der PC-H nun noch von außerhalb das Praxisnetz im Internet finden. Dazu brauchen Sie eine “feste IP” (bieten Telefonanbieter meist als Option an) oder eine Softwarelösung, die Router oder dynamischer DNS-Dienst bereitstellen (www.hausarzt.link/c7avi ). Ob Einstellungen an der Praxis-Firewall erforderlich sind, ist immer individuell vor Ort zu klären.
Wichtig : Der PC-H wird damit Teil des Praxisnetzes und ist daher gemäß IT-Sicherheitsrichtlinie zu schützen. Es empfiehlt sich, eigenständige PC wie etwa einen Laptop als PC-H zu nutzen. Der Gaming-PC der Kinder ist definitiv falsch! Erfreulicherweise reicht bereits die Leistung eines PC, der nur für Windows und Microsoft Office taugt, für RDP aus – und dieser kostet nur wenige Hundert Euro.
Entscheidend ist die ausreichende Rechenleistung des Praxis-PC und – weniger wichtig – die Internetbandbreite.
Merke : Kann der PC-P (oder der Server mit VM) die Aufgaben in der Praxis erfüllen, ist dort keine extra Investition nötig.
4. Telefon-Anbindung
Nun fehlt noch eine telefonische Anbindung des Heimarbeitsplatzes. Technisch sehr einfach und für den Start zu empfehlen geht es mit einer temporären Rufweiterleitung.
Aus Erfahrung ist dies für eine MFA im Homeoffice zu empfehlen, die beispielsweise vormittags den Telefondienst vom Empfang übernimmt. Indem die Telefonate am Empfang entfallen, wird die Praxistätigkeit beruhigt.
Merke: Je nach Telefonvertrag kostet die Umleitung. Hier sind Flatrate-Tarife zu empfehlen. Zudem wird ein “fremdes” Telefon im Homeoffice mitgenutzt, sofern diejenige kein Diensthandy besitzt, das ggf. extra kostet. Hieran oder an den Internetkosten können Sie sich als Arbeitgeber sozialabgabenfrei beteiligen. Fragen Sie dazu Ihr Steuerbüro.
Praxistipp: Unbedingt Rufnummernunterdrückung beim Raustelefonieren der MFA aktivieren!
Einsatzmöglichkeiten im Homeoffice im Überblick
alles physisch patientenferne
Terminvereinbarung
Buchhaltung
Abrechnungskontrolle
Schreib- und Dokumentationstätigkeit
DMP
Controlling
Telefon- und Videosprechstunde
Alternative IP-Telefonie
Eleganter wird es mit IP-Telefonie. Hier gibt es einerseits professionelle, aber leider oft teure Lösungen, die die Telefonanlage räumlich von der Praxis trennen. Was aber viele IT-Spezialisten nicht wissen: Mit wenigen Tricks kann man auch über RDP telefonieren!
Dafür muss die Telefonanlage der Praxis IP-fähig sein. Dann kann jeder Praxis-PC mit kostenloser Software und einem günstigen Headset zu einem “Softphone” (www.hausarzt.link/WCWVv ) aufgerüstet werden.
Merke : Wenn PC-P in der Praxis telefonieren kann, kann das auch PC-H im Homeoffice, so als säße man in der Praxis!
Softphone ist bereits bei den meisten Praxen möglich. Alternativ können Sie zum Beispiel eine IP-fähige FritzBox als kostengünstige Erweiterung “neben” Ihrem professionellen Router, Firewall/Telefonanlage einbinden lassen.
Die “Rauchenden Köpfe” haben dafür eine beispielhafte Anleitung zur Einrichtung mit kostenloser Software erstellt (siehe Link-Tipp unten).
Ärztliche Aufgaben im Homeoffice
Einen Überblick über mögliche Tätigkeiten im Homeoffice listet der Kasten auf. Kritiker werden sagen: Aber wie kann ich als Arzt Rezepte oder AU im Homeoffice unterschreiben? Hier kommt die Telematikinfrastruktur (TI) mit Komfort- und Stapelsignatur “wie gerufen”!
Ist die qualifizierte elektronische Signatur (QES) an PC-P “in der Praxis” möglich, so ist sie dies auch an PC-H im Homeoffice. Haben Sie morgens am Kartenterminal die PIN physisch eingegeben, stehen Ihnen 250 QES in 24 Stunden zur Verfügung, ohne das Kartenterminal nochmal zu berühren.
Tipp : Mehr als die Kartenterminals am Empfang und eines im Backoffice braucht derzeit eher keine Praxis. Manchmal werden Praxen dahingehend “beraten”, dass dies an jedem Arbeitsplatz nötig sei. Ist es aus unserer Sicht aber nicht (mehr www.hausarzt.link/E-Rezept )!
Ergänzend ist zu erwähnen, dass Kartenterminals auch im Homeoffice per VPN an das Praxisnetz und den Konnektor für physische PIN-Eingabe installierbar sind. Zum Beispiel werden Rechenzentrums-Konnektoren (TI as a Service) auch per VPN von der Praxis aus angebunden. Dies sollte man aber nur anstreben, wenn einen die 250 QES in 24 Stunden zu sehr einschränken, da ein zusätzliches Kartenterminal einiges kostet.
Fazit: Morgens in der Praxis zu arbeiten, nachmittags von MFA vorbereitete E-Rezepte zu kontrollieren und signieren und ggf. in der Praxis auszudrucken, können Sie so besser mit Ihrem Privatleben kombinieren. Gerade in Praxen mit größerem ärztlichem Team können Sie so flexibler arbeiten.