© Der HausarztZustimmung zu Maßnahmen zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung innerhalb des Samples
Im Mittelpunkt sehen die Befragten eine “nicht ausreichende Attraktivität der Hausarztmedizin für angehende Mediziner” (I-32m). Mehr als die Hälfte des Samples bescheinigt eine aktuell noch zu niedrige Anziehungskraft des hausärztlichen Bereichs für den ärztlichen Nachwuchs.
Viele Interviewte kommen in diesem Zusammenhang auf eine ungeregelte und ineffektive Arbeitsteilung zwischen den Sektoren in der Regelversorgung zu sprechen, die als “erheblicher Hemmschuh für die Hausarztmedizin” (I-22m) erlebt wird. Die Abwesenheit eines Primärarztsystemsin der Regelversorgungverkompliziere die Tätigkeit von Hausärzten “wirtschaftlich, zeit- und ressourcenbezogen” (I-59w); das Navigationsverhalten von Patienten im Gesundheitssystem sei oft willkürlich.
Dass hier eine essenzielle Stellschraube für eine bessere Patientenversorgung liegt, zeigt seit Jahren – auch wissenschaftlich belegt – die hausarztzentrierte Versorgung (HZV) als freiwilliges Primärarztsystem. Hier findet unter anderem eine deutlich effizientere Arbeitsteilung statt.
Im Alltag ersehnt: Entbürokratisierung
Nicht explizit abgefragt wurde eine Maßnahme, die Hausärzte im Praxisalltag ebenso fordern wie der Deutsche Hausärzteverband: der Abbau von Bürokratie. Stand heute fließt ein großer Teil der ärztlichen Zeit in bürokratische Auflagen, was zu Unzufriedenheit führt. Ende Januar hat Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) ein “Entbürokratisierungs-Gesetz” angekündigt.
Die Befragten monieren zudem Aus- und Weiterbildung. Derzeit sei es so, dass selbst diejenigen angehenden Medizinerinnen und Mediziner, die mit einer hausärztlichen Per-spektive liebäugelten, aufgrund “mangelnder Vorbereitung” (I-42m) dann von einer hausärztlichen Tätigkeit Abstand nehmen.
Als Unsicherheitsfaktoren werden unter anderem Fragen der Selbstständigkeit und des Praxismanagements genannt. Auch habe man zu lange vorausgesetzt, “dass schon ein Teil der Studierenden automatisch Hausärzte werden” (I-3w) anstatt bereits bei der Zulassung zum Studium “nach den Richtigen Ausschau zu halten und diese zu fördern” (I-64m).
Reichen bisherige Maßnahmen aus?
Nach ihrem generellen Eindruck gefragt, wie sie die bislang ergriffenen Maßnahmen zur Sicherung der Hausarztmedizin beurteilen, fällt das Fazit der meisten eher reserviert aus. Bisherige Maßnahmen werden zwar als in die richtige Richtung weisend, jedoch zu halbherzig wahrgenommen.
Kritisiert wird etwa, dass viele Länder keine On-top-Quoten für die teils eingerichtete Landarztquote (S. 18f) beschlossen haben, sondern einen Anteil der bestehenden Studienplätze hierfür vorsehen.
Ferner wird wahrgenommen, dass der Masterplan Medizinstudium 2020 immer noch nicht komplett umgesetzt wurde.
Während beim Medizinstudium immerhin Reformbemühungen erkennbar seien, gebe es im Bereich der Weiterbildung noch “zu starke Beharrungskräfte”. Immerhin werden die flächendeckend eingerichteten Kompetenzzentren, die die allgemeinmedizinische Weiterbildung flankieren sollen, klar positiv beurteilt.
Masterplan 2020 muss real werden
Zusammenfassend zeigt sich, dass Hausärzte Konzepten den Vorrang geben, die zu einer Stärkung der allgemeinärztlichen Rolle im Gesundheitssystem führen. Auch wünschen sich viele Interviewte eine Anpassung der Aus- und Weiterbildung.
Neben veränderten Zulassungskriterien oder einer stärkeren inhaltlichen Restrukturierung des Medizinstudiums plädieren die Interviewten für Interventionen im Verlauf des Studiums (longitudinale Begleitprogramme), die Studierenden hausärztliches Arbeiten erfahrbar machen, Unsicherheiten nehmen und diagnostische Fähigkeiten schulen.
Der längsschnittliche Unterricht durch Allgemeinmedizin ist ein Kernpunkt im Masterplan Medizinstudium 2020 [14, 15]. Der Deutsche Hausärzteverband drängt daher bereits seit Jahren auf die Umsetzung des Masterplans. Im Januar hat Gesundheitsminister Lauterbach verkündet, dass endlich eine Einigung mit den Ländern vorliege siehe Artikel “Gute Vorsätze fürs neue Jahr“).
Weitere Schwerpunkte gelten der Stärkung der Weiterbildung und dem (verstärkten) Aufbau multiprofessioneller Versorgungszentren, die interdisziplinäre Vernetzungsstrategien nutzen können. Vergleichsweise zurückhaltend sind die Befragten mit Blick auf den Nutzen der Landarztquote oder wenn es darum geht, Quereinsteiger verstärkt für die Hausarztmedizin zuzulassen [11].
Fazit
- Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner sehen zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung Handlungsbedarf: Als Hauptansatzpunkte werden in qualitativen Interviews v.a. strukturelle Problematiken im Zusammenhang des deutschen Gesundheitssystems, aber auch der Aus- und Weiterbildung identifiziert.
- Eine Zukunft sehen sie für neue Arbeits- und Beschäftigungsmodelle als Antwort auf veränderte Bedürfnisse des hausärztlichen Nachwuchses [16, 17].
- Hausärztinnen und Hausärzte sowie deren Erfahrungen sollen bei der Diskussion von Maßnahmen zur Deckung des steigenden Bedarfs von Primärversorgern in ärztliche und wissenschaftsnahe Gremien konsequent mit einbezogen werden, wünschen sich die Befragten.
Mögliche Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.
Literatur
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- Robert Bosch Stiftung. Gesundheitszentren für Deutschland. Wie ein Neustart in der Primärversorgung gelingen kann. https://www.bosch-stiftung.de/sites/default/files/publications/pdf/2021-05/Studie_Primaerversorgung_Gesundheitszentren-fuer-Deutschland.pdf
- Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Berlin: SVR, 2014
- DEGAM. Wir brauchen ein Primärarztsystem. Positionspapier. www.degam.de/files/Inhalte/Degam-Inhalte/Ueber_uns/Positionspapiere/DEGAM_Positionspapier_Primärarztversorgung_final_neu.pdf
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- Gemeinsamer Bundesausschuss. Über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung. https://www.g-ba.de/downloads/62-492-1109/BPL-RL_2015-10-15_iK-2016-01-06.pdf
- Delker P, Gensichen J. Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung – eine Erhebung zu bayerischen Fördermaßnahmen. Z Allg Med 2021; 97: 263-268
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- Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche. https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2014/Langfassung2014.pdf
- DEGAM. https://www.degam.de/files/Inhalte/Degam-Inhalte/Ueber_uns/Positionspapiere/DEGAM-Positionspapier_WBO_Quereinstieg.pdf
- Kaduszkiewicz H, Teichert U, van den Bussche H. Ursachen und Abhilfestrategien für den Mangel an Hausärzten und Amtsärzten in unterversorgten Gebieten – Eine kritische Analyse. Bundesgesundheitsblatt 2018; 61: 187-189
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- Bundesministerium für Bildung und Forschung. Masterplan Medizinstudium 2020. https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/2017-03-31_masterplan-beschlusstext.pdf;jsessionid=59CD41D2433044888180C57B3A030893.live471?__blob=publicationFile&v=1
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