Mit dem (Ehe-)Partner zusammenzuarbeiten, birgt Konfliktpotenzial. Nicht so bei Familie Lammerding. “In dem Moment, als feststand, dass wir beide in die Allgemeinmedizin gehen, war für uns klar, dass nur eine gemeinsame Niederlassung Sinn macht”, sagt Dr. Christian Lammerding.
“Zwei getrennte Praxen kamen für uns zu keinem Zeitpunkt in Frage. In einer Gemeinschaftspraxis haben wir als Paar einfach mehr Zeit zusammen.”
So haben sie Ende 2021 eine Hausarztpraxis im nordrhein-westfälischen Horstmar übernommen. Die beiden teilen sich einen Arztsitz, unterstützt werden sie von ihrem 59-jährigen Kollegen Dr. Reinhard Stahl.
Er hatte die Praxis zuvor mit einem anderen Partner geführt, der Ende 2020 mit 76 Jahren aus Altersgründen ausgeschieden war.
Als Landärzte auf dem Bauernhof
Unweit der Praxis: Hühner gackern, Schafe blöken, Hunde bellen. Es sind die Tiere von Dr. Christian Lammerding und seiner Frau Anja, die als “richtige Landärzte” auf einem Bauernhof unweit der Praxis leben.
Eng stimmen sie sich bei Kinderbetreuung, Praxisorganisation und Tierversorgung ab. “Für uns ist das unser gemeinsames Projekt, das uns mit Sinn erfüllt. Damit schalten wir auch ab”, sagt Dr. Christian Lammerding.
Für ihn war die Tatsache, dass ihm das Familienleben so wichtig ist, ein Grund, der für die Allgemeinmedizin gesprochen hat.
Während seiner Frau bereits zu Klinikzeiten klar war, dass sie in die Hausarztmedizin gehen möchte, war es bei ihm ein “Ausprobieren mit letztlich positivem Ergebnis”, sagt er.
Begann ihr Weg anfangs in verschiedenen Hausarztpraxen, fiel mit dem Ausscheiden des 76-jährigen Kollegen in der damaligen Weiterbildungspraxis von Anja Lammerding die endgültige Entscheidung für die Niederlassung: “Wir haben uns entschlossen, den Sitz gemeinsam zu übernehmen.”
Heute ist ihr Alltag durch einen hohen Anteil an Familienzeit geprägt: Es gibt einen Papa-Tag sowie einen Mama-Tag pro Woche, an zwei Vormittagen die Woche ist die zweijährige Tochter bei einer Tagesmutter, an einem Tag bei der Oma. “An den Nachmittagen sind wir immer für sie da”, sagt Anja Lammerding.
Konsil am Abendbrottisch
Die Grenzen zwischen Privat und Praxis sind dabei fließend. Während andere Partner abends nicht mehr über die Arbeit sprechen wollen, kommt es bei ihnen durchaus mal vor, dass beim Abendbrot noch über einen gemeinsamen Patienten gesprochen wird.
“Wir sind medizinisch auf einer Wellenlänge”, sagt Anja Lammerding. “Ich empfinde diese Gespräche daher nicht als stressig oder rein beruflich, sondern als Bereicherung.”
Damit der Alltag reibungslos läuft, ist ein hohes Maß an Routine hilfreich, haben die beiden für sich entschieden: Das gemeinsame Mittagessen zu dritt ist eine feste Größe im Tagesablauf, Pflichten wie Wocheneinkauf und Wäsche sind klar aufgeteilt und werden nicht jede Woche neu diskutiert, wochenends werden meist die Tiere versorgt.
Eine beispielhafte Regel im Hause Lammerding? “Ich koche, dafür macht er die Hausbesuche”, sagt Anja Lammerding lachend.
Nichtsdestotrotz gebe es immer wieder Momente, in denen neu überlegt werden müsse. In der Praxis etwa seien viele Abläufe (noch) nicht klar aufgeteilt, da helfen die monatlichen Teamsitzungen.
Im Privatleben achten die beiden drauf, im Gespräch zu bleiben. Einen digitalen Kalender oder spezielle Tools, um die täglichen To-dos zu verteilen, brauchen sie dafür nicht. “Wir setzen vielmehr auf kurze Wege, besprechen Aufgaben kurzfristig am Esstisch”, sagen die Eheleute – ganz ohne Konfliktpotenzial.