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PsychotherapieWas tun für psychisch belastete Patienten?

Im Praxisalltag bleibt oft wenig Zeit, um auf Leiden wie Erschöpfung oder Depression einzugehen. Jedoch gibt es psychotherapeutische Techniken, die sich auch für die Hausarztpraxis eignen. Dr. Sandra Blumenthal und Dr. Tobias Samusch stellten bei der practica einige Kurzinterventionen vor.

Viele psychisch belastete Patienten benennen zwar ein Problem, haben aber kein Ziel vor Augen.

Es ist bereits später Nachmittag, das Wartezimmer ist voll. Gerade sitzt eine 32-jährige Frau vor Ihnen. Sie hat zwei Kinder, ist alleinerziehend und arbeitet als Erzieherin in einer Krippe. Schon seit einiger Zeit leidet sie unter Schlafstörungen; zusätzlich klagt sie seit vier Wochen über Nackenschmerzen, die sich unter Ibuprofen nicht bessern.

Ihr kleiner Sohn weint auf ihrem Arm, die Tochter wartet zu Hause. “Bitte. Ich kann einfach nicht mehr. Ich funktioniere nur noch, aber ich bin so erschöpft. Bitte tun Sie etwas…”.

Ressourcen aktivieren

Denken Sie bei erschöpften Patienten an das Akronym “AWR”. “A” steht für Autonomie, “W” für Wertschätzung und “R” für Ressourcenaktivierung. Erinnern Sie die Betroffenen also zunächst an ihre Kompetenzen (“Sie sind eine starke Frau”), äußern Sie sich wertschätzend (“Bewundernswert, was Sie schon alles ausgehalten haben”) und ermutigen Sie sie dazu, auf die eigenen Ressourcen zurückzugreifen (“Wer könnte Ihr Kind betreuen?”).

Beim Bewusstmachen der eigenen Ressourcen hilft eine Ressourcen-Checkliste,die Sie den Patienten geben können (erhältlich etwa unter www.hausarzt.link/hEZjW).

Ziel entwickeln

Viele psychisch belastete Patienten benennen zwar ein Problem (zum Beispiel: “Ich habe Schmerzen”), haben aber kein Ziel vor Augen. Ihnen können Sie helfen, vom problembehafteten Denken in die Lösungsorientierung zu gelangen – durch die Entwicklung eines beschreibbaren motivationalen Meta-Ziels.

So ein Ziel wäre zum Beispiel: “Ich möchte meine Enkelkinder besuchen können.” Kriterien für wohlgeformte Ziele finden Sie in Tab. 1 unten. Unterstützen kann etwa die berühmte Wunderfrage von Steve de Shazer: “Angenommen, während Sie schlafen, geschieht ein Wunder und Ihr Problem ist gelöst. Woran würden Sie das am nächsten Morgen merken?”

Grübeln stoppen

Entspannungsmethoden gibt es viele. Blumenthal und Samusch empfehlen unter anderem die “54321-Übung” nach Yvonne Dolan, um Grübeln und quälende Gedanken zu stoppen. Hier benennen die Patienten (laut oder in Gedanken) nacheinander fünf Dinge, die sie sehen (“Ich sehe die Lampe”), dann fünf Dinge, die sie hören (“Ich höre, dass ein Auto vorbeifährt”), und schließlich fünf Dinge, die sie spüren (“Ich spüre die Stuhllehne in meinem Rücken”). A

nschließend benennen sie jeweils vier Dinge, die sie sehen, hören und spüren können; danach drei, zwei und schließlich eine Sache. Die Übung hat Gemeinsamkeiten mit verschiedenen östlichen Meditationsformen, ist jedoch leichter zu erlernen.

Sie eignet sich besonders gut für traumatisierte Patienten, welche oft dazu neigen, beim Schließen der Augen oder bei Fokussierung des inneren Erlebens in emotional belastende Gedanken oder Erinnerungen abzuschweifen.

Akzeptanz und Werteorientierung

Angenommen, ein Patient leidet unter Schmerzen und will deswegen seine Wohnung nicht mehr verlassen. Wie können Sie ihn motivieren?

Einen hilfreichen Ansatz liefert die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT): Diese zielt darauf ab, negative Gedanken oder Schmerzen zu akzeptieren, um eine “neutrale” Distanzierung und Werteorientierung zu ermöglichen. So sollen die Betroffenen lernen, Vermeidungsziele aufzugeben und stattdessen konkrete Handlungsabsichten abzuleiten, die sich an ihren persönlichen Werten orientieren (“Was ist mir wichtig? Wofür lohnt es sich für mich, aus dem Haus zu gehen? Könnte ich dafür zum Beispiel Hilfsmittel nutzen?”).

Eine nützliche ACT-Übung ist die Metapher vom “Monster am Wegesrand”. Das Arbeitsblatt (kostenpflichtig erhältlich etwa unter www.hausarzt.link/eAKRZ) zeigt zwei Illustrationen: Auf dem ersten Bild stellt sich einer Person ein Monster in den Weg, das etwa für Schmerz, Angst oder belastende Impulse steht. Anhand dieser Darstellung lässt sich mit dem Patienten erarbeiten, dass der “Kampf gegen das Monster” (Kontroll- und Vermeidungsstrategien) aussichtlos ist.

Die zweite Illustration zeigt eine Alternative auf, indem sie vorschlägt, das Monster “auf den eigenen Weg mitzunehmen”: Wenn wir bereit sind, unsere Gefühle, Gedanken und körperlichen Empfindungen zu akzeptieren, haben sie nicht mehr die Macht, zu entscheiden, wie wir unser Leben führen.

Genuss ermöglichen

Manche Patienten haben Schwierigkeiten, sich Genuss zu gönnen; andere können nicht mehr genießen, weil sie nicht maßhalten (zum Beispiel ständiges Computerspielen). Hier setzt die euthyme Therapie an, die bei Depressionen zum Einsatz kommt und bezweckt, dass Patienten sich im rechten Maß Genuss zugestehen.

Ein hilfreiches Tool sind unter anderem Listen mit potenziell angenehmen Aktivitäten (erhältlich etwa unter www.hausarzt.link/mCPpr). Mit ihrer Hilfe können sich Patienten bewusst machen, welche Aktivitäten ihnen guttun, damit sie diese bewusst in ihren Alltag integrieren können. Euthymes Verhalten ist individuell sehr unterschiedlich!

Depressives Erleben verringern kann außerdem folgende Übung: Einige Bohnen in die rechte Tasche stecken und bei jedem schönem Moment eine Bohne von der rechten in die linke Tasche legen. Dies hilft dabei, die Rate bewusst erlebter positiver alltäglicher Aktivitäten zu erhöhen.

Gerade für Patienten mit Depression ist die “Glücksbohnen-Übung” oft einfacher als das Ausfüllen eines Fragebogens. Sie können die Patienten alternativ dazu ermuntern, ein “Genuss-Tagebuch” zu führen (erhältlich etwa unter www.hausarzt.link/siCE2 (kostenpflichtig) – hier kommt es aber darauf an, dass Sie es sich als Therapeut auch regelmäßig angucken.

Was tun bei Suizidalität?

Wenn Sie bei Ihren Patienten an Suizidalität denken, sollten Sie dies immer ansprechen. Achten Sie dabei auf eine ruhige Umgebung, seien Sie offen, vorurteilsfrei und empathisch, und nehmen Sie jede Äußerung von suizidalen Gedanken ernst. Schätzen Sie im nächsten Schritt die Eigengefährdung ein: Bestehen bei dem Patienten lebensmüde Gedanken, Suizidgedanken oder akute Suizidalität bzw. gibt es Hinweise auf eine akute, unmittelbare Gefährdung?

Bei lebensmüden Gedanken berichtet der Patient etwa, am Folgetag nicht mehr aufwachen zu wollen; von Suizidgedanken sprechen wir hingegen, wenn seine Gedanken bereits um die Selbsttötung kreisen (zum Beispiel, wenn er sich mit konkreten Methoden beschäftigt).

Zu den Hinweisen auf akute Suizidalität zählen der Entschluss zum bzw. die affektive Einengung auf den Suizid, entsprechende Vorbereitungen sowie Hochstimmung oder Erleichterung durch die zu erwartende “Erlösung”. Eruieren Sie auch Risikofaktoren (Familienanamnese, psychiatrische Komorbiditäten, Lebensereignisse usw.) und protektive Ressourcen (zum Beispiel Familie, Religionsgemeinschaft).

Je nach Eigengefährdung empfehlen sich entsprechende Maßnahmen (zum Beispiel Krankenhauseinweisung, Medikation, Einbeziehen der Angehörigen, des sozialpsychiatrischen Diensts usw.).

Generell raten Samusch und Blumenthal bei suizidalen Patienten zu einer Intervention nach dem BELLA-Konzept (siehe Tab.2 unten). Zudem empfehlen sie, mit gefährdeten Patienten Notfallpläne zu erarbeiten und eine Ausstattung mit Medikamenten für den psychiatrischen Notfall in die Hausbesuchstasche mit aufzunehmen.

Quellen:

1. Blumenthal S, Samusch T. Practica- Seminar: “Nützliche psychotherapeutische Techniken für die hausärztliche Sprechstunde”

2. Interview mit Dr. Tobias Samusch

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